Yaz hat geschrieben:Die in deutschen Foren chronisch geringe Hemmschwelle andere in einer Diskussion anzugreifen, herabzusetzen, negativ zu deuten etc., so auch hier im slashcam Forum, scheint mir bei den Amis ganz anders zu sein. Dort ist man meist freundschaftlich und höflich miteinander, das schätze ich sehr.
Nicht umsonst, denke ich, spricht man von einer Gesprächs
kultur.
Ich denke, dass diese negative Entwicklung im deutschsprachigen Raum (darüber hinaus kann ich nicht mitreden) nicht ihre Ursache in der deutschen Kultur hat, zumal es diese ja auch inzwischen nicht mehr gibt. Bis vor nicht all zu langer Zeit pflegte man sich hierzulande auch deutlich höflicher und zuvorkommender zu unterhalten als im Moment. Ich denke, diese Entwicklung hat etwas mit mangelnder Erziehung und Bildung zu tun. Damit meine ich nicht unbedingt den Intellekt, sondern das, was man im Allgemeinen mit Herzensbildung umschreibt. Da ist ein himmelweiter Unterschied.
Ich denke weiterhin, wir werden inzwischen so geprägt, das wir in Diskussionen defizitär denken und agieren. Das wird mir in diesem Forum hier immer deutlicher. Viele Diskutanten blicken in ihren Beiträgen auf Defizite der anderen oder vermeintlicher eigene Defizite. Kritik wird immer auch auf der persönlichen Ebene verstanden und wird auch oft so gemeint. Man fühlt sich in einen Verteidigungsmodus gedrängt, wenn Kritik kommt. Oft geht man in eine (unsachliche) Gegenkritik über, die natürlich auch auf die Persönlichkeit des anderen zielt und gar nichts mit der Sache an sich zu tun hat.
Ich denke, wir sollten lernen nicht defizitär zu denken, also von unseren und anderer Fehlern und unserem und anderem Fehlvermögen her, sondern positivistisch, also, um es mal auf Deutsch auszudrücken, nicht von den Schwächen her, sondern von den Stärken. Jede Diskussion sollte eigentlich das Ziel haben, den Mitdiskutanten UND mich zu stärken. Dazu braucht es unbedingt unterschiedliche Auffassungen. Diese sind eine Bereicherung und kein Versagen des anderen. Auch wenn ich eine Aussage eines Mitdiskutanten als falsch erachte, ist sie dennoch wichtig für alle anderen Mitlesenden, die evtl. dieses falsche Bild auch verinnerlicht haben. Die Erwiederung sollte sich dann auf die Sache beziehen und dennoch höflich bleiben, denn der Mitdiskutant mag in der Sache falsch liegen bzw. anders denken, aber er bleibt ein ebenbürtiger Diskutant, den man mit Achtung zu begegnen hat. Wenn das Misverständnis im eigenen Denken für jemanden ersichtlich ist, wird er sich weiter entwickeln, umgekehrt genauso. Wenn heute einer in einer Sache daneben liegt, liegt er morgen vielleicht richtig und andere werden von ihm lernen. Diese Gesprächskultur ist uns leider in Deutschland weitgehend abhanden gekommen. Ich denke persönlich, dass dies viel mit den Diktaturen der Vergangenheit und auch der 68er-Bewegung zu tun hat, deren Streit- und Gesprächs
unkultur sich in der Folge genauso diktatorisch entwickelte, was ja nun täglich in der Politik und den Medien offenbar wird.
Aber das ist nur meine persönliche Vermutung, über die ich hier aber nicht diskutieren möchte. ;)