Von Formalien mal abgesehen - Absätze, Dialogtab, ob Einstellungsgrößen oder Schnitte vorgegeben werden oder nie - behandeln Field & Co die
Inhalte der Drehbücher nicht nur stiefmütterlich, sondern geradezu verständnis-los.
Die ersten Kurzfilme zeigten komische oder tragische Situationen. Eine Tortenschlacht ist eine komische Situation. Allerdings entsteht die Komik nicht
nur aus der Situation. Eine geplante Tortenschlacht als Gaudi, sagen wir mal, bei einem Polterabend, wäre unter Umständen für Beteiligte lustig, als Aufnahme der ganzen Szene aber völlig unlustig.
Also sehen wir eine feine Dame in den eleganten Kleidern von 1929, wie sie einer Droschke entsteigt. Flatsch! Die Torte war gar nicht für sie bestimmt. Das ist schon stärker, aber auch nur einen amüsierten Gluckser wert. Aber es geht weiter. Wir sehen die Maske der wohlerzogenen Oberschicht von ihr abfallen! Nach dem Schock ergreift grimmige Entschlossenheit von ihr Besitz, und sie krempelt ihre nicht vorhandenen Ärmel hoch. Der weitere Gang der Tortenschlacht ist ein Happening, bei dem sich alle sozialen Schichten "treffen". Ein Hammer, auch heute noch.
Angora Love, deutsch
Nächtliche Ziegenwäsche.
Kern einer von Field & Co gefundenen Struktur ist die Aussetzung einer Figur (Charakter, Protagonist) in eine Situation, wobei ein Konflikt entsteht. Auf dieser Grundlage gibt es zigtausendfach kon-struierte Machwerke. Die mechanische Anwendung dieses Rezepts führt nicht zu mitreißenden Drehbüchern und darum auch nicht zu guten Filmen. Cinema: Daumen runter.
Als einer der besten Drehbuchautoren kann Paul Schrader (
Raging Bull,
Taxi Driver, Drehbuch zum Genießen
hier) gelten. Man vergleiche sein (Regie, nicht Buch)
Exorzist-Prequel
Dominion mit der letztlich in die Kinos gekommenen, an Konflikten auf Bildzeitungs-Niveau reichen Schrott-Effekt-Version von Renny Harlin ("Cliffhanger"). Die Gewissensnöte von Pater Merrin dagegen
sind der Film
Dominion. Nur dadurch, dass sie ernst genommen werden, kommt der Film in Fahrt.
Dialoge und der Rest: Von dem Minimum an handlungsrelevanten Informationen, die Dialoge beisteuern abgesehen sollten sie schön sein (Stanley Kubrick: "Vag*nal jelly"). Über die Zusammenhänge von Situation, Motivationen der Figuren und gesprochenem Wort kann man beim Betrachten und Vergleichen zweier Vietnamfilme gut meditieren:
In
Apocalypse Now (bemerkenswert, wie stark der Film hier von der Vorlage abweicht, Soundmontage
Walter Murch) beginnt alles mit The End, einer Situation, in der die Welt in Flammen steht. In der kommenden, fiebergeschüttelten Montage erwachen wir mit Martin Sheen (Off: "I wake up", nicht im Buch) in ebendiese Hölle. Wo ist hier der Konflikt? Wo die Reibung? Tja, Syd Field & Co, leider sind eure
findings ziemlicher Kokolores, wenn man sie auf gute Filme anwendet.
In
Full Metal Jacket (stark geänderte Dialoge im fertigen Film, stärkere Trennung von Bild und Dialog, die sich öfters gegenseitig zu verspotten scheinen) geht es ebenfalls gleich ans Eingemachte. Die Sprache ist der pure Terror (aber auch komisch), jede Motivation wird ad absurdum geführt. Es gibt eine
enorme Reibung, einen
enormen Konflikt, aber der findet im Zuschauer statt, es fasst ihn kein Wort und keine Zeile des Drehbuches.
Mein Tip daher: Beide Filme sehen, danach Syd Field & Co lesen.