Spät gesehen, deshalb eine Weile nach dem Bundestart. Bestimmt die wohlwollendste aller negativen Kritiken zu diesem Film.
Hugo Cabret, ein von seinem versoffenen Onkel im Pariser Gare du Nord als Bahnhofsuhren-Wärter gehaltener Waisenjunge, löst ein Rätsel seines verstorbenen Vaters, erlebt zusammen mit einem Mädchen Abenteuer und hilft George Méliès (Ben Kingsley), einem der Urväter des phantastischen Films und dem Vater des Mädchens, sein vermeintliches Versagen als Filmpionier zu verkraften.
Die Zusammenfassung klingt holperig? Das ist so, weil der Film zuviele Elemente zusammenzupappen versucht. Ohne großen Erfolg, wie man leider sagen muss. Scorsese, der in den Film sicher Herzblut investierte, kann sich nicht so recht entscheiden, ob er das Loblied des alten, mechanischen Kinos singen soll - er tut es sehr oft, recht mechanisch -, oder ob er zeigen soll, wie Kino immer auch billige Taschenspielertrickserei ist, wofür erstklassige 3D-Effekte und oft, aber nicht immer erstklassige CGIs die modernen Zeugen sind.
Die Kinder unterhalten sich über Kino, darüber, dass es die Träume zeigen kann, und diese Dialoge sind fast lächerlich belehrend, so, als hätten sie schon vorher in der Bibliothek ein filmhistorisches Buch über Méliès gelesen, wie sie es später tatsächlich tun. Das alles ist so schrecklich gewollt, dass sich niemand wirklich fallenlassen kann, Kinder nicht (wie die Trailer, so sieht auch der ganze Film aus wie ein Gebräu aus Narnia und Cinema Paradiso, leider ohne deren Wirkung), Erwachsene nicht und sogar *ich* nicht. Und das will schon was heißen, denn ich liebe Méliès, den Zauber der mechanischen Poesie (Méliès/Kingsley: "Das Surren eines Filmprojektors werde ich immer und überall erkennen"), und ich liebe Scorsese. Der Film gehört in die Kategorie Filme, die nur aus guten Zutaten bestehen, aber trotzdem nicht funktionieren, wie zum Beispiel auch Gondrys The Green Hornet oder Nolans Inception.
Am besten sind, ganz unerwartet, die slapstickartigen Einlagen mit dem Bahnhofspolizisten (Sacha Baron Cohen, "Borat"), seinem Dobermann Maximilian und seinem mechanischen Bein. Das ist Kino!
George Méliès hätte 3D benutzt, und er hätte digitale Welten erschaffen, das stimmt. Aber wie bei einer Zaubershow (er kam aus dem Varieté) hätte er den Erfolg seiner Vorführung daran gemessen, ob er das Publikum erstaunen, überraschen, verzaubern kann ....
11 Oscarnominierungen? Naja, viele gute Leistungen. Leider dürfte keine heißen "guter Film".
Sieh dir Hugo Cabret ruhig an. Wenn du weißt, dass er etwas unausgegoren ist, d.h., wenn deine Erwartungshaltung entsprechend ist, hat er sehr viel Schönes zu bieten.
Dasselbe galt auch für Inception. Auch für den war meine Kritik negativ, aber freundlich, hier. Auch Inception habe ich trotz vieler begründbarer Mängel genossen und inzwischen ein zweites Mal auf Bluray gesehen ...
Mir hat er gefallen aber ich kann die Kritik nachvollziehen. Ich hätte ihn einfach anders und kürzer geschnitten, ein paar Dinge wohl anders gemacht aber das größte Problem des Films ist der Schnitt. Für mich wars trotzdem ein schöner Kinobesuch mit tollem 3D, aber eben auch unausgewogen das Ganze.
Ich irre mich gerne. Méliès ist für mich wie ein Kind, das ein unglaublich spannendes Spielzeug entdeckte. Hätte er auf Stoptrick, Mehrfachbelichtungen, Ebenen- und Größentricks, Animatronics (bzw. nach Aldiss-Kubrick-Spielberg Animamechas) und eine Reihe von Zeitmanipulationen ein Patent angemeldet gehabt, wie es heute üblich ist, er wäre steinreich geworden. Das kam ihm nicht in den Sinn, er spielte halt rum und freute sich. Er kolorierte einige Filme und bastelte sogar sein eigenes Filmequipment, mit dem Malteserkreuz als Herz.
Ich finde, dieser Film wäre der Meilenstein, als der er oben gelobt wird, vielleicht geworden, wenn man schon vom Konzept her alles rausgeschmissen hätte, was mit den Augen eines Pädagogen auf dieses Toy"R"Us für Kinofreaks blickt. Aber wie gesagt, wenn der Film anderen gefällt, freue ich mich. Im Augenblick scheint er ein bisschen zu floppen.
pilskopf hat geschrieben:Zumindest bei uns läuft er super, eher überraschend aber ziemlich beste Freunde hat er aus dem großen Saal dann doch nicht vertrieben.
Ziemlich beste Freunde ist auch große Klasse. Wer ihn immer noch nicht gesehen hat in den letzten sieben Wochen, hat vielleicht noch ein paar weitere ...
Kann ich persönlich nicht so nachvollziehen, vor allem wenn man guckt was noch so alles nominiert ist. Moneyball wäre auf jeden fall noch ein Oscar kandidat. Ich finde hugo Super, vor allem wenn man sich anguckt was für ein Mist momentan noch so läuft. Das 3D schlägt auch alles was bisher dagewesen ist. Aber geschmäcker sind ja verschieden. Ich bin mal gespannt auf deine Kritik zu Iron Sky ;)
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