Ich möchte mich entschuldigen, falls mein Beitrag nicht mehr zum aktuellen Diskussionverlauf passt.
Habe jetzt eine zeitlang daran geschrieben und evtl. den Anschluss verloren.
Im Fall der Fälle - einfach überspringen!
carstenkurz hat geschrieben:'Hollywood' als Komplex dagegen will natürlich primär Kasse machen und wenn die Gesellschaft gegenwärtig tendenziell schwarz sieht, erfüllt man halt eher mit Zukunftspessimismus und bestenfalls individuellem Triumphieren deren Erwartungen.
http://www.spiegel.de/kultur/kino/scien ... 14338.html
Ein Hinweis ganz am Anfang (zum verlinkten 'Elysium'-Artikel):
Der Spiegel-Fimkritiker Andreas Borcholte neigt dazu, Filmgeheimnisse in seinen Vorbesprechungen ohne Vorwarnung zu verraten und damit den Kinogängern den Spass zu verderben. Also Vorsicht beim Lesen !
Der Artikel enthält interessante Hinweise darauf, wie bei so einem Hollywood-Blockbuster bereits bei der Besetzung der Rollen an die späteren, nicht-nordamerikanischen Märkte (Asien, Südamerika, Russland) gedacht wird.
Das wurde ja zuvor bereits im Thread 'Ist das Blockbuster Kino am Ende?' diskutiert.
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Irgendwie schliesst sich da der Kreis wieder zu H.G. Wells Erzählung 'Die Zeitmaschine' von 1895, die ich eingangs erwähnt habe.
In Hollywoods neuester Dystopie 'Elysium' (vom 33-jährigen Ex-Werbefilmer und District 9 Regisseur Blomkamp), die im Jahr 2154 spielt, leben die Reichen auf der Luxus-Raumstation 'Elysium', die von der Erde aus durch den Smog noch sichtbar ist (Info-Quelle: Dem Spiegel-Text entnommen), während die Armen sich auf einer überbevölkerten, zerstörten Erde durchschlagen müssen.
Und natürlich versucht dann eine schwer bewaffneter Rebell (Matt Damon), nach Elysium durchzukommen.
In Borcholtes Spiegel-Artikel als Klassenkampf bezeichnet.
Von Regisseur Blomkamp so kommentiert (Quelle: Borcholte-Artikel):
ZITAT:
... Dabei, sagt Blomkamp, sei "Elysium" gar keine Science-Fiction: "This is today. This is now."
ZITAT ENDE
Ich vermische für 'Die Zeitmaschine' im folgenden Erstverfilmung und Buch - das Buch war als Anklage/Satire gegen die Klassenunterschiede in Wells britischer Heimat verfasst worden, der Film legt den Fokus stärker auf die exotische Zeitreise und eine sich in der fernen Zukunft entspinnende, romatische Liebesgeschichte (gibt's im Buch - angedeutet - ebenfalls) (Erstverfilmung von George Pal, 1960).
Bei H.G. Wells war 'Elysium' ins Jahr 802701 gedacht und auf die von Ruinen bedeckte Oberfläche des Planeten verlegt, wo die geschichts- und orientierunglosen, degenerierten, kindlich-naiven Elois - extern mit allem Nötigen versorgt - ein unbekümmertes, aber kurzes Leben fristen.
Um dann irgendwann - so lange das Fleisch noch frisch ist - von den unterirdisch hausenden Morlocks kannibalisiert zu werden. Als Gegenleistung für die Versorgung mit Kleidung, Nahrung und Energie von 'unten'.
Die Lebensverhältnisse der Zweiklassen-Gesellschaft sind im Prinzip gleich geblieben, aber die Machtverhältnisse zwischen (Geld)Aristokratie (blasse Elois) und Arbeiterschaft (affenartige Morlocks) haben sich umgekehrt.
Die
schönen, blassen, aber kraftlosen und gleichgültigen Elois
versus die
hässlichen aber tüchtigen, wenn auch kannibalischen, Morlocks
Stichworte: Regression, Degeneration.
