https://www.filmstarts.de/nachrichten/1000070928.htmlHässlicher Look und öde Inszenierung
Die fett gesetzten Wörter sehe ich als echten Fortschritt. So kann man doch reden. Ich sehe es anders als du. Es ist ein völlig anderer Stil als der von Freddie Young. Der Blick wird gelenkt, genau, aber in einer insgesamt un-prägnanten bzw. anti-prägnanten Bildkomposition. Den Begriff habe ich schon öfter erwähnt. Er stammt aus Pierre Kandorfers Lehrbuch der Filmgestaltung, einer von mir geliebt-gehassten Pflichtlektüre. Er hätte Frasers Stil unprofessionell gefunden, ich finde ihn unglaublich schön - und ziemlich trippy. Außerdem vermeidet er immer die großkotzige oder großartige (je nach Geschmack) Geste des Zeigens, die in Lawrence vorherrscht (aber in 2001 auch oft, da bin ich nicht parteiisch). Ich bemerke das oft bei mir selbst, und es ärgert mich. Die Kamera in Dune macht mich neidisch.
Warum lässt man den Zuschauer nicht die großen Bilder selbst erkunden?Axel hat geschrieben: ↑Sa 16 Mär, 2024 21:28Die fett gesetzten Wörter sehe ich als echten Fortschritt. So kann man doch reden. Ich sehe es anders als du. Es ist ein völlig anderer Stil als der von Freddie Young. Der Blick wird gelenkt, genau, aber in einer insgesamt un-prägnanten bzw. anti-prägnanten Bildkomposition. Den Begriff habe ich schon öfter erwähnt. Er stammt aus Pierre Kandorfers Lehrbuch der Filmgestaltung, einer von mir geliebt-gehassten Pflichtlektüre. Er hätte Frasers Stil unprofessionell gefunden, ich finde ihn unglaublich schön - und ziemlich trippy. Außerdem vermeidet er immer die großkotzige oder großartige (je nach Geschmack) Geste des Zeigens, die in Lawrence vorherrscht (aber in 2001 auch oft, da bin ich nicht parteiisch). Ich bemerke das oft bei mir selbst, und es ärgert mich. Die Kamera in Dune macht mich neidisch.
Das ist in der Tat die Frage: warum, bzw. warum nicht? Mach da mal ein Lesezeichen hinein, ich komme gleich darauf zurück. Was ich sehe, oft und überwiegend in Lawrence und besonders in den von dir geposteten Beispielen, ist, dass sie gar nicht als Belege dafür taugen, dass die Bilder den Zuschauer einladen, "sie selbst zu erkunden". Sieh dir bitte die Stilmittel an, die in den Innenräumen benutzt wurden und sage mir ehrlich, ob die jeweiligen Hintergründe tatsächlich zum "Erkunden" einladen oder ob sie nicht (meine Position) mehr Hintergrundstaffage und atmosphärischer Kokolores sind. Um die etwas vagen Begriffe "gelenkter Blick", "Bild erkunden", "Prägnanz" usw. etwas besser fassbar zu machen, zitiere ich mich selbst aus meinem HDR-Thread:
Übrigens, falls ich das nicht schon woanders gesagt haben sollte: Lawrence ist großartig, ein Meisterwerk, und die verlinkten Szenen toll, wenn auch aus anderen Gründen als den von dir genannten.Axel hat geschrieben: ↑Do 01 Mär, 2018 09:40Das dogmatische und etwas dröge Lehrbuch der Filmgestaltung von Pierre Kandorfer, das ich auf der Filmschule lesen musste, fasste eine prominente Wirkungsabsicht von Beleuchtung und Kadrage griffig in "Prägnanz" zusammen. Der Zuschauer sollte gut erfassen können, worum es in dem Bild geht. Am wichtigsten war natürlich das Hauptmotiv. Dieses musste besonders hervorgehoben werden. Im DSLR-Zeitalter benutzen viele geringe Schärfentiefe, um ablenkende Hintergründe weichzuzeichen und das Motiv freizustellen.
Den Anstoß zu diesem Posting gab meine Beobachtung, dass sDoF in Filmen, die als HDR verfügbar sind, merkwürdig unangebracht wirkt. Genauso wie Schnitte, deren Hauptfunktion ist, ein Detail herauszugreifen. Und Kamerabewegungen/Schwenks, die auf etwas hindeuten, auf etwas zeigen. Spotähnliche Beleuchtungen/vignettierte Bilder (im Unterforum "Licht" gepostet, aber nicht darauf beschränkt) - beides wirkt gewollt, künstlich. Ich fragte mich, wieso.
