So, mein kleines erstes Video (40 Min. Rohmaterial) mit dem Objektiv ist abgedreht. Das Event, eine Ausstellungseröffnung + Präsentation von Künstlerzeitschriften, stellte sich als perfekt für die Optik heraus, weil es in einem schlauchartigem Raum stattfand, mit den Exponaten an der Längswand.
Beobachtungen/vorläufiges Fazit:
- Das Objektiv ist wie für die S1H gemacht, nicht nur wegen der schon genannten Kombination von Stauchfaktor 1.6x des Objektivs + 6K-Open Gate 3:2-Aufzeichnung der Kamera, die 2.4:1 Scope produziert, sondern auch im Handling. Das massive, schwere Objektiv und der massive Body der S1H harmonieren richtig gut (Foto folgt noch).
- Das Handling von Fokus- und (stufenlosem und gut gedämpften) Blendenring ist ebenfalls sehr gut und komfortabel, auch dank des (82cm) dicken Objektivtubus. Der Fokusring läuft lockerer, was aber nicht stört, sondern sinnvoll ist, um den Fokus besser ziehen zu können.
- Die Nahgrenze (80cm) ist für einen Anamorphoten sehr gut, trotzdem hatte ich während des Drehens ständig ein subjektives Gefühl von Distanz. Da sich das Objektiv qua Blickwinkel wie ein 31mm-Kleinbildobjektiv verhält, gehen keine wirklichen Closeups und fühlt man sich eingeschränkt in den Einstellungsgrößen bzw. der Möglichkeit eines dynamischen Schnitts mit (Halb-)Totalen und dazwischengeschnittenen Detailaufnahmen. Einziger Workaround ist, im Schnitt nachträglich ins Material 'reinzucroppen. Wenn man z.B. das Projekt als 2K DCI 2.39 mastert (=2048x854 Pixel) und das importierte Material auf einen Zoom von 160% (horizontal) + 100% (vertikal) einstellt, entspricht ein zusätzlicher 200%-Crop einem Zoom von 320% + 200% und geht daher schon leicht über die horizontale 6K-Auflösung hinaus. (Ausserdem verstärkt sich so das Bildrauschen.) Ideal wäre wahrscheinlich die Kombination mit einem zweiten, 135mm-1.6x-Anamorphoten (dessen Blickwinkel dann einem sphärischen 85mm-KB-Objektiv enstpräche).
- Alternativ wäre die Frage, ob sich das Objektiv sinnvoll mit Dioptern (d.h. Nahlinsen/-filtern) betreiben lässt. Dann ist man AFAIK aber wieder zwingend bei Einschraubfiltern. (Von Hoya gibt's da ein 82mm-Set mit +1/+2/+4 Dioptrien-Filtern für 180 EUR...) Ideal wäre, wenn das Objektiv einen Leica M-Mount statt der Mirrorless-Mounts hätte. Nicht nur könnte man es dann an alle Mirrorless-Systeme adaptieren, sondern auch mit einem Close Focus-Helicoid-Adapter betreiben.
- Positiv ist, dass die Auflösung des Objektivs richtig gut ist, auch bei Offenblende und 1:1 Pixelansicht. Das Objektiv performt im Wesentlichen wie eine moderne manuelle Festbrennweite (wie z.B. von Samyang oder wie die von mir sehr geschätzten Leica M-Full Frame-Objektive von TTArtisan und 7Artisans), nur anamorph. Es ist daher aber definitiv nichts für Leute, die einen psychedelischen Vintage-Anamorph-Look à la Lucio Fulcis "City of the Living Dead" ("Ein Zombie hing am Glockenseil") wollen....
- Flares kriegte ich nur einmal, bei einer harten Straßenbeleuchtung (s.u.), und dann noch für ein anamorphisches Objektiv IMHO relativ gemäßigt. In normalen Lichtsituationen fängt man sich keine Flares ein.
- Sichtbare optische Verzerrungen kriegt man natürlich (s.u.) und gehören IMHO zu einem anamorphischen Objektiv.
Und hier (wegen des Foren-Uploadlimites) die ersten zehn 2K-Screengrabs direkt aus Resolve. Das Material wurde nur im "Color Space Transform" (inkl. Tone Mapping und Forward OOTF) von V-Log + V-Gamut nach Rec709 gebracht, und ausserdem eine leichte WB- und minimale Gammakorrektur gemacht:
1.025_1.25.1.jpg
1.09_1.9.1.jpg
Für diese weiten Blickwinkel ist das Objektiv perfekt.
1.018_1.18.1.jpg
1.073_1.73.2.jpg
1.084_1.84.1.jpg
Beispiele für die Verbindung des Blickwinkels eines 31mm-Objektivs mit der Telekompression eines 50mm-Objektivs bei dieser Optik. Der Hintergrund erscheint nähergerückt bzw. weniger verkleinert, wie Frank [Glencairn] das hier im Forum vor kurzem erklärt hatte. Um den Unterschied allerdings praktisch beurteilen zu können, müsste ich das Objektiv noch direkt (bzw. bei identischem Motiv) gegen ein auf 31mm eingestelltes Zoom (+ auf 2.4x gecropptes Videobild) antreten lassen.
1.095_1.95.1.jpg
1.083_1.83.1.jpg
Das Objektiv bei Offenblende T2.9 (f2.8), im unteren Bild auch in der nahesten möglichen Fokussierung (0.8m). Der Topf im Vordergrund ist unscharf; mit den meisten sphärischen Objektiven (mit 0.5/0.4m close focus) könnte man ihn in die Schärfe rücken.
1.021_1.21.1.jpg
Noch ein Beispiel für die minimale Nahdistanz des Objektivs, abgeblendet (ca. f4-5.6). Nur das untere Viertel der Buch-Doppelseite ist scharf.
1.077_1.77.1.jpg
1.080_1.80.1.jpg
Die obligatorischen Flares...
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