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Poor Things (Giorgos Lanthimos, GB 2023



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markusG
Beiträge: 5225

Re: Poor Things (Giorgos Lanthimos, GB 2023

Beitrag von markusG »

Frank Glencairn hat geschrieben: Di 30 Jan, 2024 11:13Was soll's, da kommen wir beide sowieso nicht auf einen gemeinsamen Nenner - muß ja auch nicht.
Es geht nicht darum der gleichen Meinung zu sein oder den gleichen Geschmack zu haben - sondern um unterschiedliche Informationsstufen.
Frank Glencairn hat geschrieben: Di 30 Jan, 2024 11:13 in meinen Augen hab ich beriets genug Informationen
Haha ja jetzt wird es philosophisch :D

In meinen Augen hast du irreführende Rezensionen - wohlmöglich auch aus sehr homogenen Quellen - angeschaut, oder einen selektiven Schluss daraus gezogen, keine Ahnung*. Vielleicht auch beides. Dein Urteil stell ich ja auch nicht in Abrede, ist ja dein Bier - und deine Zeit. Ich finde es in erster Linie ulkig :D


*edit: ich beziehe mich da wie gesagt nicht auf Interpretation/Urteil/Meinung/Geschmack, sondern auf reine Information



Skeptiker
Beiträge: 6721

Re: Poor Things (Giorgos Lanthimos, GB 2023

Beitrag von Skeptiker »

Wieder zurück zum sozialistischen Machwerk mit erotischer Note und durchgeknallter Hauptfigur ;-)

Der zweiten, durchgeknallten Figur wird und wurde zu wenig Beachtung geschenkt. Denn ihre Geschichte wird auch erzählt, und zwar von Dr. Godwin Baxter (aka Willem Dafoe, für einmal ohne 'Maske'! ... was??) selbst.
Wie wurde er der, der er nun ist, und warum?

Und was für ein Verhältnis haben Bella, die nun seinen Nachnamen trägt, und er eigentlich?
Kaum ist sie aus dem Totenreich zurück, da steht er schon an ihrer Seite und kümmert sich um sie. Scheinbar aus fast väterlichem Mitgefühl, aber vielleicht auch aus reinem Kalkül: Der Wissenschaftler ohne Skrupel möchte wissen, ob seine Operation gelungen ist und wie das Ergebnis sich entwickelt.

Als Bella dann mit Glücksritter und Ego-Casanova Duncan auf grosse Reise geht und dabei den enttäuschten und verliebten Max McCandles wie auch ihren Retter und Neugestalter zurücklässt, ist ungewiss, ob sie jemals zurückkehren wird. Aber Dr. Baxter ist zuversichtlich. Er traut ihr etwas zu - dass sie sich behauptet und dass sie sich an ihn erinnert. Viel später, aber doch früher als erwartet, kommt der Moment der Wahrheit.

Und Bella ... (plötzlicher Schreibstau (ächz) ... aber der klärende Kinobesuch lohnt sich, und wenn's nur zur Bestätigung ist, dass dies der schrecklichste Fehlgriff war, den man sich filmisch je erlaubt hat!) ...

Nachtrag:
Film und Thema lassen mich noch nicht los, und ich stiess bei neuen Recherchen auf eine weitere Filmkritik, die genauer hinschaut als alle anderen: Sie vergleicht die gleichnamige Geschichte aus Alasdair Grays Buch von 1992 mit der jetzigen Kinogeschichte "Poor Things" und kommt zum Schluss, dass die Bucherzählung noch einen weiteren Schwenker macht, der im Kino nun fehlt: Nämlich, dass Bella ihre (vorläufige) Lebensgeschichte (= die Kinogeschichte), die im Buch durch ihren inzwischen verstorbenen Ehemann (im Kino Max McCandless, im Buch Archibald) in der Rückschau erzählt wurde, nachträglich in einem Brief korrigiert und als Erfindung abtut. Nachzulesen in dieser erhellenden Kritik (die das Filmende nicht abwertet, aber doch um diesen interessanten Punkt ergänzt):

Wer hat Angst vor Bella Baxter? Frankensteins unersättliche Tochter: Emma Stone spielt in «Poor Things» ein feministisches Monster auf Bildungsreise.

Von Florian Keller (nicht datiert)

https://www.woz.ch/wobei/24-1/poor-thin ... WGBZ4SH2SF



Axel
Beiträge: 17098

Re: Poor Things (Giorgos Lanthimos, GB 2023

Beitrag von Axel »

Frank Glencairn hat geschrieben: Di 30 Jan, 2024 08:29
Axel hat geschrieben: Mo 29 Jan, 2024 22:34… macht aus Sex etwas, dass weder mit Liebe noch Hass noch Lust, sondern mit Sucht, Cold Turkey, Onaniebulimie und Unlust am Leben selbst zu tun hat.
Ich weiß nicht.

