iasi hat geschrieben:Im Vergleich zum üblichen Tatort-Einerlei mag sich dieser Tatort zwar herausheben, aber das macht ihn sicherlich noch lange nicht zum Meisterwerk, geschweige denn zu einem Kinofilm der TV-Film auf internationalem Niveau.
Die Liste der Dinge, die man durchaus beängeln kann, ist nicht eben kurz - und auch die Story ist alles andere als wirklich originell, stimmig und/oder intelligent.
Ok, heute bin ich zum Streiten aufgelegt:
Was ist ein 'TV-Film auf internationalem Niveau'?
Welche Inter-Nationen werden dabei berücksichtigt?
USA, GB, Frankreich?
Oder auch Rumänien, Aserbaidschan, Turkmenistan oder Tadschikistan?
Und wie allgemeingängig muss er sein, dass er sich 'international' nennen darf?
Versuchen wir's anders: Das Gegenteil wäre national.
Also keine Chauvinismen, keine Heimatklänge, keine Gebietsverbundenheit, Geborgenheit, Vertrautheit, Eigenwilligkeit aber vielleicht auch Enge, Borniertheit, Feindseligkeit,
Doch gab's da nicht Edgar Reitz' vielgelobte TV-Serie 'Heimat'?. Vielleicht sogar auf internationalem Niveau (Zitat Wikipedia:
Heimat fand – ebenso wie Die Zweite Heimat – auch international große Beachtung)? Wie passt das nun wieder zusammen?
Zum 2. Punkt:
"Die Liste der Dinge, die man durchaus bemängeln kann, ist nicht eben kurz".
Wie hätte man's denn bitte machen sollen?
Schimanski reloaded?
Mehr Lokalkolorit (und damit weniger international)? Ruhigerer Aufbau? - Das gab's doch alles schon!
Weniger Tote und weniger Blut? Ja, darüber kann man mit Recht streiten.
Andererseits werden die Toten mit jedem James Bond auch nicht weniger, sie werden nur weniger akribisch gezählt, und würden sie ganz fehlen, wäre der Film vielleicht 'ohne (internationale) Durchschlagskraft & Dynamik' und Bond ohne seinen 'Killerinstinkt' nur ein weiteres 'Weichei' von vielen.
Zum 3. Punkt:
"und auch die Story ist alles andere als wirklich originell, stimmig und/oder intelligent".
Was ist denn originell, stimmig und intelligent im Zusammenhang mit einem Tatort-Krimi? Und überhaupt?
Darüber gehen doch die Meinungen der Zuschauer so weit auseinander, wie hier im Forum die der Beitrags-Poster über Final Cut X (das - wir konnten es mit fassungslosem Staunen zur Kenntnis nehmen - jetzt sogar bei einer
internationalen Produktion eingesetzt wurde).
Stimmig? Für wen soll es den stimmen? Und wie?
Originell? Geht das überhaupt noch, ist nicht alles schon mal dagewesen, irgendwie?
Intelligent? Was heisst das? Unverständlich? Elitär? Akademisch? So verschachtelt, dass man den Überblick verliert? Und dann statt 'ich bin wohl zu blöd' zu sich selbst sagt: 'Der Film ist aber intelligent!'?
Was ich damit sagen will: Das alles bleiben Worthülsen - 'blown in the wind', solange man sie nicht mit konkretem Inhalt füllt.
schesch hat geschrieben:... Das ständige Spannungserzeugen durch Schuss- und anderen Waffen ist aber natürlich ein Anzeichen für sehr traditionelles einfaches Denken beim Drehbuchschreiben, dem ich nicht anhänge. Kann ja sein dass eine gewisse Gruppe von Menschen so simpel denkt. ...
Ich hatte nicht den Eindruck, dass die Spannung durch Waffen erzeugt wurde.
