BildTon hat geschrieben: ↑Di 17 Dez, 2024 23:38
Darf ich fragen, was der Vorteil bei deinen Lieblingsmikrofonen, also das M 990 und das M 92.1s, ist?
Aus meiner Sicht decken beide Mikrofone zwei sehr unterschiedliche Klangsignaturen ab, und dies jeweils am oberen Ende der Qualitätsskala.
Das M 990 hat die Kapsel des M 930, also eine moderne Entwicklung aus den 90er Jahren, die mit einer Mylar-Membran bespannt ist. Diese Kapsel zeichnet sich durch eine sehr feine Auflösung, Offenheit und hohe Transparenz aus. Also im Vergleich beispielsweise zum U 87 ist es, wie wenn man einen Vorhang wegzieht, auch wenn der nur dünn und seidig ist. Der Übertrager und die Röhre machen das Signal wärmer, schöner und runder im Vergleich zum M 930, welches (wie beispielsweise das Neumann TLM 107) ein wenig "kühl" wirkt. Allein schon der Übertrager macht da einen großen Unterschied, daher produziert Mikrotech Gefell das M 930 seit vielen Jahren auch in einer Variante mit Übertrager, dann heißt es M 930 Ts (für trafosymmetriert). Aber schon mit einem gewöhnlichen M 930 bekommt man schönere Aufnahmen hin als Beispielsweise mit einem neuen TLM 103, welches man erst mal 20 Jahre liegenlassen müsste, damit es nicht mehr so nervig klingt. Das Sprecher-Ensemble des WDR hat das M 930 zum Lieblingsmikrofon gewählt.
Das M 92.1s ist technisch fast vollkommen identisch mit dem M 990, bis auf die Kapsel: Da steckt eine traditionelle M7 drin, wie sie damals von Georg Neumann und dem Vater des Microtech-Gefell-Miteigentümers Kühnast entwickelt wurde. Da ist die Membran mit einem PVC-Material bespannt. Das altert über die Jahrzehnte zwar mehr und anders als Mylar, kann dann aber neu bespannt werden. Heute wird die M7 nur noch in Gefell und von Familie Thiersch gefertigt (die liefert sie dann an verschiedene Firmen, die U47-Nachbauten herstellen). Charakteristisch für die M7 ist, dass sie etwas mittenbetonter ist, so wie eine K870/67 im U 87 oder U 67, ohne jedoch ins "Knorzige" abzugleiten. Gleichzeitig gibt sie sie S-Laute extrem sauber wieder. Das sorgt dafür, dass die Aufnahme sich in der Mischung immer ein wenig besser durchsetzt als mit anderen Kapseln.
Es gibt aber noch einen weiteren Unterschied: Die M930-Kapsel ist sehr bass-stark. Das kann in recht kleinen Räumen zum Problem werden, da muss man untenrum sehr präzise EQen, weil selbst ein akustisch gut ausgebauter Raum, wenn er klein ist, zu einer gewissen "Boxigkeit" neigt. Die M7 ist keine ganz so strenge Niere, öffnet sich nach unten hin etwas weiter, betont dafür aber die Bässe nicht so extrem. Daher liefert sie in kleinen Räumen eine sehr saubere Aufnahme, und man kann mittels EQ der Stimme ohne Probleme ein wenig mehr Fundament geben.
Mein Fazit: Weibliche Stimmen nehme ich eher mit dem M 990 auf, und mich selbst und andere Kerle eher mit dem M 92.1s. Da die mechanisch identisch sind, kann man sie auch schnell tauschen, und es reicht eine Aufwärmzeit von 10 Minuten. Muss nur mal schauen, ob es Leute gibt, die sich davon ablenken lassen, dass dann ggf. das bronzefarbere Mikrofon in der silbernen Spinne hängt. Dann muss ich alles wechseln.
Das MT 71s ist jedenfalls sehr nahe dran am M92.1s und das M 930 Ts ist sehr nahe dran am M 990. Also wer keine Röhre haben will, käme auch mit Transistormikrofonen sehr weit. Das M 1030 hingehen ist sehr nahe am M 930 ohne Ts, wirkt bei mir auch ein wenig zu "hauchig".
Nachteil der beiden Röhrenmikrofone: man kann sie nicht einfach an einem Mika-Arm betreiben, weil der eben auf 3pol-XLR festgelegt ist, während man es bei denen ja mit einem 7pol-Großtuchel zu tun hat. Das M 92.1s ist (anders als das MT 71s erstaunlicherweise) trotz Spinne relativ körperschallempfindlich, so dass ich jetzt wieder mein Rollstativ in Betrieb genommen habe, welches ansonsten eher so in Hörspielkomplexen verwendet wird. Damit ist das Mikrofon vollständig vom Tisch entkoppelt. Wenn mal jemand im Stehen sprechen möchte, muss ich eben das Stativ höhermachen, und dann den Tisch hochfahren. Mal schauen, ob mir da noch was einfällt.
Jedenfalls muss man keine Unsummen für ein M 49v, ein U 67 oder gar für diese Telefunken/Neumann-Nachbauten aus den USA ausgeben, die allesamt zwischen 6.000 und 12.000 EUR kosten. Davon wird es definitiv nicht besser.
Matthias