cantsin hat geschrieben: ↑Do 26 Dez, 2019 12:46
Adrian musste aber von John Whitney bzw. den Whitney-Brüdern gewusst haben, denn die zählten auch zum Avantgardefilm-Kanon. (Und stehen auch in der von den Wienern Hans Scheugl und Ernst Schmidt jr. 1974 bei Suhrkamp veröffentlichten, zweibändigen "Subgeschichte des Films", dem ersten und AFAIK bisher einzigen Lexikon des Avantgarde-/Underground- und Experimentalfilms.)
ja -- diese annahme halte ich für ausgesprochen plausibel, weil der marc adrian nicht nur ein ausgesprochen reflektierter beobachter und kenner der umgebenden gegenwartskunst war, sondern auch über die grenzen hinaus ungewöhnlich gut vernetzt war und viel herumgekommen ist.
ich selbst hab das ganz hautnah erfahren dürfen, als ich gegen ende der 80er in einer ziemlich verrückten filmwerkstatt eine zeit lang gewissermaßen als lehrling eines großen meisters mit dabei war, und noch dem streit mit der großen vatergestalt noch eine weile lang den laden mit gleichgesinnten viel zu jungen und unerfahrenen kollegen zu retten versucht habe. damals haben wir uns sehr bemüht, kontakte zu anderen filmemachern im land zu küpfen. eine der ganz wenigen, die dazu tatsächlich dazu bereit war und uns in liebenswertester weise entgegen gekommen ist, war die
moucle blackout, die frau vom marc adrian. die hat uns völlig unbedeutende träumer gleich an hand genommen und in die werkstätten der austrian filmmakers coop mitgeschleppt, wo gerade der peter tscherkassky an der optischen bank an einer seiner arbeiten herumgebastelt hat. mir ist vor lauter staunen nur mehr der mund offen gestanden! ihre filme sind zwar lange im schatten ihres mannes gestanden und im bekanntermaßen weitestgehend männlich dominierten österr. avantgardefilm nicht immer gleich in adäquater weise gewürdigt worden, obwohl man später dann natürlich durchaus erkannt hat, wie wichtig sie und die linda christanell mit ihren frühen feministischen beiträgen in diesem größeren geschehen tatsächlich waren. jedenfalls habe ich auch bei ihr immer den eindruck gehabt, dass dieses herumkommen und wissen um avantgardistischen filmströmungen in anderen teilen der welt eine enorm wichtige rolle gespielt hat -- vielleicht sogar bedeutsamer war, als all die querbezüge zu anderen experimentellen strömungen im heimischen umfeld. und beim marc adrian, der ein noch ausgeprägtere einzelerscheinung bzw. ein ganz ungewöhnlich origineller und herausragender künstlerischer individualist war, dürfte dieser aspekt noch bedeutsamer gewesen sein.
