WoWu hat geschrieben:Ich seh' schon, wir gehen von grundsätzlich unterschiedlichen Annahmen aus.
Meine Annahme ist, dass am Set bestimmt wird, wie das Bild hinterher aussieht und man bei (nicht nur bei) E-Aufnahmen das, was man nicht sieht, mit Know How auffüllt.
Deine Einstellung ist, es zu filmen, ohne es zu sehen und alles in der Post zu machen.
Ich denke wir haben es hie mit einem Paradigmenwechsel zu tun.
Ein großer Teil der Kompetenz eines DP war es bisher, ein quasi fertiges Bild abzuliefern, und das ist es in meinen Augen immer noch.
Der Unterschied bei einem raw Workflow ist, es wird nur noch ein Teil dieser Arbeit am Set erledigt. Im Prinzip gehört die Arbeit am Bild in der Post jetzt auch dazu.
Vielen altgedienten DPs gefällt das natürlich gar nicht.
1. Ist oft weder die Zeit noch das Budget dafür vorhanden.
2. Haben sie oft keinen Nerv sich in die Technik einzuarbeiten
3. Macht das deshalb oft ein Anderer, und sie verlieren nicht nur die Kontrolle über ihr Bild sondern auch einen Teil ihrer Kompetenz.
Das wird sich in den nächsten Jahren aber grundlegend ändern.
Einige DPs, wie Rodney Charters haben- trotz ihres hohen Alters - schon jetzt kein Problem damit, und die nächste Generation ist sowieso schon daran gewöhnt.
Bisher war es immer der ganze Stolz eines DP, ein möglichst perfektes Ergebnis - direkt aus der Mühle - abzuliefern und auf alles andere wurde als "Fix it in Post" herabgesehen.
Bei raw gibt's aber nix zu fixen, weil nix kaputt ist.
Es ist nur ein anderer Workflow. Das bedeutet allerdings nicht, daß man nicht auf Lichttemperaturen, Über/Unterbelichtung, Clipping oder LightRatios achten muß. Raw bedeutet auch nicht, daß man irgendwie schneller beim drehen ist. Die Arbeit an der Kamera ist die selbe, nur mit anderen Parametern.
Der wirkliche Unterschied liegt in dem Zeitpunkt, wann man sein Bild "entwickelt". Bisher konnte man die "Entwicklung" mit allen möglichen und unmöglichen Parametern im Kamera Menü steuern. Danach wurde das Bild mit diesen Parametern eingebacken und der Spielraum danach, war relativ eng.
Bei raw, macht man genau das selbe, aber erst später, mit deutlich mehr Kontrolle, mit besseren Werkzeugen und vor allem reversibel.
D.h. wenn der Produzent im Nachhinein wieder mal seine Meinung ändert, kann man jederzeit zu dem Rohmaterial zurück gehen und ihm einen anderen Look verpassen oder andere Schwerpunkte setzen. Nicht, daß das vorher unmöglich war, aber es ist mit raw einfacher und flexibler.
Ein weiterer Punkt ist - das sieht man vor allem bei RED - daß mit einer neuen Software, oft auch neue Debayer Algorithmen kommen. Dann kann ich mein altes Material nochmal durch den ganzen Prozess jagen und nochmal ein Bisschen mehr raus holen.
Die Kompetenz des DP verschiebt sich in Zukunft also dahin, am Set beurteilen zu können, welches Potential das Material in der Post hat. Die Post wird sich vom "Reparaturbetrieb" mehr in Richtung "Entwicklungsbetrieb" verschieben und ihr schlechtes Image in diese Beziehung ablegen.