majaprinz hat geschrieben:... eine sensationelle Geschichte, die zeigt, dass Ärzte, während im Wartezimmer Menschen krepieren, im Aufenthaltsraum die geheime Deutschland-weite Strippokermeisterschaft durchführen ...
:°)
Das ist es: Keine Geschichte.
Aber den oben geschilderten Fall mal angenommen, und als Quelle hat man Schwestern, die auspacken (vielleicht beim Strippoker betrogen?), das
ist ja dann eine Geschichte. Die Aufdeckung des Skandals wäre heilige Journalistenpflicht, das Pochen auf Hausrecht oder Persönlichkeitsrechte (der betroffenen Ärzte, versteht sich, nicht der sterbenden Patienten) wiegt da wenig.
Allerdings hat pilskopf recht damit, wenn er unsere laienhafte Meinung, Volkes Stimme, als lästig und unerheblich bezeichnet.
Das Interview mit der Nestbeschmutzerin, die ihre pflichtvergessenen Vorgesetzten denunziert, wäre das Bildmaterial, das auf Videoseite diese Geschichte erzählen würde, verbal, im ON. Ob sie dabei in Zivil
vor dem Krankenhaus gezeigt würde (na klar) oder in Krankenhauskleidung, vielleicht beim Schieben eines Verstorbenen in den Lastenaufzug (pfff)?
Noch unrealistischer wäre die
in flagranti - Variante: Deine Kollegin krümmt und windet sich schweißüberströmt am Boden der Notaufnahme, die Kamera folgt der Schwester in den Behandlungsraum, wo es gerade abgeht. Ein Arzt (unten ohne) weist dich darauf hin, dass Videoaufnahmen hier nicht gestattet sind ...
Das wäre natürlich 1a-Footage. Der Schwenk über die Klinik, wartende Patienten, Ärzte beim Verarzten, Krankenwagen mit Blaulicht, Grabreihen auf dem Friedhof - das sind alles recht beliebige Schnittbilder. Seien wir ehrlich: Visuell ist hier wenig zu holen.
Meine aktuelle Lektüre:
Egon Erwin Kisch, Die schönsten Geschichten und Reportagen. Nach hundert Jahren noch beschämend für heutige Journalisten. Der Reporter urteilt nicht, er legt Vor-Urteile ab, er vor-verurteilt nicht. Er zeichnet ein detailgetreues Bild, der getreuen Darstellung der Wirklichkeit verpflichtet. Aber er verschweigt nicht, niemals, dass er mit dem Herzen beteiligt ist. Erst, wenn "der Bleistift zitterte" (mit diesen Worten beginnt Kisch ein Kriegstagebuch. Er schildert, wie er die vor Ort stenografierten Notizen daheim entziffert und in Journalistensprache überträgt. Erzählerisch ein grandioser Aufhänger, sprachlich ein Genuss) wird ein Beitrag authentisch.
Ob Sensationsjournalisten von Bild oder RTL2 der Unterschied zu ihren abgeschmackten Fakes zu vermitteln ist? Wahrscheinlich nicht.