Eine Antwort gab mir die erneute Lektüre eines Essays des klugen Coloristen Alexis vanHurkman über HDR. In HDR wird Licht zum wirkungsvollsten Gestaltungsmittel, die Betrachtung des Bildes ist attraktiver für den Zuschauer als dessen bloße Erfassung (>Prägnanz). Er lässt gerne den Blick über ein tendenziell eher weit kadriertes Bild wandern und nimmt dessen Inhalt, Details und Binnenspannung sukzessive in sich auf.
Tendenziell, wie gesagt, wird das, wenn HDR dereinst Standard ist, zu längeren Einstellungen und mehr Totalen führen. Man könnte nun einwenden, oh, weniger Schnitte, wie unfilmisch!, aber das ist ein SDR-Argument. Die ganzen Tricks aus Eisensteins Montageregeln behalten weiterhin Gültigkeit, und ihre Wirkung wird sogar deutlich gesteigert. Schnitte werden nicht nötig und fast erwartet sein, um das restlos erfasste Bild endlich zu verlassen, sie werden schmerzen. Ein guter Schnitt darf dann noch mehr weh tun.
Dem stimme ich völlig zu. Schärfeverlagerungen kommen mir auch immer etwas grobschlächtig vor.
Mir geht es mehr um den Inhalt von Bildern. In Dune 1+2 ist im Hintergrund gar nicht viel.Axel hat geschrieben: ↑So 17 Mär, 2024 11:36 @iasi
Deine Argumentation ist viel besser geworden, tendenziell, seit du deine Aussagen etwas mehr relativierst.Das ist in der Tat die Frage: warum, bzw. warum nicht? Mach da mal ein Lesezeichen hinein, ich komme gleich darauf zurück. Was ich sehe, oft und überwiegend in Lawrence und besonders in den von dir geposteten Beispielen, ist, dass sie gar nicht als Belege dafür taugen, dass die Bilder den Zuschauer einladen, "sie selbst zu erkunden". Sieh dir bitte die Stilmittel an, die in den Innenräumen benutzt wurden und sage mir ehrlich, ob die jeweiligen Hintergründe tatsächlich zum "Erkunden" einladen oder ob sie nicht (meine Position) mehr Hintergrundstaffage und atmosphärischer Kokolores sind. Um die etwas vagen Begriffe "gelenkter Blick", "Bild erkunden", "Prägnanz" usw. etwas besser fassbar zu machen, zitiere ich mich selbst aus meinem HDR-Thread:Axel hat geschrieben: ↑Do 01 Mär, 2018 09:40Das dogmatische und etwas dröge Lehrbuch der Filmgestaltung von Pierre Kandorfer, das ich auf der Filmschule lesen musste, fasste eine prominente Wirkungsabsicht von Beleuchtung und Kadrage griffig in "Prägnanz" zusammen. Der Zuschauer sollte gut erfassen können, worum es in dem Bild geht. Am wichtigsten war natürlich das Hauptmotiv. Dieses musste besonders hervorgehoben werden. Im DSLR-Zeitalter benutzen viele geringe Schärfentiefe, um ablenkende Hintergründe weichzuzeichen und das Motiv freizustellen.
Den Anstoß zu diesem Posting gab meine Beobachtung, dass sDoF in Filmen, die als HDR verfügbar sind, merkwürdig unangebracht wirkt. Genauso wie Schnitte, deren Hauptfunktion ist, ein Detail herauszugreifen. Und Kamerabewegungen/Schwenks, die auf etwas hindeuten, auf etwas zeigen. Spotähnliche Beleuchtungen/vignettierte Bilder (im Unterforum "Licht" gepostet, aber nicht darauf beschränkt) - beides wirkt gewollt, künstlich. Ich fragte mich, wieso.
Eine Antwort gab mir die erneute Lektüre eines Essays des klugen Coloristen Alexis vanHurkman über HDR. In HDR wird Licht zum wirkungsvollsten Gestaltungsmittel, die Betrachtung des Bildes ist attraktiver für den Zuschauer als dessen bloße Erfassung (>Prägnanz). Er lässt gerne den Blick über ein tendenziell eher weit kadriertes Bild wandern und nimmt dessen Inhalt, Details und Binnenspannung sukzessive in sich auf.
