Jalue hat geschrieben: ↑Sa 09 Dez, 2017 15:23
Lieber Maik 44,
nichts für ungut, aber ich frage mich langsam wirklich, ob hier ein generationenspezifisches Problem vorliegt. Gefühlt werden im Forum immer öfter umfassende „Privatvorlesungen“ zu absoluten Basics eingefordert. Habt ihr tatsächlich nie gelernt, Suchmaschinen zu benutzen, bzw. Fachbücher zu lesen? Auf die Art findest du schnell heraus, was es mit Handlungskosten, allgemeinen Kosten, Überschreitungsreserve, etc. auf sich hat. Wenn
dann noch Fragen offen sind, postest du sie im Forum, so war es jedenfalls mal Usus.
Oh wait … oder geht es dir im Grunde um etwas ganz anderes? Dass die Leute hier ihre
ihre Preisstrukturen offenlegen?
Das ist aus gutem Grund Geschäftsgeheimnis und erklärt auch, warum hier Funkstille herrscht.
Früher war es ja auch mal so, daß man einen Beruf erlernte bevor man ihn ausübte. Aber es immerhin löblich, daß Foristen merken, daß sie Lernbedarf haben, das ist schonmal die halbe Miete.
@ Maik: Kleiner Exkurs in Film-BWL. Probier doch mal folgendes:
Öffne Excel und teile die Kalkulation für Eure Imagefilme in drei Bereiche:
Bereich 1 ist der, in welchem Du die Kosten der einzelnen Gewerke auflistest. Orientier Dich an den Preisen für geheuerte Kamera-, Licht- und Tonleute. Erfrage bei Postproanbietern mit Studiostruktur und Freelancern, was diese für die einzelnen Aufgaben wie Schnitt, Anmation, Musik, Sprechen etc. nehmen. Crew United und Telefon sind hier Deine Freunde, nimm auch mal das Spilefilmkalkulationsschema der FFA zur Hand um einen Überblick über die Postenkalkulation eines echten FIlms zu erhalten. Tu so, als ob Du alle anheuerst und rechne alles zusammen. Am Schluss gibt es eine Summe, die Dir vermittelt, was Du bezahlen müßtest, wenn Du alle extern beauftragst und nur Regie führst bzw. produzierst. Dazu kommen noch die Technikmiete, Büro-, Verwaltungs- und Fahrtkosten. Das ist Dein "Einkaufspreis".
Bereich 2: Überschlage dann auch mal Deine eigenen monatlichen Fixkosten. Wenn Du z.B. ein Projekt im Monat machst, welches in drei Tagen fertiggestellt ist, Du aber drei Wochen mit der Akquise verbringst, hast Du trotzdem die Fixkosten des Monats aus diesem einen Projekt zu begleichen. Fixkosten sind z.B. der zeitliche Anteil der Versicherungen, Steuerberatung, aber auch Deine Krankenkasse, Aldi, Büro- und Wohnungsmiete etc. Fixkosten sind auch Abschreibungskosten Deiner Geräte. Das ist noch nicht Dein Gewinn und muß zu der Summe aus Bereich 1 hinzugerechnet werden.
Bereich 1 + 2 = Ausgaben, um den Film fertigstellen und abliefern zu können, ohne Gewinn.
Bereich 3: Das ist der am meisten unterschätzte Bereich: Es ist der, in welchem Du Dir überlegst, was Du, Maik, Dir wert bist und verdienen willst. Setze eine Summe ein. Zum Vergleich: Im Handel sind Gewinnspannen um 30-70% üblich, bei Textil sogar 100%.
Bereich 1+2+3 addiert ergibt eine Summe, die Du dem Kunden vorstellst. Er wird schlucken, vor allem, wenn er billig gewohnt ist. Nimmt er das Angebot an, hast Du einen ganz normalen Verdienst erzielt - so wie Leute die auch in der wirklichen Welt arbeiten. Lehnt er ab und lehnen auch alle weiteren Kunden ab, solltest Du Dir jemanden heuern, der für Dich den Vertrieb übernimmt. Bei so etwas sollten dann nochmal 25-35% auf die Summe aufgeschlagen werden -> das ist der Betrag den der Vertriebler nimmt (ist viel, aber normalerweise holt der Chef die Aufträge rein und wenn der das nicht kann und trotzdem Chef sein will, braucht er den Vertriebler).
Beispiel: Imagefilmleistung mit Recherche, Drehbuch, Regie, 1 Drehtag, After Effects, Schnitt, Sprecher, Musik
Bereich 1: Einkaufspreis = 5500
Bereich 2: Fixkosten = 1500
Bereich 3: Gewinnmarge 50% von Bereich 1 + Bereich 2 = 3500
Vertriebler 30% = 3150
Gesamt = 13650 zzgl. Umsatzsteuer
Der Gewinn vor Steuern setzt sich also zusammen aus 3500 Euro und den Positionen aus dem ersten Bereich, die Du selbst übernehmen kannst (das ist ohnehin ein Billigfilm-Beispiel). Davon mußt Du aber Steuern und Rücklagen fürs Alter abführen. Was übrig bleibt, ist Dein Gewinn. Also erstmal soviel wie ein durchschnittlicher Angestellter, aber auch nur, wenn Du jeden Monat so ein Projekt reisst. Um der Altersarmut entgegenzuwirken, kannst Du eigentlich nur die Preise und die Qualität Deines Produkts anheben sowie mehr davon verkaufen.
Zum Vergleich: Ein Schüler, der zu Hause wohnt, hat ausser Handy i.d.R. keine Fixkosten. Und weil der Auftraggeber der Kumpel seines Vaters ist, benötigt er auch keinen Vertriebler. Er hat Kamera (ab Weihnachten eine C200) und Slider, den Rest borgt er sich aus der Schule. Den Film hobbymässig mit gecracktem Adobe in vier Monaten herzustellen ist für ihn auch kein Problem. Also bietet er die gleiche Leistung für 500 Euro an, lässt den Sprecher und die Musik vom stolzen Vater bezahlen und finanziert mit den Einnahmen seine Handyausgaben für ein Jahr ;-). Der Vertriebler hingegen, der sich auf so ein Wagnis wie Imagefilm einlässt, könnte in der gleichen Zeit mit Bonds und Immobilien das Mehrfache verdienen. Er ist also nicht leicht zu finden und daher teuer... weswegen der Chef einer Produktionsfirma auch in erster Linie sein eigener Vertriebler sein sollte (und dem Kunden durch Weglassen der Vertriebskosten entgegenkommen kann) -> das unterscheidet den Chef vom Angestellten, der nur sein Handwerk beherrscht, aber weder kalkulieren noch verkaufen kann.
ShakyMUC hat geschrieben: ↑Sa 09 Dez, 2017 22:38
Und - ebenfalls leider - finden sich in Foren auch immer wieder Leute die solche "Privatvorlesungen" halten, oder es zumindest versuchen.
So ists. Obiges für Maik und alle die sich anschicken billig zu drehen, zum Advent ;-)