Und: Noch blauäugiger ist die Aussage, mit SW zu drehen sei einfacher. Denn eines stimmt wohl in 2010: Wer in SW dreht, dem unterstellt man eine Absicht. Man sieht einen Stilwillen (der immer da sein sollte). Dieses Bewußtsein beim Zuschauer ist zunächst eine Barriere dafür, sich auf die Geschichte des Films (man darf bei deinen Tags eine emotional geladene Story vermuten) vorbehaltlos einzulassen. Auf der oberflächlichsten Wirkungsebene ist SW also eher geeignet für einen intellektuellen Diskurs, bei dem der Zuschauer einen Dialog mit dem Autor eingeht. Es gibt großartige Beispiele, bei denen dieser Diskurs trotzdem wieder in unterschwellige Regionen hineinreicht - "Das weisse Band" -, aber lassen wir mal die Kirche im Dorf.Axel hat geschrieben:Die von dir bezweifelten Farb"korrekturen" sind genau genommen Effekte. Um zu beurteilen, ob sie effekt-iv sind, muss man sie an der beabsichtigten Wirkung messen. Offensichtlich ist dir nicht 100%ig klar, was deine eigene Absicht ist.
Das grundsätzliche Problem bei Musikvideos ist, dass tendenziell die Dramaturgie in den Hintergrund tritt, da der Song-Aufbau sich ebenfalls nicht darum schert. Das führt zu überwiegend beliebig aneinander geschnittenen, mit Effekten verfremdeten Bildern.
Da du nun aber so unverdrossen das dritte Musikvideo in Angriff nimmst, solltest du m.E. diese Haltung schleunigst über Bord werfen. Überlege dir das genannte Konzept, extrahiere aus dem Song die Kernaussage/Emotion. Finde eine Handlung, ein Set, eine Farbe, einen Schnittrhythmus, kurz: Einen STIL.
Denn Stilisieren bedeutet nicht einfach schick Verfremden, es bedeutet das absichtliche Reduzieren der unbegrenzten Möglichkeiten auf die eine, genau passende, beste, beweiskräftigste, umhauendste, ins Herz treffende. Wenn du das Thema gefunden hast, ergibt sich daraus der Stil, und es gibt es keine Unsicherheit mehr über "Farbkorrekturen".
Ein Beispiel aus deinem letzten Musikvideo: Ich erinnere mich nur vage, aber das Bild des Sängers zwischen zwei Ziegelmauern, im roten Gegenlicht, war stark. Ich assoziiere eine Menge auch inhaltlich passender Gefühle damit. Aber es war eine Aufnahme unter vielen, die man ebenso wie die Millionen schick verfremdeten Aufnahmen aus anderen Musikvideos nur aus dem Augenwinkel zur Kenntnis nimmt. Das hätte ein Thema sein können, das das Video grafisch hätte entwickeln können. Es verbietet sich dann, Bilder einzuschneiden, die in keinem Bezug zu diesem Bild stehen. Die Grundfarbe ist Rot (Aggression, Wut, Blut, Eifersucht, aber auch: Wärme, Hitze, Geborgenheit), und alle weiteren Farben sind dann eine Antwort oder ein Kommentar dazu.
Schwarz-Weiss oder bläulich? Who cares? Du. Du musst dich kümmern, dass alles stimmt, oder du reihst weiter beliebiges Zeug aneinander, und kannst dir sicher sein, dass es keinen interessiert.
Wir wissen nicht, was Apollon, der Gott u.a. der Kunst, empfiehlt, aber hier gibt es was für dich. Es ist schäbig, einfach irgendein Look-Plugin (MagicBullet) anzuwenden, aber das Tutorial zeigt auch auf, worauf man schon bei der Aufnahme achten kann. Und schließlich klingt deine SW-Lösung auch so, dass du es einfach haben möchtest.jokraemer hat geschrieben: 2. hat es gewisse dramatische und ästhetische Reize, einen speziellen look sozusagen, den man mit low-budget Mitteln einfach in Farbe nicht hinbekommt.
Eher nicht. Jedenfalls keinen, der heute gedreht wurde. Bei Metropolis ist das was anderes.jokraemer hat geschrieben:Ich möchte einfach, verdammt noch mal, wissen, ob man sich heute noch einen spannenden Schwarzweissfilm ansehen würde oder eben nicht.