Tendenziell, wie gesagt, wird das, wenn HDR dereinst Standard ist, zu längeren Einstellungen und mehr Totalen führen. Man könnte nun einwenden, oh, weniger Schnitte, wie unfilmisch!, aber das ist ein SDR-Argument. Die ganzen Tricks aus Eisensteins Montageregeln behalten weiterhin Gültigkeit, und ihre Wirkung wird sogar deutlich gesteigert. Schnitte werden nicht nötig und fast erwartet sein, um das restlos erfasste Bild endlich zu verlassen, sie werden schmerzen. Ein guter Schnitt darf dann noch mehr weh tun.
Aber da ist eben Wüste und nicht nur abstrakte Formen. Die Weite der Wüste ist auch ein Motiv.Axel hat geschrieben: ↑So 17 Mär, 2024 11:36 Übrigens, falls ich das nicht schon woanders gesagt haben sollte: Lawrence ist großartig, ein Meisterwerk, und die verlinkten Szenen toll, wenn auch aus anderen Gründen als den von dir genannten.
Dem stimme ich völlig zu. Schärfeverlagerungen kommen mir auch immer etwas grobschlächtig vor.
Ich erinnerte mich an eine sehr emotionale Szene aus Lawrence, und eben fand ich sie auf Youtube:
Die Leere, die die Wüste nun einmal kennzeichnet, ist auch ein Motiv, wenn auch eines, das kontextualisiert werden muss, um irgendeine Wirkung zu haben. Das geschieht hier durch Ziehen aller Register (inklusive Musik, zu der ich mir weder hier noch bei Zimmer eine Meinung erlaube, weil ich zu wenig davon verstehe). Das Nicht-Gezeigte wird im Kopf des Zuschauers zum eigenen Bild, einen stärkeren Effekt kann man kaum erzielen. Und dieses Prinzip nutzen Villeneuve und Fraser in Dune. Etwas nicht Gezeigtes gleichzeitig anzudeuten, es vage und vieldeutig bleiben zu lassen und gleichzeitig das tatsächlich Gezeigte so überlebensgroß zu machen, ist ein gewaltiger Mindbender.
👏
Axel hat geschrieben: ↑So 17 Mär, 2024 14:10 In meinem HDR-Thread kam ich zu eurem Schluss, dass meine oben skizzierte These unhaltbar war. Das Zitat brachte ich bloß, um zu zeigen, was damit gemeint sein könnte, dass der Zuschauer dazu eingeladen wird, den Blick im Bild schweifen zu lassen und selbst etwas zu entdecken. Im Gegensatz zu einem gnadenlos geführten Blick (wie z.B. einer Schärfeverlagerung, einem Zeigezoom, einem Panoramaschwenk oder einem Schnitt X blickt auf etwas/wir kriegen es zu sehen).
In der Szene L.v.A. Szene in Audas Zelt wird eine große Platte vom Tisch der Gäste genommen und zu den Leuten im Hintergrund gebracht. Es sind diese Details, die eine Szene mit Leben füllen und eine Kultur beleuchten.Axel hat geschrieben: ↑So 17 Mär, 2024 14:10👏
Meine Erklärung wäre, dass es eher so funktionieren soll wie bei einer Hypnose. Der Hypnotiseur vermeidet 90% der Details, damit der Hypnotisierte diese selbst erschafft. Ich hörte gestern zwei Jugendliche über den Film sprechen, die sahen mir nicht nach Lesern aus. Sie hatten aber wohl (a) verstanden, worum es in dem Film geht und waren (b) davon gefesselt. Was will man mehr? Eine an den Haaren herbeigezogene Backstory über irgendwelche Fremen-Gebräuche?
Sprichst Du ihnen etwa die Intelligenz ab?
Nein - ich spreche dem Film ab, viel zu bieten, was es zu verstehen gibt.
