cantsin hat geschrieben: ↑Do 06 Jan, 2022 12:25
Einen etwas riskanten Gebraucht-Online-Kleinanzeigenkauf gewagt, und letztlich Glück gehabt... Mit einer Sony RX1 als gedachter Ersatz meiner Fuji X100T als immerdabei-Foto-Kamera:
Postscriptum hierzu: Hatte gestern die Gelegenheit, eine (aktuelle) Fuji X-E4 mit einem Fujinon 23mm/f2 gegen die RX1 antreten zu lassen - also eine Kamera mit ähnlichem Formfaktor und äquivalenter Brennweite, aber 9 Jahre jünger. Mich interessierte u.a., wie sich ein moderner APS-C-Sensor gegen einen älteren FF-Sensor schlägt, und welche der beiden Kameras alltagstauglicher ist.
Auch hier zeigte sich, vor allem in Low Light-Tests, dass Fuji-ISO der Hälfte von Sony-ISO entspricht; d.h., wenn man beide Kameras z.B. auf 1/30 und Blende 2.8 stellt, ist das Bild der Sony bei ISO1600 so hell - bzw. sogar noch einen Tick heller - wie die Fuji bei ISO3200.
Stellt man beide Kameras auf identische ISOs, kann man die Sony um eine Blende abblenden und hat dann auch qua DoF äquivalente Bilder. Beide Kameras rauschen bei nominell identischen ISOs auch ungefähr gleich, wenn man im Rawkonverter alle Rauschfilter und Bildverbesserungen ausschaltet. (Auch dieses Verhalten ist logisch: Da die Sony bei nominell derselben ISO wie der Fuji eigentlich die doppelte ISO/Gain/Lichtstärke hat, rauscht sie so, wie von einer FF-Kamera mit ihrer doppelten Sensoroberfläche ggü. einer APS-C-Kamera zu erwarten.)
Allerdings ist die Sony real noch ca. eine zusätzliche Blende lichtstärker als die Fuji mit dem 23mm/f2, weil ihr fest eingebautes 35mm-Objektiv deutlich weniger vignettiert. Vor allem ist es das RX1-Zeiss Sonnar 35mm/f2 über das ganze Bild hinweg um Klassen[!] schärfer/hochauflösender als das 23mm-Fujinon. In der direkten Bildmitte ist der Unterschied nicht groß, aber an den Rändern dramatisch - und zwar so, dass ich mein typisches Fensterblick-Testbild hier diesmal nicht posten kann, weil das Zeiss-Objektiv der RX1 die Innenräume meiner Nachbarn auf der anderen Straßenseite zu detailliert abbildet... (So eine Detailauflösung habe ich noch bei keinem Objektiv gesehen, und liegt sicher daran, dass Objektiv und Sensor/Kamera hier optimal aufeinander abgestimmt sind.)
Bildqualitativ liegt die RX1 eine ganze Klasse oberhalb der Fuji mit dem 23mm/f2, was ich so deutlich nicht erwartet hatte. Da merkt man doch, dass die Fuji-Objektive eher in der Mittelklasse angesiedelt sind, da auch nicht mehr ganz frisch sind und bei 26MP ihre Grenze erreichen, wenn man nicht stärker abblendet. Beim Dynamikumfang sind beide Kameras ähnlich - die RX1 hat, vor allem bei Low Light, minimal mehr Zeichnung in Schatten und Spitzlichtern, in der Summe daher vielleicht eine Blende mehr DR. Hier hilft auch, dass Fuji sehr gute DR-optimierte Fotomodi hat (DR400, das im Prinzip einer Log-Aufnahme mit nativer Sensor-ISO + Wide-Gamut-LUT entspricht, so wie DR-P, das zusätzlich noch die RGB-Kurve der JPEG-Engine dynamisch optimiert).
Den Klassenunterschied in der Foto-Bildqualität zwischen RX1 und X-E4 sieht man aber nur bei Raw-Foto-Entwicklung. Die JPEGs der Sony sind auf dem Niveau einer zehn Jahre alten Amateurkamera - matschig, übermäßig rauschgefiltert und kontrastverstärkt, und farblich flau. Die kann man IMHO direkt wegschmeißen bzw. nur als Vorschau gebrauchen. Dagegen bleiben die out-of-camera JPEGs von Fuji absolute Spitze - sie sind so gut, dass man deren Qualität oft nicht im Raw-Konverter hinkriegt (bzw. im direkten Vergleich die eigenen, händischen Konvertierungen in kleinen Details wie z.B. Farben oder Helligkeitsabstufung schlagen). Dabei lasse ich die ganzen Instagram-Filmsimulationen links liegen und verwende nur Provia/Standard.
Kein Vergleich sind natürlich auch die Videofunktionen, bei denen die Fuji mit 4K DCI in hohen Bitraten (8bit intern und 10bit über HDMI) wiederum in einer völlig anderen Liga spielt als die RX1, die videotechnisch und -qualitativ ungefähr auf dem Stand der ersten A7 oder Canon 5D Mk II ist (mit vermatschten, Moiré-/Aliasing-verseuchtem Pseudo-1080p ).
Die Fuji hat ferner Touchscreenbedienung und hohe Serienbildraten: bis zu 20p ohne Sensorcrop mit elektronischem Verschluss. Allerdings ist der mechanische Verschluss der Fuji relativ laut und klingt blechern wie der Verschluss einer preiswerten Kamera [und dürfte wohl auch kaum mehr als 100.000 Auslösungen überleben], während die RX1 einen beinahe lautlosen mechanischen Leaf-Shutter hat (den es bei Fuji nur in der X100-Serie gibt, wohl auch dort wegen des fest eingebauten Objektivs).
Beim Autofokus fand ich beide Kameras, erstaunlicherweise, gleichwertig. Single- und Tracking-Autofokus funktionieren bei beiden Kameras ähnlich gut bzw. - nach heutigen Maßstäben - mittelprächtig. Der Single-AF ist bei beiden Kameras nicht ansatzweise so präzise wie z.B. der 'Pinpoint'-AF von Panasonics Full Frame-Kameras, der Tracking-AF-C nicht ansatzweise so gut wie bei heutigen Sony- und Canon-Kameras.
Unter dem Strich ist die RX1 als (Raw-)Fotokamera bildqualitativ mindestens eine Klasse oberhalb der Fuji. Als JPEG- und Hybridkamera ist die Fuji besser - bzw. überhaupt diskutabel, während die RX1 in dieser Hinsicht indiskutabel ist. In der Bedienung nehmen sich beide Kameras IMHO nicht viel, bis auf die Tatsache, dass die Fuji einen EVF (und natürlich Wechselobjektive) hat und die RX1 nicht. Bei beiden Kameras nervt der focus-by-wire [und zwar so, dass ich manuelles Fokussieren lieber gleich ganz bleiben lasse], wobei an der Fuji natürlich vollmanuelle Objektive genutzt werden können und die Kamera dafür auch gute Fokussierhilfen bietet.
Erstaunlicherweise ist die RX1 deutlich[!] kompakter als die X-E4 mit dem 23mm-Objektiv (was man allerdings auch mit dem Nachteil eines Winz-Akkus mit kurzer Laufzeit bezahlt...).