handiro hat geschrieben: ↑Di 17 Mär, 2020 22:15
Einsame, auf der Strasse lebende mit denen niemand redet, brauchen etwas anderes, z.B. Sozialisation, Gespräche, Schutz, Zuneigung...
Ja, das ist doch klar, dass durch ein menschliches, gutes soziales Gefüge viele Probleme schon im Keim erstickt würden.
Ich bekommen jetzt thematisch und sachlich nicht die Brücke zu Deinem von mir so empfundenen Seitenhieb gegen Akutpsychiatrie hin. Das ist OffTopic und auch nicht nett, weil solche Kommentare zu 100% von Leuten kommen, die wenig bis keine Ahnung haben und die ganz präzise wissen, was so alles falsch läuft bei uns.
Fremd- und Selbstgefährdete psychiatrische Patienten, die nicht mehr steuerungsfähig sind haben doch erstmal nichts mit polyvalent abhängigen Patienten und dieser (ziemlich guten) Substitutionspraxis zu tun, die es im verlinkten Clip zu sehen gab. Ich tippe, Du hast vielleicht Erfahrung in Psychiatrie. Aber offenbar recht wenig.
Und nochmal OffTopic, aber mir ist es irgendwie zur Verteidigung und Öffentlichkeitsarbeit wichtig: Akutmedikamente gibt es ja unterschiedliche. Das muss ja nicht Haldol sein. Das machen wir eigentlich auch relativ selten. Wir starten bei akuten Krisen oft erst mit einem Neuroleptikum, welches für die dauerhafte Gabe gedacht ist (zB Risperidon, Amisulprid o.ä.) und einem Akutpräparat, wie Lorazepam. Haldol geben wir in hohen Dosen nur dann, wenn ein Patient massiv belastet ist durch halluzinatorisches Erleben. Dann sind die betroffenen Personen erstmal viel am Schlafen, aber eher, weil sie endlich mal nach Wochen oder Monaten Ruhe haben. Wenn die Betroffenen entlasteter wirken, reduzieren wir schrittweise die Akutmedikation. Wenn es um Erkrankungen aus dem schizophrenen Formenkreis geht, sollte man mit der Akutmedikation gleich mit einem geeigneten (verträglichen) Neuroleptikum beginnen, weil es eh dauert, bis sich ein Spiegel aufgebaut hat und eine konkrete Besserung eintritt.
Es gibt kaum noch Fälle, bei denen nichts anderes ausser Haldol richtig gut greift.
Dieses „die kennen ja nur Dickbrettbohren und sedieren erstmal alle und ignorieren alle Nebenwirkungen“ wird so nicht bei uns und allen Einrichtungen, die ich kenne, praktiziert. Im Vordergrund steht neben der medikamentösen Behandlung bei uns Beziehungsarbeit, Angehörigenschulung und logischerweise auch Perspektivplanung. Egal ob Endogen oder Exogen.
Ziel der Psychiatrie ist, den Menschen die Möglichkeit zurückzugeben, weitestgehend unbeeinträchtigt von Krankheit sich möglichst frei zu entfalten. Wenn der Mensch entscheidet, sich weiterhin eher krankheitsbegünstigend zu verhalten, ist das dann leider so. Da können wir nur Hilfen anbieten.
Bei schweren Fällen mit residuären, beeinträchtigen Verbleib von Symptomen sieht es ja nochmal anders aus.
Obdachlose versuchen wir entsprechend nach Behandlung und aufpäppeln auch an Hilfsstellen bzw Einrichtungen zu vermitteln und eine geregelte Substitution, sofern nötig, zu installieren.
Aber aktuell versuchen wir neben dieser Arbeit natürlich frei von Covid-19-Fällen zu bleiben und Neuaufnahmen entsprechend gut zu screenen.