Bloß weil du es nicht verstehst, heißt das nicht, dass es nichts zu verstehen gibt. Und zwar deutlich mehr als in einem durchschnittlichen SF-Film, weil es nicht nur ein spekulative Was-Wäre-Wenn-Geschichte ist, wo man einerseits aufpassen muss, dass man die Namen von Hinz und Kunz richtig zuordnet, andererseits es aber nicht so tragisch ist, wenn's zur Hand keinen passenden Fuß gibt, ist ja eh alles Weltraumgarn bzw. "nur ein Film". Sondern es sind miteinander verwobene politische, religiöse, soziale und psychologische Allegorien. Die Bücher sollen ja sehr viel innere Monologe haben, aus denen man die Handlung aus verschiedenen subjektiven Perspektiven erschließt. Auch deshalb hielten und halten ja viele den Stoff für unverfilmbar. Da der Film Jugendliche mit heutigem deutschen Allgemeinwissen (oder besonders amerikanischem!) ansprechen will, muss er sie mit einer Komplexität ködern*, von der sie noch gar nicht ahnten, dass sie sie interessieren würde.
Da gibt´s nicht viel zu verstehen.Axel hat geschrieben: ↑So 17 Mär, 2024 20:20Bloß weil du es nicht verstehst, heißt das nicht, dass es nichts zu verstehen gibt. Und zwar deutlich mehr als in einem durchschnittlichen SF-Film, weil es nicht nur ein spekulative Was-Wäre-Wenn-Geschichte ist, wo man einerseits aufpassen muss, dass man die Namen von Hinz und Kunz richtig zuordnet, andererseits es aber nicht so tragisch ist, wenn's zur Hand keinen passenden Fuß gibt, ist ja eh alles Weltraumgarn bzw. "nur ein Film". Sondern es sind miteinander verwobene politische, religiöse, soziale und psychologische Allegorien. Die Bücher sollen ja sehr viel innere Monologe haben, aus denen man die Handlung aus verschiedenen subjektiven Perspektiven erschließt. Auch deshalb hielten und halten ja viele den Stoff für unverfilmbar. Da der Film Jugendliche mit heutigem deutschen Allgemeinwissen (oder besonders amerikanischem!) ansprechen will, muss er sie mit einer Komplexität ködern*, von der sie noch gar nicht ahnten, dass sie sie interessieren würde.
*BTW, zu Ködern fällt mir Wurm ein, und zu Würmer ködern die Thumper, von denen Akustiker sagen, dass das keinen Sinn ergibt, weil Sand Schall absorbiert, da er nicht resonniert. Herbert hat dies aber gewusst und beschreibt den ebenmäßig gekörnten Sand auf Arrakis ("drum sand"), der Schwingungen nicht nur durchlassen, sondern verstärken würde. Das Sounddesign der Thumper wurde ja auch mit Hämmern auf Sand und in darin vergrabenen Unterwassermikros gemacht.
Die Jugendlichen diskutierten die logischen Widersprüche (Hightech und Mittelalter) und hatten wohl schon gegoogelt, warum es keine Computer gibt.
Es wird schnell deutlich, dass es nicht um ein klassisches Narrativ geht (alle Narrative lassen sich zusammenkürzen auf "Wir gegen die anderen"), und deswegen bringt auch der ganze Firlefanz von durchgereichten Tabletts, durch die die Szenen "Leben" bekommen, nichts.
Zumindest scheint er aber anzukommen und Interesse zu wecken. Womöglich sogar an den Büchern.
Der Film tendiert imho sehr in Richtung Expressionismus. Du erwartest offenbar aber ein eher impressionistischen Film - das kann dann natürlich für dich nicht funktionieren. Es ist genau das im Hintergrund, im Szenenbild das zu sehen was dort hingehört. Kein "Clutter", der vermeintliches Leben vorgaukelt. Funktioniert meiner Meinung nach super - so wirkt der Film noch mehr wie ein Traum, eine "Vision" und weniger wie eine Erinnerung oder gar eine Dokumentation. Wenn man natürlich mit dieser Erwartungshaltung ins Kino geht (letzteres sehen zu wollen), ist das natürlich enttäuschend.
Welche Klischees wären denn das deiner Meinung nach? Die Zivilisten der Harkommen werden ja kaum gezeigt, und das was gezeigt wird ja mit der Welt verbunden - Brutalismus / Giger-Style, IR Sonne die Farben "frisst", negatives Feuerwerk - wie erwähnt: Expressionismus statt Impressionismus. Der Film hat mich in der Hinsicht auch eher an sowas wie Metropolis erinnert.Was erfahren wir denn in den Bildern über die Harkonnen? Über Klischees geht es nicht hinaus, was Dune 2 uns zeigt.
