"1501 erhielt Michelangelo von der einflussreichen Arte Della Lana, der Wollweberzunft, in Florenz den Auftrag für eine kolossale Davidstatue. Ihm stand ein riesiger Carrara-Marmorblock, genauer ein Statuarioblock, zur Verfügung, der nach aufwändiger, zweijähriger Reise seit 1468 im Domgarten lagerte. Dieser Block war über fünf Meter lang, etwa zwölf Tonnen schwer und wies aber auch kleine Löcher und Adern auf.[3] Bereits 1464 war Agostino di Duccio beauftragt worden, aus dem Block eine David-Figur zu schaffen, sowie 1476 desgleichen Antonio Rossellino; beide Bildhauer hatten die Arbeit aufgegeben und den wuchtigen Block in grob behauenem Zustand hinterlassen. Michelangelo sollte nunmehr den fast vierzig Jahre zuvor von der Domopera gefassten Plan vollenden, das Figurenprogramm der äußeren Strebepfeiler von Santa Maria del Fiore durch einen David zu ergänzen. Die auf den ersten Blick mangelhaft erscheinenden Proportionen der Figur waren der starken Untersicht des vorgesehenen Standorts in großer Höhe außen am Domchor angepasst. Unter Kunsthistorikern gibt es die These, dass die Haltung der von Michelangelo geschaffenen Statue mit dem nach oben gewinkelten linken Arm, der die Steinschleuder hält, durch die von den Vorgängern nur grob herausgearbeiteten Proportionen bedingt sei. Das für den linken Unterarm fehlende Marmorvolumen an dieser Stelle hätte die Bildhauer zur Aufgabe gezwungen, wohingegen Michelangelo die formale Lösung über die Armanwinkelung, die diesen Volumenanteil nicht benötigte, erkannt und verwirklicht habe."
Zitat aus:
https://de.wikipedia.org/wiki/David_(Michelangelo)
Das Beispiel der Statue hat mich angeregt, ein wenig nachzudenken. Auf der einen Seite steht der Künstler, auf der anderen sein Ziel und sein Material. Alles interagiert miteinander. Die Umsetzung ist im Kopf und den Fähigkeiten des Künstlers und auch durch das Material vorgegeben. Ich kann das Material verwerfen, wenn ich denke, dass es meinen Vorstellungen nicht entspricht, oder ich kann meine Vorstellungen ein Stück dem Material anpassen und versuchen, das Beste daraus zu machen. Das sind zwei unterschiedliche Ansätze mit jeweils eigener Berechtigung.
Um mal bei Michelangelo zu bleiben, hatte dieser eine Vorgabe und hat sich ihr gestellt. Er hätte auch scheitern können, wenn der nicht ganz perfekte Block, den er für seinen David zur Verfügung gestellt hätte, gebrochen wäre. Andererseits hätte Michelangelo mit Sicherheit den Block verworfen, wenn er einen, in seinen Augen besseren, zur Verfügung gehabt hätte.
Um das vielleicht mal auf unsere Kameraebene zu hieven, könnte man vielleicht sagen, das Genie macht aus minderwertigem Material manchmal noch etwas, wenn er nur das zur Verfügung hat. Ein Genie erkennt aber auch, was sein Material her gibt und wird nach dem besten Material trachten.
Je weiter wir vom Genie weg sind, bekommen wir aus allen Materialien nur Durchschnitt hin bis hinunter zum Mist. Wer einen David schaffen kann, darf sich ruhig den schönsten Marmorblock nehmen.
Und wer ihn aus dem verworfenenen Block noch besser hinbekommt, zeigt dem anderen, was der Unterschied zwischen Kunst und Genialität ist.