andieymi hat geschrieben: ↑Sa 17 Jul, 2021 20:02
Interessanter Link. Ich glaube sogar anhand der Targets (weitergedacht in möglicher Motivdarstellung) zu erkennen, welche Farbgebung mir zusagt und welche nicht.
ja -- diese gegenüberstellung bzw. beurteilung in der kamera fertig entwickelter farbwerte deutet natürlich wirklich nur den gipfel des eisbergs an.
in wahrheit sind die relativ wenigen messpunkte derartiger color charts kaum ausreichend, um das tatsächliche verhalten der sensoren bzw. der interenen bildaufbereitung vernünfig zu rekonstruieren. noch schlimmer ist es, wenn man überhaupt nur die gebräuchlichen CC24 charts für die beurteilung verwendet, wo man dann gerade einmal genügend anhaltspunkte hat, um den color cube ein klein wenig zu rotierenaod zu stauchen -- also eine sehr einfache korrekturmatrix zu errechnen. viel sauberer funktionert das, wenn man die tatsächliche selektive empfindlichkeit der verscheidenfarbigen sensel über das spektrum hinweg mittels monochromator ermittelt und aus diesen daten dann genauere korrekturen ableitet. damit werden dann auch die wirklich spannenden geschichten, die sehr oft mit der dortigen trennung der grundfarben zu tun haben, wesentlich sauberer erfassbar...
für mich sind in dieser hinsicht noch immer die diskussionen rund um die entwicklung von DCamProf eine wahre fundgrube an nützlicher information:
https://torger.se/anders/dcamprof.html
https://forum.luminous-landscape.com/in ... c=100015.0
andieymi hat geschrieben: ↑Sa 17 Jul, 2021 20:02
Aber ich glaube das bringt uns zu einer, wie ich finde (und das meine ich nicht böse oder sonst etwas, ist nur meine Meinung) Fehlannahme, die ich glaube herauszulesen: Dass Kameras Farbmessinstrumente sind. Das ist nicht so, das wären dann wohl eher Spektralphotomter.
da hast du natürlich völlig recht, trotzdem versucht man in heutiger farbbearbeitungssoftware diesen physikalischen gesetzmäßigkeiten weit mehr beachtung zu schenken als das früher der fall war, wo man sich eher an den eigenschaften der apparate und übertragungsbedingungen orientiert hat. das hat seinen guten grund, weil sich sehr viele detailprobleme, die sich aus diesem anderen weg ergeben erst wirklich klar werden bzw. vermiden werden können, wenn man eben konsequent in
scene referred bezugsräumen operiert, etc.
und wenn ich diesem zusammenhang eben eine objektive korrekte ausgangsbasis für recht erstebenswert erachte, will ich damit keineswegs behaupten, dass die fertigen bilder sich letztlich auch nur an derart puristischen wiedergabekriterien orientieren müssen, sondern nur, dass es sehr hilfreich ist, eine kameraunabhängige möglichst saubere ausgangsbasis für die weiteren eingriffe zur verfügung zu haben.
das ist ungefähr so, wie es ja auch beim hausbauen hilfreich sein kann, auf ein ebenes fundament aufzubauen, statt die hübschen natürlichen hügelformen der landschaft und die tagesverfassung und kreativen allüren der gerade tätigen handwerker in jedem weiteren detail der inneren raumgestaltung ständig mitbedenken und ausgleichen zu müssen. ;)
andieymi hat geschrieben: ↑Sa 17 Jul, 2021 20:02
Ich glaube keinem Hersteller - und das war mitnichten schon zu Filmzeiten so - WILL eine 100% akkurate Farbreproduktion liefern.
das schlimme ist, dass die einzelnen hersteller mittlerweile oft ganze eigene formen der farbverzerrung kultivieren, die nicht nur eine bindung an die marke fördern sollen, sondern vor allem auch derart komplizierte eingriffe enthalten, dass man sie nachträglich gar nicht vernünftig aus den bilder rausrechnen und eliminieren kann.
so lange es also wirklich nur irgendwelche voreinstellungen sind, die man ohnehin nicht nutzen muss od. sie mit besseren aufbereitungsmitteln umgehen kann, ist es mir ohnehein ziemlich egal, welche bilder eine kamera liefert, aber es muss eben auch dieser weg hin zu möglichst korrekten ausgangsdaten für eine bewussteres arbeiten mit den farben bzw. reibungslosem kombinieren von ausgangsmaterial verschiedener kameras offen bleiben.
andieymi hat geschrieben: ↑Sa 17 Jul, 2021 20:02
Ich habe die Vermutung, dass im Gegenzug sehr viel hinsichtlich menschlicher Haut und Naturfarben (Blattgrün, Himmel, etc.) hin optimiert wird und in diesem Optimierungsprozess sogar so etwas wie Sehgewohnheiten einfließen.
Was Du "höchst unbefriedigende Kompromisse" nennst ist für jemand anderen der Look von Kodachrome, Kodak 5203 oder ALEVIII.
ja -- z.b. die sehr starken abweichungen praktisch aller kameras im etwas geringer gesättigten rot und orange, deuten definitiv auf eine derartiges entgegenkommen im hinblick auf unsere sehgewohnheiten bzw. schönheitsideale hin.
das ist eine spannede gescheichte, weil es tlw. sogar physiologische ursachen hat -- also z.b. die tatsache, dass "gelb" zu sehen eine komplizierte kognitive leistung darstellt als die meisten anderen farben wahrzunehmen --, aber eben auch bis zurück in die heute völlig absurd anmutenden ausführungen zur farbenlehre in der antike immer auch an die gerade verfügbaren techniken der künstlichen farbgebung bzw. gerade verfügbaren gestaltungsmittel gebunden war.
andieymi hat geschrieben: ↑Sa 17 Jul, 2021 20:02
Nehmen wir Arri als Beispiel. Ich glaube, die sind 100% so erfolgreich (nimm das jüngst gepostete Cannes-Beispiel, oder jede andere Kinofilm - bis jetzt sogar Broadcast - Kamera-Auswertung Deiner Wahl), weil sie ein Rezept gefunden haben Farben scheinbar natürlich zu reproduzieren, das hat allerdings nullkommanull mit einer farblich akkuraten Wiedergabe von Farben (das macht ja auch das ganze Weißabgleichsthema auf das hatten wir schon zu oft, aber für Deine Zwecke ließe sich das auch farbrichtig unter gleichen Bedingungen lösen wohl) zu tun.
wie gesagt: ich plädiere hier nicht dafür, dass alle kameras ein möglichst nichtssagendes gleiches bild lieferen sollen, sondern vielmehr dafür, dass sie, wie wie jedes wirklich gute werkzeug, den damit arbeitenden möglichst nicht im weg stehen und ihn in seiner tätigkeit unterstützen. ich denke, dass ARRI in dieser hinsicht zwar auch nur mit wasser kocht, aber zumindest dem feedback richtig guter kameraleute und color grader mehr gehör schenken od. sogar aktive unterstützung zukommen lassen dürfte als das bei den meisten anderen herstellern der fall ist, die eher für einen relativ anspruchslossen massenmark produzieren, dem man mit ein bisserl sugestion via werbebotschaften viel leichter gerecht werden kann.