srone hat geschrieben:... wo liegt den nun, der essientielle vorteil, wegen mir in dürren worten, was ist so viel besser, intuitiver, abseits esoterisch gefühlter performance?
Das zu erklären, erfordert ein wenig Geduld deinerseits. Stelle dir ernsthaft vor, du könntest in deinem dir vertrauten Schnittprogramm zunächst nur Spur 1 benutzen. Ein Modell dafür ist der Filmstreifen. Du kannst lediglich neue Clipauswahlen (i+o, wie gehabt) ans Ende anhängen (Shortcut "e") oder zwischendrin einfügen ("w"). Lücken kannst du keine lassen¹. Wenn du einen Clip löschst, rippelt alles, was rechts davon war, nach links. Wenn du einen Clip packst und rausnimmst, ist es dasselbe. Wenn du ihn woanders wieder loslässt, schiebt er sich zwischen die nächstgelegenen Clips, ohne etwas zu überschreiben. Überschreiben geht gar nicht². Das ist es, was ungeduldige Umsteiger raderkastendoll macht und zu Schwachsinnsurteilen wie "Kernschrott" verleitet.
Diese in FCP X so genannte primäre Handlung kann allerdings sehr nützlich sein, um einen ersten Entwurf, ein Handlungsskelett, mit nur "e" hinzurotzen. Trimmen, Clips löschen, ersetzen, tauschen, alles mit Rippelzwang, der vor allem die Geschlossenheit der Timeline garantiert. Ist dieser Gedanke nachvollzogen und akzeptiert, ist die erste und dann meist einzige Hürde für Altcutter überwunden (wie Jott erwähnte finden Neucutter das Prinzip nie irritierend).
Dann kommt, wofür du in deinem Schnittprogramm weitere Spuren brauchst: Inserts, Alternativen, Clips für Compositings (oder Titel). Oder was weiß ich. Frage dich selbst: welchen Zweck haben höhere Spuren? Ist es nicht oft so, dass du sie anlegen
musst, um Clips überhaupt noch frei genug verschieben zu können, ohne versehentlich anderes Material zu überschreiben oder die Geschlossenheit des Ganzen zu gefährden? Überlege, und lass das mal sickern.
In FCP X kommt nun der dritte wichtige Shortcut ins Spiel, "q", verbinden. Wenn du nach einer Clipauswahl "q" drückst, wird der Clip an der Stelle des "Playheads" (oder Skimmers) durch einen Rüssel mit dem Clip in der primären Handlung verbunden und verdeckt ihn,
als wäre er auf einer zweiten Spur. Wählst du einen dritten Clip und drückst wieder "q", entsteht ein zweiter Rüssel, und für den Fall, dass die Clips sich überlappen würden, ist es so,
als wäre er auf einer dritten Spur (vierten, fünften, ad infinitum) Es sind aber keine Spuren, denn die Verbindung (und die Hierarchie) bezieht sich nur auf den
einen Handlungsclip.
Die verbundenen Clips lassen sich völlig frei willkürlich verschieben, trimmen, löschen, und es kann nie zu Kollisionen oder versehentlichen Löschungen kommen. Keine Gefahr, aus der Synchronität zu rutschen.
Timelines in FCP X können sehr leicht genau so ehrfurchteinflößend aussehen wie diese von Walter Murch:

... aber es ist einfacher, in ihnen den Überblick zu behalten, weil gleichgültig, wie hoch und tief gestapelt wurde, die primäre, völlig geschlossene Handlung (von der im Extremfall nichts mehr zu hören oder sehen sein muss) auf Anhieb erkennbar ist. Die vertikalen Exzesse lassen sich über die Verbindungsschnorchel leicht zu ihren Mutterclips zurückverfolgen. Nachträglich etwas zu ändern ist auf diese Weise sehr viel einfacher und gefahrloser. Es gibt eine klare Struktur.
Das ist, stark vereinfacht, das ganz grundsätzlich Andere an FCP X. Du liebst es oder du hasst es.
¹ Nicht Lücken, sondern schwarze Clips als Platzhalter. Sie entstehen zum Beispiel bei Benutzung von "p" (Position, Taste beim Bewegen gedrückt halten). Durchaus ein nützliches Werkzeug, für Quereinsteiger aber nicht zu empfehlen, weil es den Magnetismus und damit den Zwang zur Geschlossenheit zeitweilig außer Kraft setzt. So wird man nie warm mit der Software.
² Geht schon, mit der versteckten Taste "d" (delete). Völlig sinnlos in FCP X, imo.
³ Die Methode der "Alternativen" zu erklären, würde hier zu weit führen.