Meine 2 Cents als jemand, der (als überzeugter Spiegellos-Fotograf) das MFT-System von seinen Anfängen mitgemacht und insgesamt 8 MFT-Bodies besessen hat: Panasonic GH1, Olympus Pen E-PL2, GH2, GF2, GM1, Blackmagic Pocket 1080p, Blackmagic BMCC und Pocket 4K - und inzwischen alle MFT-Objektive und Bodies größtenteils mit hohen Verlusten verkauft und nur noch die alte Pocket und BMCC (mit adaptierten Objektiven) als Klassiker und zeitlose Kameras übrigbehalten hat:
MFT könnte IMHO auch heute noch das technisch führende und innovativste Spiegellos-System sein, weil der kleinere Sensor mehr Raum für Experimente wie z.B. neue und ultrakompakte Bauformen bietet oder mehr Raum bzw. passendere Datenmengen für komplexere computational photography-Elektronik. Im Idealfall könnte es das System sein, dass die Vorteile von Wechseloptik und (im Vergleich zu Smartphones und Kompaktkameras) Großsensor-Kameras mit den Vorteilen und technischen Innovationen von Smartphone-Fotografie verbindet - und das viel mehr auf neuere Kameratypen wie Dronen, Gimbalkameras à la DJI Osmo, Action-Kameras, Highend-Webkameras (im Zoom-Zeitalter) ausgerichtet sein könnte.
Aber genau das Gegenteil ist passiert, und das war IMHO das langfristige Todesurteil für das System (falls da nicht noch andere, innovativere, ggfs. chinesische Hersteller einsteigen und neue Produkte entwickeln).
Panasonic und Olympus entschieden sich, MFT zur Full Frame-Konkurrenz aufzuplustern. Der Body der GH5 ist ebenso groß wie der der meisten Full Frame-Spiegelloskameras von Sony, Canon und Nikon und sogar beinahe so groß wie der von Fujis neuer Mittelformatkamera. Die meisten APS C-Systemkameras, selbst der gehobenen Klasse, sind sogar kompakter:
Auch die heute kompaktesten MFT-Bodies - die es nur noch von Panasonic gibt, nachdem Olympus/OM Digital Solution seine E-P-Serie eingestellt hat und nur noch die DSLR-artige E-M-Serie verkauft - haben keine nennenswerten Größen- und Gewichtsvorteile ggü. kompakten APS-C-Bodies wie der Fuji X-A7 und X-E4, Canon EOS-M200 oder Sony A6100. Das gilt mittlerweile auch für die Objektive, wenn man sich z.B. die ultrakompakten Kitzooms und Pancake-Festbrennweiten von Fuji und Canon ansieht (Fuji und Canons 15-45mm-Zooms sowie Fujis 27mm/2.8 und Canons 22mm/2).
Olympus verstieg sich kurz vor seinem Ausstieg aus dem Kamerageschäft sogar zu dem Wahnwitz, dass sie MFT und ihre Pseudo-DSLR-Kameras als Spezialsystem für Wildlife-Fotografen sehen, weil es ggü. Full Frame die kompakteren und besser stabilisierten Supertele-Optiken hat...
@pillepalle schrieb mit Bezug auf Full Frame-Kameras:
pillepalle hat geschrieben: ↑Mi 03 Feb, 2021 08:21
Die Kameras sind oft nicht teurer, die Optiken dafür aber in der Regel schon. Einfach weil sie einen größeren Bildkreis ausleuchten müssen und dadurch in der Regel auch mehr Glas im Einsatz ist.
Absurderweise ist in der Praxis genau das nicht der Fall und sind MFT-Objektive kaum preiswerter als FF-Objektive, leisten optisch aber deutlich weniger. Beispiele:
Standard-Festbrennweite:
Panasonic 25mm/1.7, 180 EUR; Sony 50mm/1.8, 200 EUR
Reportage-Weitwinkel:
Olympus 17mm/1.8, 460 EUR; Sony 35mm/1.8, 550 EUR (oder das ebenfalls sehr gute Samyang 35mm/1.8: 400 EUR)
Portrait-Tele:
Panasonic 42.5mm/1.7, 350 EUR; Sony 85mm/1.8, 500 EUR (oder Samyang 85mm/1.4, 400 EUR, oder Viltrox 85mm/1.8, 300 EUR)
Dazu muss man ja noch einkalkulieren, dass die Kombination FF-Body+1.8-Objektiv ungefähr zwei Blenden bzw. die vierfache ISO mehr Lichtstärke und die doppelte Freistellung bringt. Wirkliche Äquivalenz hätte man hier eigentlich nur dann, wenn man für MFT durch die Bank f0.95-Objektive anschaffen würde. (Aber selbst die Voigtländer-Nokton-Serie - bei der das o.g. Objektivset 3250 EUR kosten würde und keinen AF hat - bildet bei f0.95-Offenblende nicht halb so gut ab wie die o.g. Sony-Objektive bei f1.8-Offenblende.)