Das ist schon eine ziemlich ignorante Beobachtung. Erstens sind es keine "Höhlen" wie bei Höhlenmenschen, sondern in Felsen gehauene Städte und entsprechender Kultur. Die sind nur von außen getarnt/geschützt. Zudem wird auch ihr Einfluss auf Arakeen (weiß nicht mehr ob das in den Büchern auch so war) impliziert, es gibt also nicht "die" Fremen, und nicht alle leben in Sietches ("Höhlen").Die Fremen? Die sitzen in großen Höhlen herum.
Ne eigentlich überhaupt nicht. Es wird eher wie ein Charakter dargestellt, quasi der Gegenspieler zu Paul. Die Fremen haben die Wüste für sich "gezähmt" oder zumindest sich arrangiert. Paul muss dies noch, und so wird die Wüste auch verwendet. Auch Gegenüber den eher grobschlächtigen, technikgläubigen Harkonnen - die aber gar nicht die Absicht haben auch zu integrieren. Da geht es um Unterwerfung, Dominanz.Die Weite der Wüste ist auch ein Motiv.
In Dune gibt es auch Aufnahmen von Naturkulissen - aber die wirken viel zu oft wie aus einem Urlaubskatalog.
In der Buchvorlage erfährt man deutlich mehr als in den Filmen. Und in Villneuves Filmen nochmal deutlich mehr als bei Lynch. Habe da auch mit den Kino-Mitgängern drüber gesprochen. Da war der Tonus aber der, dass der Film eh schon lange genug war. Es wurde gezeigt was gezeigt werden musste, um einen stimmigen und logischen Film zu erschaffen, statt einer Sammlung von Schnittbildern wie es noch bei Lynchs Ultra komprimierter Version der Fall war. Wer "mehr" will verlangt eben auch eine längere Spielzeit.Die Fremen besitzen zwar moderne Technik, aber leben wie die Höhlenmenschen. Wo sind die Einblicke in die Kultur?
Die Superheldenkloppereien und Weltraummärchen kommen auch an - das verleiht ihnen aber dennoch keine Tiefe.
Was du vergisst: die Rolle die Harkonnen spielen, die Motive des Imperators, die übrigen Häuser... War sogar bereits im ersten Teil.
Du vergisst völlig die Rolle der Bene Gesserit, die nun ggü Lynch deutlich mehr Raum bekommt. Die Signifikanz dieser Fraktion wird ziemlich deutlich, ist aber sicher nur ein Vorgeschmack. Es war sogar mal eine Serie im Gespräch, mit den Bene Gesserit im Fokus...
Wird er eben nicht. Hast du das Ende nicht gesehen?
Tut er nicht, und er mutiert über die Vision, Arrakis zu befreien, hinaus. Wie er aber auch weiß nicht im Positiven. Es geht ja auch nicht unwesentlich um das Thema Selbstbestimmung vs Schicksal. Findest du vielleicht klischeehaft und langweilig, beschäftigt aber die Leute weltweit bis heute.
Das ganze ist nach wie vor der Prolog zu der gesamten Serie - mal schauen wie viel noch verfilmt wird.
Definiere Tiefe.
Definiere „gutes“ und „böses“ Herrscherhaus. Woher kommen diese Bewertungen?
Paul ist so eine Art Ödipus. Damit meine ich nicht die Familienverstrickungen, sondern die allmähliche Entdeckung, wer er ist bzw. wird. Die Wahl von Chalamet als Darsteller erleichtert einem jungen Publikum, die vielen in der Geschichte angelegten Charakterzüge und -entwicklungen mitzufühlen. Adoleszenz, die alles hofft und vieles in Frage stellt. Die Erwartungshaltung ist die einer Heldenreise. Aber auf deren berühmten „Stationen“ geschieht nicht die erwartete Metamorphose von der Raupe zum Schmetterling, sondern Manipulation, Lüge, Selbsttäuschung. Und immer wieder die Bloßstellung dieser Faktoren. Das ist starker Tobak. All das verpackt in ein effekthascherisches Popcornmovie, einen Blockbuster, der nirgends den Zeigefinger erhebt und sagt: das ist die Moral von der Geschichte.