wer jetzt glaubt, dass derartige herausragende könner über so kleinliche fragen der datierung und des geistigen ursprungs ihrer ideen und dahinter verborgenen anregungen ohnehin erhaben sein sollten, den kann ich leider nur eines besseren belehren:
in den jahren nach der filmwerkstatt bin ich langsam immer mehr in richtung medien-, computer und netzwerkunst getrieben, was vor allem damit zu tun hat, dass das medium video damals in seiner visuellen bzw. sinnlichen qualität noch derart unbefriedigend war, dass es für mich, der ich ja ursprünglich an hand der fotografie meine augen zu nutzen gelernt hatte, fast unerträglich war, aber auch jede kompromisslos künstlerisch ausgerichtete arbeit mit analogem film drohte immer gleich in einer fast unfinanzierbaren materialschalacht auszuarten. so bin ich dann irgendwann dem
robert adrian x begegenet, der in seiner bedeutung für die heimische medienkunst kaum weniger bedeutsam als sein namensgefährte sein dürfte, und hab, wie die ganze größere gruppe rundum, in ihm so etwas wie ein leuchtendes zentralgestirn und einen äußerst liebenswerten mentor gefunden. ohne ihn und das ORF kunstradio, das von seiner frau initiiert und geleitet wurde, hätte es diese ganze größere diesbezügliche künstlerische bewegung hier in österreich vermutlich gar nicht erst entstehen können. jedenfalls hat dieser, sonst so gutmütige und entgegenkommende, robert adrian x mit dem marc adrian tatsächlich irgendwann vor dem wiener handelsgericht einen rechtsstreit ausgefochten, um zu klären, wer von beiden den entsprechenden künstlernamen als erster gewählt hat bzw. für sich beanspruchen darf? eine absurdität, wie sie wirklich nur zwei derat ungewöhnliche genies inszenieren können, weil eben vermutlich immer auch ein nicht zu unterschätzendes maß an dickköpfigkeit dazugehören dürfte, wenn man sich im künstlerischen schaffen derart weit an die vordersten grenzen zu wagen gewohnt ist. naja, die damit befassten richter haben es sich ziemlich einfach gemacht, und nur das datum der eintragung der künstlernamen in den reisepäßen als entscheidungskriterium herangezogen, statt sich die mühe zu machen, ein kunstvoller ausgeschmücktes salomonisches urteil zu ersinnen. trotzdem hat diese absurde geschichte dazu geführt, das die beiden sturen dickköpfe ihr ganzes restliches leben lang nicht sonderlich gut aufeinander zu sprechen waren, während ich persönlich im stillen natürlich weiterhin beide bewundert und als unerreichbare vorbilder geschätzt hab.
was die filme vom marc adrian betrifft, hab ich meine einschätzung vor einigen jahren allerdings völlig neu überdenken müssen. bis dahin hab ich ja sehr vieles davon auch nur aus ganz raren punktuellen aufführungen und erwähnungen in der literatur gekannt. irgendwann hat uns aber ein hiesiger museumskurator damit überrascht, mit einem ganzen pack voller DVDs aufzutauchen, die einmal im zuge einer adrian-personale, die wohl der peter weibel irgendwann angeregt haben dürfte, im archiv hier in der entlegenen provinz gelandet sind. material, das normalerweise natürlich kaum jemand zu gesicht bekommt. so sind wir dann einen ganzen nachmittag in einer kleinen runde gebannt vor den bildschirm gesessen und konnten damit endlich das größere ganze bzw. die kontinuierliche entstehungsgeschichte hinter diesen filmen ein wenig intensiver studieren und genießen. all die bekannten oberflächlichen beschreibungen aus der literatur relativieren sich schnell, wenn man die arbeiten in einem solchen erweiterten kontext erleben darf. die rolle der computer bzw. die originalität ihrer nutzung tritt dabei schnell in den hintergrund. sie wird plötzlich fast genauso nebensächlich und unbedeutend wie die häufige nutzung von texturiertem glas, wie man es von den durchscheinenden bildern an zimmertüren her kennt. diese hilfsmittel wirken fast wie eine störende profane beigabe, wie sie halt einfach notwendig ist, um konzeptuelle auseinandersetzungen rund um das
sehen überhaupt erst praktisch realisieren und durchspielen zu können. mich persönlich hat an diesem nachmittag vor allem sein umgang bzw. seine auseinandersersetzung in hinblick auf die farbe in jenen ganz strengen arbeiten, die ein bisserl an animierte varaianten der bilder von piet mondrian erinnern, ganz besonders berührt. es sind wirklich werke, die sich von allem anderen, was sich aus der heimischen filmavantgarde kenne, deutlich unterscheiden -- noch viel nüchterner und intellektuell geladen als das meiste seiner zeitgenossen. die parallelen zu benachbarten auseinadersetzungen in der literatur der wiener gruppe od. strömungen in der musik sind zwar tatsächlich unübersehbar bzw. unbestreitbar vorhanden, aber deren übertragung ins medium film erscheint mir bei marc adrian weiterhin ungewöhnlich originell und einzigartig.