Das klingt für mich eher nach dem herbeireden (wenn nicht gar dem herbeisehnen - was eigentlich psychologisch noch viel spannender ist) einer Opferrolle.
Ja, das ist spannend. Unter dem Aspekt Opfer betrachtet, gibt es in Poor Things (trotz des Titels) keine echten Opfer.
Skeptiker hat geschrieben: Di 30 Jan, 2024 16:49 Der zweiten, durchgeknallten Figur wird und wurde zu wenig Beachtung geschenkt. Denn ihre Geschichte wird auch erzählt, und zwar von Dr. Godwin Baxter (aka Willem Dafoe, für einmal ohne 'Maske'! ... was??) selbst.
Wie wurde er der, der er nun ist, und warum?
Denn wenn einer genügend Beweise hätte, dass er ein zu bevorzugendes Opfer ist, wäre es Godwin. Vom Vater, wie er matter-of-fact erzählt, im Rahmen von dessen Experimenten grausam verstümmelt, lehnt er dennoch die Opferrolle ab. Gott ist ja auch ein Schöpfer, der sich mit seiner sadistisch Leiden genießenden Welt beim Jüngsten Gericht auf Schadensersatzklagen gefasst machen muss, bei denen selbst er blass wird. Die in patriarchalischen Rollen erzogenen Männer in Poor Things heulen über ihre nicht ernst genommene Täterrolle, was als erbärmlichste aller Neurosen in der Figur von Archibald gipfelt, der mit dem existenziellen Dilemma ringt, ob er seine Dienstboten nicht lieber prophylaktisch erschießen soll, bevor sie aufmucken. Selbst seine erfolgreich selbstmörderische Ehefrau (Bellas Körper) war nicht sein Opfer, denn ob man Opfer ist, wird nicht durch den Täter definiert. sondern tatsächlich durch das Opfer. Sie weigerte sich, eines zu sein.
Was die Frage aufwirft: Wer sind eigentlich die armen Dinger?
Vorsichtiges eigenes Resümee: moralisch kann nur jemand handeln, der in die Täterrolle wechselt. Oder, wie der Jesus aus Netflix‘ Messias sagte: die Geschichte ist Vergangenheit, die Zukunft beginnt jetzt. Dabei kommt mir ein Sinnspruch in den Sinn, den ein reicher Unternehmer, Vater eines Mitschülers und Mäzen unserer kindlichen Super-8-Ambitionen, in seinem Privatschloss hängen hatte: Viele sehen im Unternehmer den Ausbeuter. Nur wenige sehen in ihm das Pferd, das den Karren zieht! Richtig, dachten wir ausgebeuteten Mittelklasse-Kinder schon damals. Und alberten rum, weil wir Animal Farm gesehen hatten mit dem armen Boxer. Poor thing. Das ist vielleicht gemeint.
Na und? Im Fernsehen wird ja auch alles wiederholt ...



Skeptiker
Beiträge: 6721

Re: Poor Things (Giorgos Lanthimos, GB 2023

Beitrag von Skeptiker »

Axel hat geschrieben: Mi 31 Jan, 2024 04:57 ... Die in patriarchalischen Rollen erzogenen Männer in Poor Things heulen über ihre nicht ernst genommene Täterrolle, was als erbärmlichste aller Neurosen in der Figur von Archibald gipfelt, der mit dem existenziellen Dilemma ringt, ob er seine Dienstboten nicht lieber prophylaktisch erschießen soll, bevor sie aufmucken.
Selbst seine erfolgreich selbstmörderische Ehefrau (Bellas Körper) war nicht sein Opfer, denn ob man Opfer ist, wird nicht durch den Täter definiert. sondern tatsächlich durch das Opfer. Sie weigerte sich, eines zu sein. ...
Hallo Axel,

Hier liegt möglicherweise ein Missverständnis mit den Namen vor (sofern ich nicht etwas verwechsle):

Bella war im ersten Leben ja Victoria Blessington (übersetzt etwa: "Die wohlbehütete/gesegnete (mit Reichtum?) Siegerin") und ihr egozentrisch-arroganter Upperclass-Mann heisst/hiess Alfie Blessington (nicht Archibald).
Mit Archibald (ich muss bei dem Namen an Cary Grant denken, der bürgerlich Archibald Leach hiess) ist (so nehme ich jedenfalls an) ihr zweiter Mann, also Bellas Mann, gemeint, der im Buch (siehe vollständigen Titel der Buchvorlage) offenbar Archibald McCandless heisst und im Film Max McCandless - der lange unglücklich Verliebte und am Ende von Bella doch Erhöhrte.
Aber vielleicht spielt der Archibald McCandless des Buchs eine andere Rolle als der Max McCandless des Films - es ist verwirrend!

Gruss
Skeptiker



Axel
Beiträge: 17098

Re: Poor Things (Giorgos Lanthimos, GB 2023

Beitrag von Axel »

Alfie, ja, mein Fehler. Aus dem Kontext ja aber von dir erkennt und korrigiert!
Na und? Im Fernsehen wird ja auch alles wiederholt ...



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