Die wurde eher gebündelt durch den irren Blick des Rächers und die Tatsache, dass man nicht wusste, welche Teufelei er als nächstes aushecken und umsetzen würde. Und der arme Tukur wusste es jeweils auch nicht, obwohl er gedanklich tief im Kopf des unwillkommenen Freundes aus gemeinsamer Vergangenheit steckte und sogar zu 'dessen' Profikiller-Sohn ein erstaunliches Sympathie-Verhältnis aufgebaut hatte, das ihm selbst ein Rätsel war.
Gerade lief am TV der zweite Teil 'The Dark Knight' aus Nolans Batman-Trilogie. Simple Story - Gut gegen Böse, aber der Gute ist nicht ganz gut und der Böse nicht nur böse. Den brutalen 'Trick' des Jokers, einen Bleistift verschwinden zu lassen würde ich mit Harloffs 'Zaubertrick mit roten Punkt' gleich setzen.
Womit wir beim nächsten Punkt wären:
iasi hat geschrieben:... Das rote Lichtchen ist ja nett und schön, aber eben doch auch etwas zu selbstverliebt überzogen ...
Ja.
Ja, und?
iasi hat geschrieben:... ganz so wie die Kamerafahrt beim Dialog auf der Parkbank - da denkt man leider oft: Wozu? - zumal es auffällig und dadurch ablenkend ist ...
Also sollte ein Film weder zu auffällig noch ablenkend sein.
Am besten sachlich wie die Tagesschau.
Aber halt, dann kommen doch die Stimmen, die meinen: 'es war so öde, ich musste nach 10 Minuten abstellen', 'typisch deutsch', ''zum Fremdschämen', 'sie können's einfach nicht', 'GEZ-finanziert kann das ja nicht funktionieren - diese TV-Bürokraten können uns doch jeden Mist vorsetzen!', 'ideenlos, saftlos, fade, eine Katastrophe!'.
iasi hat geschrieben:... Aber dennoch: Man bemerkt die Mühe und den Willen, mal etwas anderes zu versuchen. ...
Aha. Doch noch milde gestimmt. Aber so, wie wenn im Arbeitszeugnis steht: "Er hat sich stets bemüht, ..."
iasi hat geschrieben:Der so hoch stilisierte Böse erweist sich jedoch schon bald als eher platt und sein Motiv am Ende sehr konstruiert und wenig intelligent.
Der skrupellose Bösling war etwas eindimensional, das stimmt.
Aber es standen 90 Minuten zur Verfügung, und man musste abwägen, wieviel Kunst-Krimi und wieviel Psychothriller darin unterzubringen war. Und hat sich beschränkt auf weniger, aber
das dafür solide konstruiert und erzählt.
James Bond, Seven, das Schweigen der Lämmer, The Dark Knight, Tarantino und noch Fitzcarraldo
in einem wird hingegen schwierig.
iasi hat geschrieben:...Aber wie schon gesagt: Schon der Versuch ist sehr löblich.
Und einige gute Momente sind den Machern eben doch auch gelungen.
Klingt nicht wirklich begeistert und auch nicht gerade begeisternd.
Dann will ich mal aufs Ganze gehen und einen Kontrapunkt zum allgemeinen Gemäkel setzen:
9 von 10 Punkten für den Mumm von Autoren und Regie (und sonstigen Verantwortlichen)
das so umzusetzen, und für das überzeugende Reinknien der Akteure in ihre Rollen, für den sorgfältigen Story- und Szenenaufbau, für die Kadragen des Kameramanns und für die mutige, scheinbar 'antiquierte' Musikauswahl und deren Live-Einspielung.
Einen Punkt Abzug gibt's für die vielen Toten und die Unmengen Theaterblut.
Vielleicht ist das Problem in DE weniger, dass man's einfach nicht (mehr) kann, sondern das alles bis in die Atome zerredet wird und nur selten jemand (hoffentlich ein Könner) den Mut und die Stirn hat zu sagen: '
So schwebt uns das vor und
so machen wir's jetzt - Punkt!'.
Nachträgliche Änderung:
"... für die Kadragen des Kameramanns ..."
ergänzt zu
"... für die Kadragen des Kameramanns inkl. Bokeh und Kino-Look ..."