dirkus hat geschrieben:
Nicht abkaufen tut man uns:
- Actionfilme
Gegenbeispiele: "Die Katze" und "Die Sieger" beweisen das Gegenteil (auch wenn das mittlerweile schon etwas ältere Filme sind). In den 70ern, als es noch deutsches Kommerzkino gab, auch "Blutiger Freitag", mittlerweile ein Kultfilm.
- Katastrophenfilme
Für die gibt's in D kein ausreichendes Budget.
- Liebes- und Tränengeschichten mit viel Emotionen
Gegenbeispiel: "Bella Martha", in den USA ein Arthaus-Hit mit einem Box Office von 4 Millionen, in D geradezu unbemerkt in den Kinos gelaufen.
- Horror
Ging noch zu Zeiten, in denen es in D ein funktionierendes Kommerzkino gab: "Hexen bis aufs Blut gequält" (übrigens eine der ersten Hauptrollen Udo Kiers) ist heute noch ein internationaler Splatterklassiker.
- Sci Fi
Das ging auch noch mit "Moon 44" von Emmerich.
- Helden und Fantasyfilme
Dafür fehlt wieder ausreichend Budget. Solche Filme lassen sich glaubhaft nur im hohen zwei- oder dreistelligen Millionenbereich machen.
- Soaps und Reality
Sind, wie Comedy, fast immer zu lokal/regional, um international zu funktionieren. Selbst die meisten und oft erfolgreichsten amerikanischen Produktionen auf diesem Gebiet schaffen es darum nicht ins Ausland.
- heimische Abenteuerfilme
Gibt's klassischen Abenteuerfilm überhaupt noch als kommerzielles Genre?
- Man kauft eben der deutschen Polizei keine wilden Verfolgungsjagden ab.
Nein, es ist anders: Das deutsche Publikum hat (meiner Meinung nach als Spätfolge von Weltkrieg und kaltem Krieg) ein unglaublich hohes Harmoniebedürfnis und will eben betuliche Kommissare (die es so im Berufsalltag kaum geben wird) sehen und keine maskierten SEKler, die Wohnungstüren aufsprengen; keine kasernierten Sondereinheiten, die bei Demos wie in Stuttgart Rentnern die Augen rausschiessen; keine Anti-Terroreinsätze wie gegen RAF und Islamisten. Da muss schon aus dem Ausland jemand wie Spielberg kommen, um einen Film wie "München" zu drehen.
Deutschland sieht sich selbst am liebsten als gemütliche Schweiz und harmlose Provinz, ist aber in Wahrheit eine Mittelmacht, in der fast alle geopolitischen Konflikte stattfinden. Wenn man nur in die jüngere Vergangenheit greift, bieten Wiedervereinigung, RAF, NSU, 9-11 (die Täter kamen aus Hamburg!), organisierte Kleinkriminalität aus Ost- und Südeuropa, white collar-Kriminalität in multinational operierenden Unternehmen (man kann in Deutschland Bestechung von der Steuer absetzen...), 'rüberschwappende Konflikte aus dem Nahen Osten und der ex-Sowjetunion (mitsamt einem für Gazprom arbeitenden ex-Kanzler), Überwachungsdeals mit den USA etc.etc. genug Stoff. Und wer denkt, dass deutsche Polizisten nur gemütlich wie Derrick unterwegs sind, täuscht sich schwer.
- Auch ein deutscher Bundeskanzler wirkt in einem globalen Katastrophenszenario eher unbeholfen.
Das ist eine Frage der Fiktion. In der Realität sah Schröder bei der Elbüberschwemmung deutlich besser aus (und handelte darüber hinaus auch besser...) als Bush nach Katrina in New Orleans.
- Die Bundeswehr ist mehr ein technisches Hilfswerk als eine Kampftruppe, der man die Abwehr eines Alienangriffs zutraut.
Hey, Du glaubst doch nicht etwa die Beschwichtungspropaganda aus dem Kanzleramt (völlig egal, ob die Regierung gerade rot oder schwarz ist)? Was denkst Du, was die Bundeswehr z.B. in Afghanistan tut? Stichwort KSK und Tora Bora...
- Architektur für Mittelalter und Kriegsfilme haben wir genug, aber keine interessante Infrastruktur für einen Action- oder Abenteuerfilm.
Was meinst Du mit Infrastruktur? Schauplätze? In einem der am höchsten industrialisierten Länder der Welt keine Schauplätze für einen Actionfilm? Jeder Amerikaner kennt z.B. das deutsche Wort "Autobahn" und verbindet es geradezu mythisch mit der Abwesenheit von Geschwindigkeitsbegrenzungen. (Was für Amerikaner ebenso wahnwitzig ist wie für uns die Waffengesetze und -kultur in den USA.) Wenn es eine kommerzielle Filmindustrie und begnadete B-Film-Produzenten à la Roger Corman gäbe, könnte man daraus im Nu was bauen, was sich international verkauft.
Es fehlt uns also der Bereich "Grosses Popcornkino"!
Dieser Bereich fehlt aber wegen der nötigen Budgets praktisch überall auf der Welt, ausser in Indien und z.T. in China. Und das hat nicht zuletzt der Größe von Bevölkerungen zu tun, und der Häufigkeit des Kinobesuchs in diesen Ländern. (Auch in den USA übrigens.)
Kurzum: Es müsste sich also schon die Gesellschaft an sich oder die Sehgewohnheiten der Leute radikal ändern, um wieder glaubhaftes Popcornkino aus Deutschland zu bekommen.
Popcornkino gab's in Deutschland doch noch nie - bis auf Komödien a la Otto und Ballermann.