wie wahrscheinlich schon einige mitbekommen habe, erstelle ich seit ein paar Jahren Videos für Landmaschinenhersteller in meiner Freizeit (Nebentätigkeit).
Aktuell stelle ich mir die Frage, ob ich anstatt Stundensätze, lieber Komplettpreise für z.B. Produkt- oder Imagevideos verlangen sollte.
Der Komplettpreis würde meiner Meinung nach folgende Posten beinhalten:
- Kamera
- Assistent
- Schnitt
- Gema Freier Musiktrack
zzgl. Anfahrt, Spesen, Übernachtung.
Bisher hatte ich immer einen sehr ähnlichen Zeitaufwand bei den letzten Projekten.
Aktuell sehe ich folgende Vor- und Nachteile:
Stundensatz:
+ Besondere Kundenwünsche, die sehr zeitintensiv für mich sind, werden genau abgerechnet.
+ Transparente Kosten pro Posten (Rechnung)
- Kunde weiß nicht, mit welchem Preis er rechnen muss
- Aufträge mit geringem Umfang, bei dem sich der Aufwand und die weite Fahrt nicht lohnt, werden abgesagt.
Komplettpreis:
+ Kleinere Projekte können wahrgenommen werden
+ Kunde ist sich sofort über die Kosten bewusst
- Abrechnen von zeitintensiven Kundenwünschen oder anderen Dingen (Leihen von Equipment, usw.)
- Kosten für kleinere Projekte für Kunde zu teuer
Hierzu würde ich gerne einmal eure Meinungen und Erfahrungen hören.
meine persöhnliche Erfahrung ist so, das ich mit einer Stunden Abrechnung in der Regel besser fahre. Ich habe zwar schon einige Projekte gemacht bei denen ich durch eine Pauschale unglaubliche Stundenlöhne realisieren konnte, aber das war die absolute Ausnahme. Ich würde da sagen wir reden in meinem Fall von 3-5 Projekten in 20 Jahren.
Wenn man seinen Beruf also nicht ausschliesslich als Dienstleistung versteht, und da gehe ich bei dir nicht davon aus, sondern wenn man selbst den grössten Spass an einem tollen Produkt hat, dann ist man immer geneigt bei einer Pauschale mehr Arbeit hinein zu stecken als eigendlich berechnet.
Jetzt kommen wir zu dem was du ansprichst, die Änderungswünsche der Kunden. Bei mir ist es so (und ich vermute bei den meisten anderen ebenfalls) das wenn ich eine Pauschale gemacht habe bei der ich z.B. von 5 Tagen Produktionszeit ausgegangen bin, dann stecke ich in der Regel nicht 3 Tage wirklich ins Produkt und halte mir 2 Tage für Änderungen bereit. Bei den meisten Projekten stecke ich 5 Tage Zeit hinein, und dann fallen mir selbst noch einige Dinge auf die ich verbessern kann, sodass mein Kunde das erste Ergebniss sieht wenn ich schon 7 Tage hinein gesteckt habe.
Wenn jetzt noch 2-5 kleine Änderungen kommen, dann mache ich die ebenfalls auf meine Kosten und sage mir halt "Das Leben ist kein Ponyhof". Dafür gibt es aber ein schönes Ergebniss, und Applaus ist ja bekanntlich der Lohn des Künstlers.
So eine Verfahrensweise setzt aber ein gegenseitiges Vertrauen voraus. Du musst deinem Kunden vertrauen können, das er nicht Wochen lang Änderungen macht nur um zu Ändern, und dein Kunde muss dir vertrauen das du von Haus aus das Maximum ablieferst was möglich ist.
Hast du so eine Vertrauensbasis, dann werdet ihr vermutlich sehr lange zusammen Arbeiten, und das Geld wird vermutlich nie im Zentrum eurer Aufmerksamkeit stehen.
Drehst du aber Landmaschienen und dein Kunde sagt: "Mach das mal zusammen mit meiner Werbeagentur", dann wirst du möglicherweise mit dieser Verfahrenweise eine übele Bauchlandung erleben. Weil zumindest meiner Erfahrung nach viele Agenturen Ihre Aufgabe nicht darin sehen ein gutes Produkt abzuliefern, sondern sich möglichst oft einzumischen, und so oft zu Ändern wie es irgendwie geht. Da wird das Ändern zum Selbstzweck. In so einem Fall must du auf einen Stundenlohn bestehen, tust du es nicht, werdet ihr definitiv mit einem "dicken Hals" auseinander gehen.