Ich erwarte mir den zielgerichteten Einsatz der filmsprachlichen Mittel.markusG hat geschrieben: ↑Mo 18 Mär, 2024 07:17Der Film tendiert imho sehr in Richtung Expressionismus. Du erwartest offenbar aber ein eher impressionistischen Film - das kann dann natürlich für dich nicht funktionieren. Es ist genau das im Hintergrund, im Szenenbild das zu sehen was dort hingehört. Kein "Clutter", der vermeintliches Leben vorgaukelt. Funktioniert meiner Meinung nach super - so wirkt der Film noch mehr wie ein Traum, eine "Vision" und weniger wie eine Erinnerung oder gar eine Dokumentation. Wenn man natürlich mit dieser Erwartungshaltung ins Kino geht (letzteres sehen zu wollen), ist das natürlich enttäuschend.
Da ist doch kein Giger-Style. Da sind nur Formen.markusG hat geschrieben: ↑Mo 18 Mär, 2024 07:17Welche Klischees wären denn das deiner Meinung nach? Die Zivilisten der Harkommen werden ja kaum gezeigt, und das was gezeigt wird ja mit der Welt verbunden - Brutalismus / Giger-Style, IR Sonne die Farben "frisst", negatives Feuerwerk - wie erwähnt: Expressionismus statt Impressionismus. Der Film hat mich in der Hinsicht auch eher an sowas wie Metropolis erinnert.Was erfahren wir denn in den Bildern über die Harkonnen? Über Klischees geht es nicht hinaus, was Dune 2 uns zeigt.
Welche Kultur bekommt man denn zu sehen?markusG hat geschrieben: ↑Mo 18 Mär, 2024 07:17Das ist schon eine ziemlich ignorante Beobachtung. Erstens sind es keine "Höhlen" wie bei Höhlenmenschen, sondern in Felsen gehauene Städte und entsprechender Kultur. Die sind nur von außen getarnt/geschützt. Zudem wird auch ihr Einfluss auf Arakeen (weiß nicht mehr ob das in den Büchern auch so war) impliziert, es gibt also nicht "die" Fremen, und nicht alle leben in Sietches ("Höhlen").Die Fremen? Die sitzen in großen Höhlen herum.
Die Wüste ist immer nur schöne Kulisse.markusG hat geschrieben: ↑Mo 18 Mär, 2024 07:17Ne eigentlich überhaupt nicht. Es wird eher wie ein Charakter dargestellt, quasi der Gegenspieler zu Paul. Die Fremen haben die Wüste für sich "gezähmt" oder zumindest sich arrangiert. Paul muss dies noch, und so wird die Wüste auch verwendet. Auch Gegenüber den eher grobschlächtigen, technikgläubigen Harkonnen - die aber gar nicht die Absicht haben auch zu integrieren. Da geht es um Unterwerfung, Dominanz.Die Weite der Wüste ist auch ein Motiv.
In Dune gibt es auch Aufnahmen von Naturkulissen - aber die wirken viel zu oft wie aus einem Urlaubskatalog.
Du magst vielleicht das Motiv dahinter für klischeehaft halten. Aber so "geht" nunmal die Geschichte von Dune, war bei Lynch genauso.
Oh - der Verweis auf die Bücher zeigt nur, dass Villneuve nicht in der Lage war, eine entsprechende filmische Umsetzung zu finden. Dass man mit Filmsprache in kurzer Zeit sehr viel erzählen kann, zeigt die "Ehe" in Citizen Kane.markusG hat geschrieben: ↑Mo 18 Mär, 2024 07:17In der Buchvorlage erfährt man deutlich mehr als in den Filmen. Und in Villneuves Filmen nochmal deutlich mehr als bei Lynch. Habe da auch mit den Kino-Mitgängern drüber gesprochen. Da war der Tonus aber der, dass der Film eh schon lange genug war. Es wurde gezeigt was gezeigt werden musste, um einen stimmigen und logischen Film zu erschaffen, statt einer Sammlung von Schnittbildern wie es noch bei Lynchs Ultra komprimierter Version der Fall war. Wer "mehr" will verlangt eben auch eine längere Spielzeit.Die Fremen besitzen zwar moderne Technik, aber leben wie die Höhlenmenschen. Wo sind die Einblicke in die Kultur?