Von Wells unter dem Einfluss (aber vielleicht ohne genaue Kenntnis, allerdings ging auch der darwinistische Ansatz damals noch von der Vererbbarkeit von Eigenschaften aus, die während des individuellen Lebens erworben wurden) des Darwinismus 1895 wohl bereits als zwei unterschiedliche Menschenarten gedacht (nicht nur äusserlich).
Gleich zu Beginn in den Erläuterungen des Zeitreisenden zu seiner Erfindung wird die Zeit als
vierte Dimension den anderen drei Dimensionen gleichberechtigt gegenübergestellt.
Zehn Jahre später, 1905, veröffentlicht ein unbekannter, 26-jähriger Berner Patentamt-Angestellter in den 'Annalen der Physik' eine zunächst nicht besonders beachtete Arbeit von 31 Seiten Umfang: 'Zur Elektrodynamik bewegter Körper'
http://www.physik.uni-augsburg.de/annal ... 91-921.pdf , die unter Anderem ebenfalls Raum und Zeit zu einer 4-dimensionalen 'Raumzeit' zusammenzufassen erlaubt (obwohl dies nicht explizit gemacht wird und dieser Begriff darin nicht vorkommt, ihn führt ein Mathematiker erst 1908 ein und der ehemalige Patentbeamte selbst 1916 in der 54-seitigen, zweiten Abhandlung zum Thema: 'Die Grundlagen der allgemeinen Relativitätstheorie'
http://www.physik.uni-augsburg.de/annal ... 69-822.pdf) und bis heute als 'Spezielle Relativitätstheorie' unsere Köpfe rauchen lässt! Damit kein Missverständnis entsteht: Zeitreisen (theoretische) erlaubt auch sie
nicht!
Der Klassenkämpfer hier ist der Zeitreisende (im Roman ohne Namen), der im Film die unterirdische Welt der Morlocks zum Einsturz bringt, die Elois zu eigener Initiative ermuntert und auf der Flucht vor den Morlocks, die seine Zeitmschine bewachen und gerne benutzen würden, aber den Antriebskristall dazu nicht haben, in die Gegenwart zurückreist.
Im Roman fehlt dieser Eingriff ins Geschehen, der namenlose Zeitreisende reist noch weiter in unsere Zukunft, in eine Welt, in der keine Menschen, wie wir sie kennen, mehr zu existieren scheinen und ein öder, lebensfeindlicher Planet nur noch wenige, im Roman nur schmenhaft beschriebene, einfache Lebensformen beherbergt.
Wer die Original-Verfilmung von 1960 mochte (es ist - trotz 'B-Movie' - einer meiner 'A'-Lieblingsfilme ... er ist so wunderbar altmodisch ... diese Zeitmschine mit dem drehenden Zifferblatt, das skurrile Zusammenfinden der Freunde in Georges Haus, Miss Watchett, die beste Köchin der Welt, die zufälligen Treffen von George und Filby über die Zeit hinweg, die Zeitraffer-Aufnahmen beim ersten, zögerlichen Start der Maschine, das Zukunftsdesign, die unverwechselbare Filmmusik ... einfach alles!), dem sei die Lektüre des Romans empfohlen - er ist ähnlich und doch ganz anders als der Film - als einfache, klassische, frühe Dystopie mit Nachbrenn-Effekt.
Und wer den Film nicht kennt, dem ebenfalls.
Alternativ: Sich die Original-Geschichte als gutes Hörbuch vorlesen lassen - mit 1960-Original-Filmmusik (nur zwischen den Kapiteln) und gelegentlichen Atmosphären-Geräuschen, hervorragend gelesen von Götz Otto (vielleicht als Bond-Bösewicht aus 'Tomorrow Never Dies' in Erinnerung).
Nachtrag:
Ein aussergewöhnlicher Text von Adam Roberts für diejenigen, die die Originalgeschichte gelesen haben und sie nun nochmals von allen Seiten beleuchten, abwägen und (psychologisch) interpretieren wollen, findet sich hier:
http://www.epilog.de/texte/roberts-adam ... itmaschine