Hamstern in Elsass
Nicht nur Klopapier lässt sich hamstern. Es gibt Zeitgenossen wie ich, die Elsässer Wein geradezu auf Halde bunkern. Und das seit Jahren, ohne viralem Druck und ohne Angst, der gute Tropfen könnte eines Tages ausgehen.
Es ist vielmehr das Bedürfnis, Erinnerungen, die mit einem bestimmten Wein verbunden werden, zu sammeln. Weinsammler sammeln oftmals Erinnerungen, sie können bestimmte Momente nicht loslassen. Und der elsässer Wein wartet geduldig im Keller, bis ich beschließe, es wäre an der Zeit, Tartes Flambées zu genießen.
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Ich verbinde Straßburg mit Monsieur M., ein Patissier und Großmeister der Zubereitung köstlicher Desserts und einmaliger Tartes Flambées. Es ist Monsieur M. der mir diesen Wein "angedient" hat. Ein großartiger Wein, aber nur halb so viel wert, ohne Erinnerung an den Geruch frisch zubereiteter Tartes.
Und das alles in einem großbürgerlich-liebevoll gestalteten Innenhof mitten in Straßburg.
Und es ist nicht nur der Wein und die Patissier-Kunst eines Hochbegabten, Monsieur M. war ein profunder Picasso-Kenner und gut bekannt mit Dora Maar.
Ich habe ihn immer vierteljährlich in Straßburg besucht und dort ganze Nachmittage verbracht. Monsieur M. hatte die Gabe, über Picasso so zu sprechen, als hätte er mit dem Maler sein ganzes Leben verbracht. Und er konnte Picassos Farben lebendig beschreiben.
Es ist eine Kunst, Farben wörtlich zu beschreiben. Ich habe immer gedacht, es wäre unmöglich, aber Monsieur M. konnte das. In seinen Erzählungen, erhielten die Farben neues Leben, sie halfen dabei, das Leben noch kraftvoller und energetischer zu beschreiben. Er hat Farben eine neue Dimension verliehen.
Das hat mir fotografisch und filmisch sehr viel weitergeholfen. Und mich dazu gebracht, Elsässer Wein zu horten. Leider werde ich nie mehr die gleichen Geschmacksexplosionen erleben dürfen, Monsieur M. ist Ende 2018 verstorben. Keine ausschweifenden Gespräche mehr über Kunst und Farben, keine kulinarischen Exzesse mehr.
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Ich konnte Prepper nie verstehen. Das nackte Überleben ist mir persönlich einfach zu wenig. Man kann durch Zurammeln das Virus nicht aus- und Erinnerungen nicht einsperren.
Und auch wenn man elsässer Wein über Jahre hamstert, er wird nie mehr so wie im Innenhof des Monsieur M. schmecken. Weil für mich der Wein und die wunderbaren Speisen nur in einem Zusammenhang mit bestimmten Erlebnissen und Eindrücken, einen denkwürdigen Geschmack entfalten.
Und das ist vermutlich das Problem der Prepper: Man kann Momente und Erlebnisse nicht horten oder konservieren. Auch wenn Momente vergänglich sein und Erinnerungen im Laufe der Zeit verblassen mögen, deren Erlebnis zur "Laufzeit" ist prägend. Und Zeit kann man nun mal nicht anhalten. Nicht einmal die Prepper.
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