Ich habe nachgedacht, gerechnet und probiert.
Hier ist das Ergebnis:
1.
Beispiel Makroobjektiv mit 50 mm Brennweite:
Um Maßstab 1:1 scharfzustellen, brauche ich 50 mm Auszug, d.h. ich muss die Optik 50 mm vom Sensor entfernen (bei Entfernungs-Einstellung auf Unendlich). Ich montiere also einen Zwischenring.
Die Objektiv-Brennweite bleibt gleich, das Auflagemass (Distanz Kamerabajonett bis Sensor) ebenfalls.
Wäre der Brennpunkt = Fokus nun auf dem Sensor, könnte ich nun nicht mehr scharfstellen, denn der Abstand Objektivrücklinse bis Sensor ist bereits 50 mm plus Auflagemass, die Brennweite aber nur 50 mm.
2.
Für Zahlenfreunde (siehe Abbildung auf
http://de.wikipedia.org/wiki/Bildweite):
Damit sich ein scharfes Bild ergibt, muss die Linsengleichung erfüllt sein.
Sie verbindet Gegenstandsweite
(Richtung Objekt), Bildweite
(Richtung Sensor) und Brennweite miteinander.
Diese Zahlen müssen also in einem bestimmten Verhältnis zueinander stehen.
Sind zwei Werte bekannt, erhält man daraus den dritten.
Linsengleichung
1/f = 1/b + 1/g
in Worten:
Eins durch Brennweite = Eins durch Bildweite plus Eins durch Gegenstandsweite
f = Brennweite (focal length) = Abstand von Optik-Mittelpunkt bis Brennpunkt F (auf beide Seiten bei einer symmetrischen Sammellinse).
b = Bildweite = Abstand von Optik-Mittelpunkt bis Sensor
g = Gegenstandsweite = Abstand von Optik-Mittelpunkt bis Objekt
Die Linsengleichung nach den 3 Variablen aufgelöst:
f = b·g / (b+g)
b = f·g / (g-f)
g = f·b / (b-f)
Beispiel:
Objektiv mit Brennweite f = 50 mm (100 mm)
- der 100mm-Wert jeweils in Klammern dahinter
Berechnet wurde jeweils die Bildweite, also der Abstand optischer Mittelpunkt (optische Hauptebene) bis Sensor, falls auf eine bestimmte Distanz zum Objekt scharfgestellt wird.
Distanz zum Objekt: 10 m (Meter)
b = 0.05 m (0.1 m)
Distanz zum Objekt: 2 m
b = 0.051 m (0.11 m)
Distanz zum Objekt: 1 m
b = 0.053 m (0.11 m)
Distanz zum Objekt: 0.5 m
b = 0.056 m (0.13 m)
Distanz zum Objekt: 0.2 m
b = 0.067 m (0.2 m)
Distanz zum Objekt: 0.1 m
b = 0.1 m (kein Wert)
Die Bildweite (Der Abstand Optik - Sensor) wird also umso grösser, je näher das scharfgestellte Objekt an die Frontlinse rückt. Die Brennweite und damit der Brennpunkt (Fokus) ändert sich hingegen nicht, er ist immer gleich weit vom optischen Mittelpunkt (Hauptebene) entfernt.
3.
Schliesslich habe ich noch einen
praktischen Versuch gemacht:
Ein 50 mm Objektiv in der Hand.
Eine Sucher Mattscheibe (= Sensor) hinter das Objektiv gehalten.
Und Objekte in verschiedenen Distanzen auf die Mattscheibe scharfgestellt, indem der Abstand Mattscheibe - Objektivrückseite variiert wurde.
Und die Rechnungen oben haben sich bestätigt.
Bei fernen Objekten war die Mattscheibe nah am Objektiv (etwa der Brennweite entsprechend).
Bei nahen Objekten (10 cm) war die Mattscheibe weiter vom Objektiv entfernt (weiter als die Brennweite).
Da die Brennweite des Objektivs konstant ist, kann der Brennpunkt nicht für alle Motive (fern und nah) auf dem Sensor liegen.
Er liegt gemäss Linsengleichung nur in
einem Fall auf dem Sensor, nämlich bei unendlich weit entferntem, scharfgestelltem Objekt, weil dann alle Objekt-Strahlen parallel auf die ideale Sammellinse fallen und sich im Sensor-seitigen Brennpunkt treffen, für den in diesem Fall gilt: Brennweite = Bildweite.
Und in Realität gibt es ja noch die Abbildungs-seitige Schärfentiefe (depth of focus, Blenden-abhängig), so dass die Bildweite nicht genau der mit Linsengleichung berechneten entsprechen muss, damit wir das Bild noch scharf sehen.
Offenbar gilt im Makro-Bereich: Je kleiner die Objekt-seitige Schärfentiefe = depth of field (d.h., je grösser der Abbildungsmaßstab), desto grösser die Bild-seitige Schärfentiefe (dept of focus).