Erzählen kann man immer mehr, das bietet die Vorlage. Aber so (inhaltlich) reduziert wie du es darstellst war der Film überhaupt nicht - vielleicht hast du ja zwischendurch genickert^^
Der Prinz wird erwachsen und zum König.Axel hat geschrieben: ↑Mo 18 Mär, 2024 08:11Definiere Tiefe.
Definiere „gutes“ und „böses“ Herrscherhaus. Woher kommen diese Bewertungen?
Paul ist so eine Art Ödipus. Damit meine ich nicht die Familienverstrickungen, sondern die allmähliche Entdeckung, wer er ist bzw. wird. Die Wahl von Chalamet als Darsteller erleichtert einem jungen Publikum, die vielen in der Geschichte angelegten Charakterzüge und -entwicklungen mitzufühlen. Adoleszenz, die alles hofft und vieles in Frage stellt. Die Erwartungshaltung ist die einer Heldenreise. Aber auf deren berühmten „Stationen“ geschieht nicht die erwartete Metamorphose von der Raupe zum Schmetterling, sondern Manipulation, Lüge, Selbsttäuschung. Und immer wieder die Bloßstellung dieser Faktoren. Das ist starker Tobak. All das verpackt in ein effekthascherisches Popcornmovie, einen Blockbuster, der nirgends den Zeigefinger erhebt und sagt: das ist die Moral von der Geschichte.
Das ist in der Geschichte des Kinos schon immer so gewesen. Zumindest fast immer. Dazu gilt auch, wer zum Bösen stilisiert wird.
Die Motive des Bösen sind jedoch schon immer sehr unterschiedlich ausgearbeitet worden.
Okay, das hätte man allerdings noch etwas mehr hervorheben können. Ich muss mir Dune 1 und Dune 2, wenn er erscheint, nochmal in aller Ruhe anschauen.
Die meisten marvelgewohnten Kinogänger werden natürlich die Harkonnen als die bösen Antagonisten erkennen und denken, aha, alles klar. Sie werden auf eine Weise besiegt, ja völlig ausgelöscht, die nichts zu wünschen übrig lässt. Weil aber zuvor gezeigt wurde, dass sie Marionetten sind und weil wir schlechte Omen über einen kommenden Genozid gesehen haben, hinterlassen sie einen Eindruck wie Nachtigallenzungen bei Obelix. "Wie schmecken die?" "Salzig".Darth Schneider hat geschrieben: ↑Mo 18 Mär, 2024 16:49In den Filmen hingegen sieht man meistens nur eine Sichtweise von gut und böse.
Ja - das liegt eigentlich alles in den Charakteren schon angelegt bzw. man könnte sie in dieser Richtung herauszeichnen. Nur nutzt Dune 1+2 dieses Potential nicht.Axel hat geschrieben: ↑Mo 18 Mär, 2024 16:29 Gut und Böse sind gar keine angemessenen Kategorien. Ich wies schon im ursprünglichen Dune! - Thread zum ersten Teil darauf hin, dass Vladimir nicht böse ist in einem moralisch wertenden Sinn, sondern korrupt. Weil seine ganze Gesellschaft so faschistisch ist, besteht keine Notwendigkeit, als freundlicher Herrscher zu posen, und das konsequente Ergebnis sieht man. Auch der Imperator ist nicht böse, er ist machiavellistisch. Er betreibt diplomatische Spielchen, weswegen er sich ziviler geben muss. Irgendeinen diabolischen Glanz wie Zarkov oder so würde er vermeiden. Feyd ist ebenfalls nicht böse, sondern ein Psychopath. Mehr gibt es zu ihm auch nicht zu sagen, und warum sollte man? Um seine Rolle dramaturgisch auszuschlachten? Er wird ja schon, bevor wir ihn zum ersten Mal sehen, als eine Art zweite Besetzung oder Notbehelf eingeführt, falls das mit Pauls Loyalität in die Hose gehen sollte. Gewiss schütteln die Marvel-Autoren mit dem Kopf, aber genau das ist der Punkt. Wenn schon die finstersten (Geld bringenden) Bösewichter unserer Popcorn-Melodramen so flugs und herzlos entsorgt werden: wo ist denn dann der verdammte Plot geblieben? Es ist keine Gut-gegen-Böse-Geschichte, es ist die genaue Beobachtung, wie ein Mythos konstruiert wird, bzw. ein Prophet erschaffen (Jodorowsky).