Bzw. gilt umgekehrt: Der vermeintliche Kompaktheitsvorteil der MFT-Objektive relativiert sich dadurch, dass man für APS-C f2.8-Objektive und an FF 4.0-Objektive nehmen kann, um auf die gleiche optische Leistung zu kommen (wobei die Standardsensoren bei APS-C- und FF mit ihrem größeren Pixelpitch in der Praxis immer noch weniger rauschen als die MFT-Standardsensoren mit ihrem kleinen Pixelpitch). Die Kombi Fuji X-E4+27mm/2.8 ist deutlich leistungsfähiger als z.B. die Kombi Panasonic GX9+25mm/1.7 - was aber auch daran liegt, dass diese Flagship-Kompaktkamera des MFT-System mittlerweile ziemlich angestaubt ist, und das ebenso angestaubte Panasonic 25mm/1.7 laut DxOMark nicht ansatzweise die 20 MP der GX9 auflöst (sondern nur 7MP).
Oder, kürzer gesagt: Das MFT-System ist ziemlich teuer und ziemlich veraltet im Vergleich zur Konkurrenz.
Wobei der Irrsinn ja auch ist, dass Panasonic und Olympus das Megapixel-Wettrennen mitgemacht haben. 20 MP an MFT entsprechen 80 MP an FF bzw. 40 MP an APS-C (wodurch der Pixelpitch so klein ist, dass MFT in der Praxis noch lichtschwächer ist bzw. stärker rauscht als es nötig wäre - i.d.R. ist oberhalb von ISO800 Schluß, wenn es um brauchbare Bilder geht).
MFT-Objektive müssen 150lp/mm auflösen, um die Sensoren adäquat zu bedienen. Daher muss man eigentlich viel tiefer in die Tasche greifen und z.B. Objektive aus Olympus "Professional"-Serie wie das 25mm/1.2 für 1100 EUR anschaffen, um ein rundes System zu erhalten.
Während umgekehrt bei FF die verbreitete 24MP-Auflösung in Bezug auf die Objektivauflösung (=75lp/mm) eher anspruchslos ist und sich gute Objektive dafür viel einfacher und dadurch letztlich preiswerter konstruieren lassen.
pal1 hat geschrieben: ↑Mi 03 Feb, 2021 11:47
Was man dem derzeitigen FF-Hype abgewinnen könnte,wäre für schmales Geld gutes MFT Equipment zu ergattern.
Das funktioniert auch nur auf dem Gebrauchtmarkt. Und selbst da ist meine Erfahrung, dass man in der Praxis z.B. Fuji- und Canon EOS-M-Equipment genauso günstig kriegt, weil es schon so lange auf dem Markt ist. Ich bin erst vor einem Jahr ins Fuji-System eingestiegen, und habe mit ein bißchen kreativer Suche über örtliche Facebook-Verkaufsgruppen u.ä. für ein Objektiv-Kit mit dem 35mm/2.0, 50mm/2.0 und dem (hervorragenden und von keinem bezahlbaren MFT-Zoom erreichten) 18-55mm/2.8-4 insgesamt unter 600 EUR bezahlt, mit zwei älteren Bodies (X-A3 und X-E1) quasi als Gratiszugabe... (Es gibt z.Zt. zwei Typen Privatverkäufer, (a) diejenigen, deren Kameras im Regal verstauben, weil sie nur noch mit Smartphones fotografieren und (b) diejenigen, die auf FF-Systeme umsteigen und ihre APS-C-Ausrüstung komplett abstoßen. Beide verkaufen oft zu Spottpreisen.)