Falls es Mitforisten interessiert - wollte mal meine Praxiserfahrung mit der X-T4 teilen (auf zwei Drehs eingesetzt, geliehene Kamera, bin aber versucht, sie anzuschaffen):
- Das Videobild/die Kamera am besten so einstellen, dass man fix & fertige Bilder erhält. Finger weg von F-Log und HLG (siehe meinen
separaten Thread), dafür Tweaken von Menüparametern wie "Dynamic Range" (setzt beim Maximalwert "400%" die Kamera auf ihr natives ISO 640) und "Curves" (hier lässt sich noch Highlight-Rolloff/Knee und Anhebung der Schatten regeln). In Rec709 h265 400Mbit/s Intraframe liefert die Kamera faktisch die gleiche Qualität wie ihre sehr gute JPEG-Engine, nur in 4K DCI (statt 6K/26MP) und 10bit 4:2:0. Das Material wird in Resolve Studio und einer halbwegs aktuellen Nvidia GTX von der GPU dekodiert und läuft daher flüssig auch mit älteren CPUs. IMHO bewegt sich die Out-of-the-cam-Bildqualität optisch auf dem Niveau der C100/C200/C300-Serie im Standardprofil.
- Mich interessierte die XT-4 als hybride Run-and-Gun-Kamera, ohne Zubehör und Rigging, möglichst auch ohne Stativ/Gimbal. Die Kombination der in-Body-Stabilisierung (mit aktueller Firmware 1.02) + dem stabilisierten 18-55mm/2.8-4-Zoom ist aus meiner Sicht perfekt; allerdings fehlen mir in dieser Hinsicht vergleichende Erfahrungen mit Kameras wie der GH5/G9, und ich bin auch kein Vlogger, der mit der Kamera in der Gegend herumläuft. Schwenks bzw. Nachziehen nur aus der Hand (bzw. dem Kamera-Halsgurt) gehen prima und sehr weich. Die neuen chinesischen Filter-Klapp-Adapter (siehe
hier) funktionieren prima an dem 18-55mm, weil es sich weder beim Fokussieren, noch beim Zoomen dreht. So kann man sehr einfach einen Vari-ND an der Kamera verwenden, immer draufhaben und bei Nichtbedarf wegklappen. Ist in der Praxis fast so gut wie ein interner ND.
- Fokussierung: Die Fokushilfen (auch während der Aufnahme zuschaltbare Vergrößerung, das sehr feine und genaue Fokuspeaking) sind sehr gut und auf dem Niveau von Blackmagic-Kameras. Erster "Bummer" ist der AF-C im Videomodus in Verbindung mit Gesichtserkennung. Man kann sich auf ihn definitiv nicht verlassen, sondern er pumpt. (Leider auch in kleinen Bereichen, die man während der Aufnahme auf Display oder EVF nicht sieht.) AF-C sollte man in kritischen Situationen nicht verwenden, zumindest nicht Stand Firmware 1.02. Ob der Nachführautofokus verlässlich ist, wenn man die Kamera in den AF-S-Modus setzt und langsames Nachführen konfiguriert, muss ich noch testen. Zumindest ist hier der Flip-/Tilt-Screen nützlich, weil er sich als Autofokus-Touchscreen eignet und ausgeklappt stärker von der Kamera entkoppelt (bzw. besser stoßgeschützt ist).
- Richtig gut und erstaunlich verläßlich: Der automatische Weißabgleich, vor allem im Modus "Ambient Light", der die Lichtstimmung berücksichtigt (anstatt den Weißpunkt gnadenlos zu neutralisieren). Selbst mit Mischlicht kommt diese Automatik erstaunlich gut zu recht:
1.53.1_1.53.1.jpg
...und auch der erfasste & abgebildete Dynamikumfang ist (bei entsprechenden Einstellungen) so gut, dass man dafür kein Log-Profil braucht:
1.45.1_1.45.1.jpg
- Bedienung: Die direkte Umschaltung zwischen Foto- und Videomodus, mitsamt sich entsprechend verändernder Menüs (inkl. für jeden Modus separat konfigurierbarem Quick Menu) ist IMHO Grund genug, zur XT-4 statt zur diesbezüglich fummeligen XT-3 zu greifen. Trotzdem ist das Kameramenü IMHO überladen und nähert sich Sony-ähnlicher Komplexität. Einstellungen wie wie "D Range Priority", die in Konkurrenz zur Einstellung "Dynamic Range [Auto/100%/200%/400%]" stehen, sind verwirrend und auch im Kamerahandbuch nicht deutlich erklärt. Die vielen Einstellräder an der Kameraoberseite sind Segen und Fluch, weil man einerseits nicht oft in die Menüs muss, sich andererseits aber Funktionen gegenseitig überschreiben und blockieren können (wie z.B. Shutter- und Blenden-Einstellung, wofür es dann auch noch eine kryptische, videospezifische und nicht wirklich brauchbare Sperrfunktion im Menü gibt). Außerdem führt die Mechanik der Räder dazu, dass sich leicht etwas unbeabsichtigt verstellt. Wenn man den Minimalismus von Blackmagic (und mit Einschränkungen auch Sigma) gewohnt ist, ist hier erstmal eine hohe Lernkurve angesagt. Es nervt auch extrem, dass die Kamera bei jedem Aufruf des Menü-Knopfs automatisch in "My Menu" springt.
- Audio: funktioniert mit dem Ohrwurm, Qualität ist für kamerainterne Aufzeichnung in Ordnung.
- Die vielgelobten neuen, größeren Akkus: im Videobetrieb bleibt von der hohen Akkukapazität nicht viel übrig, subjektiv reicht sie für eine halbe Stunde, was aber noch genauer zu testen wäre. Die Kamera wird schnell (fühlbar) heiß. Nach 20 Minuten kontinuierlicher Aufnahme bei Zimmertemperatur kam die Überhitzungswarnung. Das ist, neben dem Autofokus, der größte Nachteil der Kamera im Run-and-Gun-Einsatz.
- Low Light: Auch ISO 6400 ist absolut brauchbar, was früher eine Full Frame-Domäne war. Die Kameraelektronik "hält" die Farben in dieser hohen ISO-Stufe erstaunlich gut, und (bei im Menü maximal runtergedrehten Rauschfiltern) der 400MBit/s-Codec wird durchs Bildrauschen nicht überfordert:
1.69.1.T_1.69.1.T.jpg
- Dem Ideal einer universellen hybriden run-and-gun-Kamera kommt die X-T4 ziemlich nahe, wobei die Überhitzungsproblematik IMHO der größte, wirklich ernsthafte Pferdefuß ist, und der Video-Autofokus zumindest dann enttäuscht, wenn man weiß, was Sony- und Canon-Kameras mittlerweile können.
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