Krabbi hat geschrieben:Was sind eigentlich wirklich aus praktischer Sicht Unterschiede zwischen Grossmembranmics und Kleinmembranmics?
Zum Glück lesen hier eher Video- und nur wenig Tonleute mit. Sonst hättest Du jetzt eine mit großer Verbissenheit geführte Endlosdiskussion losgetreten. Aber vielleicht passiert das ja trotzdem. Mal in Kurzform: Früher war es nicht möglich, Mikrofone mit kleiner Membran in guter Qualität zu bauen. Daher dominieren seit Jahrzehnten Großmembranmikrofone die Studios, weil man sich an einen bestimmten Anblick einfach gewöhnt hat. Allerdings gibt es seit vielen Jahren sehr gute Kleinmembranmikrofone, so dass sich diese vor allem im Außeneinsatz durchgesetzt haben.
Man kann trefflich darüber streiten, welcher Mikrofontyp nun die natürlichere Übertragung liefert - und ob man das überhaupt haben möchte. Der ehemalige Chefentwickler des Kleinmembranmikrofonherstellers Schoeps, der Herr Wuttke, führt zusätzlich an, dass es heutzutage eher so ist, dass die Membran eines Großmembranmikrofones sich selbst im Weg steht. Aber es gibt eben immer noch viele Sprecher, die ernsthaft verunsichert sind, wenn im Sprecherraum kein Neumann hängt.
Fakt ist, dass sich für bestimmte Anwendungen bestimmte Mikrofone als Standard herausgebildet haben. In sehr vielen Korbwindschutzen wirst du ein Sennheiser MKH 416 oder MKH 60 (Kleinmembranmikrofone) finden, nur selten trifft man sowas im Sprecherraum eines Studios, auch wenn das natürlich kein Problem wäre. Eben einfach nur unüblich. Dafür wirst Du in den meisten Sprecherräumen sowas wie ein Neumann TLM 103 (oder früher Neumann U 87) finden (Großmembranmikrofon). Für den Außeneinsatz sind solche Mikrofone ungeeignet, da sie seitlich besprochen und elastisch aufgehangen werden müssen.
Bei Orchsteraufnahmen wird es jedoch ganz bunt: Da sind sehr viele Kleinmembranmikrofone im Einsatz, aber gerade die Blechbläser werden oft mit U87 aufgenommen. Das ist meist deren letztes Rückzugsgebiet, weil man sie dort wegen des hohen Pegels der Instrumente nicht weit aufziehen muss und sich ihr für heutige Verhältnisse sehr hohes Eigenrauschen nicht so bemerkbar macht.
Im Bereich der hochwertigen Beschallung wirst Du übrigens zu fast 100 Prozent die sehr schlanken Schoeps-Mikrofone finden, die haben sich da eine sehr prominente Position gesichert. Wenn Du Dich ernsthaft für Mikrofone interessierst, empfehle ich auch mal einen Blick auf Microtech Gefell, das ist der Ost-Ableger von Neumann, die bauen auch sehr gute Kleinmembranmikrofone.
Wenn Du jedenfalls ein sehr gutes Mikrofon für drinnen und draußen suchst, würde ich persönlich mit einem gebrauchten Sennheiser MKH-416 anfangen. Aber achte darauf, dass Dir keins mit Tonaderspeisung angedreht wird, sondern nur ein MKH 416 P 48 U mit Phantomspeisung.
Es gibt natürlich auch noch alle möglichen anderen Hersteller, also AKG, Beyer, Brauner und so weiter, da bleibt dann tatsächlich nur der eigene Hörvergleich und der Blick auf das Konto.
Zusammenfassend kann man also sagen, dass es immer darum gehen sollte, welches Mikrofon für welchen Zweck am besten geeignet ist, dabei spielt die Größe der Membran heute keine ausschlaggebende Rolle, das ist eher eine psychologische Sache. Wuttke hat mal ein beeindruckendes Radiostudiomikrofon aus den USA gezeigt und dann mit Freude den Einsprachekorb abgezogen. Da kam dann ein kleines Schoeps zum Vorschein... :-)
Matthias