Natürlich möchte jeder der dir einen Auftrag gibt eine Pauschale, das ist ja klar, aber da musst du zwingend eine Grenze einziehen, die dich schützt wenn so ein Projekt plötzlich Ausmasse von "Ben Hur" annimmt.
Grundsätzlich sind meiner Meinung nach Stunden-/Tagessätze immer der beste Weg, die meisten Kunden wollen es nur nicht.
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leave the gun take the cannoli
------------------------------------------------------- www.movie-grinder.com
Eine Möglichkeit - auf die ich öfters zurückgreife - wäre:
Du bietest dem Kunden eine Pauschale an, wobei Deine Arbeitsleistung genau vorab definiert wird, 1-2 Änderungsdurchläufe sind im Preis inbegriffen, alle weiteren Änderungen und zusätzliche Arbeit werden mit einem bestimmten Stundensatz verrechnet.
Das verhindert recht zuverlässig ewige Änderungskreisläufe.
Nach meinen ersten Aufträgen bin ich auch dazu übergegangen, möglichst genau abzusprechen, was gewünscht ist um auf dieser Grundlage eine Schätzung zu machen, wie lange ich dafür brauche (bzw. wie lange jemand brauchen würde, der darin Übung hat, die "Lernzeit" für mich kalkuliere ich da nicht ein, wenn ich einen vernünftigen Tagessatz ansetze). Dann heißt es z.B. für X Interviews die in einem X minütigen Clip zusammengefasst werden, brauche ich zwei Tage. Alles darüber hinaus wird mit einem Tages- oder Stundensatz in Höhe von X berechnet. Wenn jetzt 5 Interviews dazu kommen und das ganze einen Tag länger dauert, weiß der Kunde das auch.
Ich denke wichtig ist es, dem Kunden klar zu machen, wie viel Aufwand hinter bestimmten Dingen steckt. Wenn das einigermaßen gelingt, ist das schonmal die halbe Miete.
Die Frage stellt sich von Fall zu Fall immer wieder neu, zumindest wenn man mehrere Kunden hat. Da hat jeder seine Präferenzen, der eine berechnet Tagessätze, der andere will einen Paketpreis, auch Mischformen kommen vor. Wie damit umgehen? Wenn der Kunde neu und sehr attraktiv ist, wahlweise ein Dauerauftrag winkt, mache ich sicher auch mal einen Kompromiss, aber in der Regel deckt sich meine Vorgehensweise mit der der Vorposter.
-Wenn möglich Tagessätze vereinbaren (plus Auslagen, Fahrtkosten, Überstunden). So ist man am besten abgesichert, wenn man den Aufwand unterschätzt, was auch trotz langer Erfahrung immer mal wieder vorkommt.
-Wenn ein Paketpreis gefordert ist, auf Tagessatzbasis kalkulieren und unbedingt klare Leitplanken (Zahl der Umschnitte, Berechnung von Überstunden...) einziehen. Das alles in einem schriftlichen Angebot fixieren und den Kunden um Bestätigung bitten.
Beides funktioniert natürlich nur bei Klein-Produktionen, die man allein oder zu zweit durchzieht. Bei aufwändigeren Sachen sollte[i] immer[/i] eine branchenübliche Kalkulation die Grundlage bilden. Da tauchen dann auch Sachen wie "HU's und Gewinn" auf, ggf. Kosten für die Vorfinanzierung, KSK - Abgaben, etc.
So oder so: Sämtliche rote Lampen sollten leuchten wenn man es mit der "harten Flatrate-Fraktion" zu tun bekommt. "Ich habe den Etat X für den Film, kriegen Sie das hin?". Meine Erfahrung: Bei sowas zahlt man fast immer drauf!
Vielen Dank für eure zahlreichen Antworten.
Hat mir schon mal sehr weitergeholfen!
Werde mir überlegen, ob ich eine Mischung aus Tagessatz (für Kamera inkl. Assistent) und Stundensatz für Schnitt zzgl. Musiktrack, Anfahrt, Übernachtung und Co. nehme.
Ich arbeite schon einige Zeit mit der selben Richtlinie wie Freezer und bin bisher gut damit gefahren.
In meinem Kundenkreis und Aufgabengebiet will man auch gerne vorher wissen was es kosten wird und ich kann das verstehen. Die schriftliche Festlegung wo die Pauschale endet hat mich bisher zuverlässig vor endlosen und unverschämten Änderungswünschen bewahrt. Eh klar, wenns gratis ist, dann wird endlos gewünscht ....
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