Mein Lieber, wir sind uns so nahe, wir werden uns sicher noch in der Hölle einen Kessel teilen, die ich mir allerdings unwillkürlich in Farbe vorstelle, trotz (Google Bilder) >Benjamin Christensen (als mein Urbild der Vorstellung vom Teufel).jokraemer hat geschrieben:Denn unsere Welt ist voller Symbole, auf die wir dank unseres Residualgedächtnisses (die Fähigkeit zum ergänzen von nicht explizit vorhandenen Dingen, Eigenschaften oder Zusammenhängen) emotional mindestens genauso stark reagieren wie auf die realen Dinge. Insofern funktioniert Film überhaupt und Sprache und Musik etc.etc.
Ohne Zweifel, aber es ist eine Reduktion, und sie beschneidet Möglichkeiten, die Wirkung von Farben auf unser Gemüt zu manipulieren, mehr sage ich nicht. Werden die Farben aber mit Stilwillen manipuliert, wofür es heute Techniken gibt, von denen die genannten Regisseure nicht zu träumen gewagt hätten, ist deine Behauptung falsch "weil Farbe (...) keinen besonderen Stil erzeugt".jokraemer hat geschrieben:Das Fehlen von Farbe ist nur eine weitere Reduktion und kann eben, wie besagte Regisseure wußten, der Konzentration auf das wesentliche sehr förderlich sein.
jokraemer hat geschrieben:Auch interessant, dass im Zusammenhang mit Hartz IV unvermeidlich das chliché vom trinkenden vergammelten Stützenempfänger bemüht wird mit den unvermeidlichen Ingredienzien seines traurigen Daseins: alles grau in grau.
Ich glaube ja. Ich schon. Ich würde aber, wie oben beschrieben, heute unwillkürlich erstmal abchecken, ob das Schwarz-Weiß mir auf Teufel komm raus (da ist er wieder) eine auktorielle Präsenz vorsetzen will, damit man auch ja glaubt, dass der Film einen Stil hat, den man ohne solche Mätzchen vielleicht übersehen könnte. SW schafft zumindest anfangs eine gewisse Distanz. Die kann natürlich auch gewünscht sein ...jokraemer hat geschrieben:Ich möchte einfach, verdammt noch mal, wissen, ob man sich heute noch einen spannenden Schwarzweissfilm ansehen würde oder eben nicht.
http://de.wikipedia.org/wiki/Das_wei%C3 ... geschichtePianist hat geschrieben:Eher nicht. Jedenfalls keinen, der heute gedreht wurde. Bei Metropolis ist das was anderes.jokraemer hat geschrieben:Ich möchte einfach, verdammt noch mal, wissen, ob man sich heute noch einen spannenden Schwarzweissfilm ansehen würde oder eben nicht.
Wiel Ich den Satz eh zitieren wollet...Pianist hat geschrieben:Eher nicht. Jedenfalls keinen, der heute gedreht wurde. Bei Metropolis ist das was anderes.jokraemer hat geschrieben:Ich möchte einfach, verdammt noch mal, wissen, ob man sich heute noch einen spannenden Schwarzweissfilm ansehen würde oder eben nicht.
Hättest nur "Zitieren" klicken müssen, da hätt's gestanden: Citizen Kane. Ein anderes Bild hierB.DeKid hat geschrieben:(@ AXEL bzgl Licht - was das für nen Film das dritte Bild von Dir was Du oben gepostet hast?)
B.DeKid hat geschrieben:Weshalb Ich LaChapelle ins Spiel brachte war eher der Grund weil mich seine Bemühungen und Set´s so faszinieren.
Leonardo, o je, ich dachte echt, es sei unser altes Mädchen, die gute Sharon Stone. Naja, sagen wir es könnte ein gemeinsames Kind der beiden sein (gezeugt vielleicht am Set von Schneller als der Tod), das noch nicht recht weiß, ob's mal Schwein oder Fisch wird. In den USA wäre das Bild außerhalb abseitiger Kunstausstellungen nicht erlaubt, da man eine brennende Zigarette sieht, eine unfassbare Provokation! Der arme Clan der Sizilianer! Wie auch immer, der Film, den du suchst, ist The Wild One, mit Marlon Brando, der als Mega-Macho auch eine gewisse feminine Seite nie versteckte:B.DeKid hat geschrieben:Und das Bild von Leonardo das erinnert mich an einen S/W Film über eine Motorrad Gang , leider fällt mir der Name nicht mehr ein Ich dachte es waere was mit Haien gewesen aber Google hat mir da nix zu gebracht;-/