Vielen Dank für den Artikel und insbesondere die verlinkte Arbeit.
Nicht zum ersten Mal weise ich hier darauf hin, dass sich im Deutschen mit "Schnitt" und "Schnitten" Bezeichnungen eingebürgert haben, die für völlig andere Dinge stehen. Ein Schnitt ("cut") zwischen zwei Einstellungen einer Szene ("sequence" = Folge von Bildern) und der Schnitt (etwa der "director's cut") sind ja bereits nicht mehr ganz dasselbe, aber sei's drum.
Überraschenderweise war die Überblendung in der Anfangszeit des Films die früheste Art der Überleitung von einer Szene zur nächsten (und wurde ausgiebig z.B. vom Filmpionier Méliès genutzt). Der harte Cut, der heute dominiert, hat sich erst später als wichtigste Transition etabliert.
Eine Überblendung wurde also verwendet, um Sequenzen zu "schneiden". Dies ist sprachlich unkorrekt, man montiert, was bereits geschnitten ist. Um zwischen zwei Szenen genügend unterscheiden zu können, damit man "hart schneiden" kann, das heißt ohne Überblendung (resp. Star-Wars-Übergang, Fade-out/Fade-in, etc.) montieren, muss das zum Erzählten passen. Beispiel: Bond fällt hellichtentags von einer Brücke /cut/ M's versteinertes Gesicht in einem kunstlichtbeleuchteten Büro.
Kubrick wies darauf hin, dass er in Shining lediglich deshalb viele Überblendungen eingesetzt habe, weil es schlicht die schnellste Art sei, erzählerisch klar zu machen, dass Zeit vergangen sei, worauf er ansonsten lieber verzichtet hätte. Und auch der Essay spricht ja davon, dass Kreuzblenden erzählerische Zeitmaschinen sind.
Was geschieht, wenn man das Vergehen von Zeit deutlich machen will, ohne dabei zu überblenden, zeigt eine (?) Szene aus einem meiner Lieblingsfilme, die ich verkürzt (d.h. mit Überblendung) in Erinnerung hatte:
Noodles' nachdenkliches Gesicht lässt natürlich dem Zuschauer viel Zeit (Filmquiz: " ... als ob man zusieht, wie Farbe trocknet"), um es mit eigenen Gedanken zu füllen. Um nur zu zeigen, dass ein paar Jahrzehnte vergangen sind, hätte eine kitschige, lange Überblendung von visit Coney Island auf LOVE genügt ...
ABER: Bei 2:16 im selben Video folgt die klassische Timemachine-Überblendung!
Die "harten Schnitte", die vielerorts als gewagt empfunden werden, beziehen sich imho auf klassische Hochzeitsfilm-Collagen. Es wird gar nichts erzählt, es ist alles nur eine Aneinanderreihung von gefälligen Heile-Welt-Motiven. Um dann zu signalisieren, ist alles dieselbe Soße, taugen Überblendungen ganz gut.
Abgesehen von der Anwendung als "Zeitmaschine", seh ich Überblendungen eigentlich hauptsächlich oft im Fernsehen als (ich nenn's mal) "Schnulzeneffekt" ;) Also beispielsweise wenn in Shows jemand ein langsames Lied singt bzw. wenn eine ruhige getragene Atmosphäre übermittelt werden soll ...
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