Die Langzeitfolgen von Energiesparlampen (die Wirkung des "unmenschlichen" Lichtspektrums vor allem auf die Psyche) werden uns in der Zukunft beschäftigen.
Mit 3D ist es ähnlich. Alle zwei Wochen (oder seltener) ein Besuch im Kino ist etwas anderes als täglicher stundenlanger Konsum vorm TV. Zukünftige Studien werden sehr wahrscheinlich gesundheitliche Risiken herausstellen. Denn:
1. 3D ist für die Wahrnehmung von Räumlichkeit absolut verzichtbar. Perspektive und die relative Größe von Objekten liefern zuverlässigere Informationen über Entfernungen. 3D verzerrt diesen für unsere Wahrnehmung wichtigen Bezugsrahmen, siehe unten.
2. Zugunsten eines 3D-Effekts auch bei weiter entfernten Motiven (Halbtotale, Totale) wird bereits bei der Aufnahme die Z-Achse skaliert. Mit anderen Worten, der normale Abstand zwischen Hintergrund, Motivebene und Vordergrund wird drastisch verkürzt. Abgesehen davon, dass dies zu märchenwald-artigen, künstlich wirkenden Bildern führt, ist die Notwendigkeit, diese Layer für die Tiefenwirkung jedesmal in der Kadrage zu berücksichtigen, schwerfällig und lächerlich (aktuelles Berispiel: Final Destination).
3. 3D suggeriert dem Wahrnehmungsapparat, dass sich Objekte physisch in einem bestimmten Abstand befinden, den sie aber in Wirklichkeit nicht haben. Der Abstand zur Leinwand (in Zukunft: dem TV-Panel) bleibt fix, für das die Bilder interpretierende Sehzentrum des Gehirns eine irreführende >Fixationsdistanz >
"Strabologie": Die Motorik der für die Bewegung der Augen zuständigen Muskeln (die eigentlich in ständiger Bewegung sind) stimmt nicht. Die Kamera(s) schielt für uns, oft genug aus völlig bescheuerten Augenabständen (der 3D-Effekt von
Ice Age war für Erwachsene schwächer, die Bilder waren auf "den" Augenabstand von 6-Jährigen berechnet). Ich vermute, dies ist der Grund für die häufig auftretenden Kopfschmerzen.
4. Daraus ergäbe sich, dass eine Videobrille für 3D besser geeignet wäre.
5. Das Filmbild, wie es bis vor kurzem bekannt war, stellt eine Interpretation dar, wahlweise der "Wirklichkeit", eines (Alp-)Traums oder einer "Vision". Es ist keine zweite Realität, sondern ein von der unmittelbaren Wahrnehmung jederzeit unterscheidbares
Bild für ...
(Beweis: Auch wenn hier im Forum viel über Technik gesprochen wird, steht diese aber eher häufig als nicht im Zeichen einer
Veredlung des Bildes, einer bewussten Stilisierung. Hierzu gehört alles, was mit "Look" zu tun hat,
auch die höhere Auflösung, denn damit will keiner seine Umwelt
noch realistischer abbilden).
Das freiwillige, zeitweise Für-wahr-Nehmen durch den Zuschauer ist die Grundlage, deretwegen Kino funktioniert, so gesehen eine
echte Interaktion.
Wenn 3D, was ich glaube, in die Richtung einer zweiten Realität gehen soll ("Total Recall"), dann ist es erstens dafür technisch noch gar nicht reif. Und zweitens ist die Zielsetzung, die Distanz zum Publikum völlig aufzuheben, eher die von modernen Spielen. Das, was an denen
scheinbar interaktiv ist, ist von seiten des Users eher reaktiv und entspricht einer freiwilligen Konditionierung. Man möchte in einer fremden Welt jemand anderes sein. Welcher Art diese Spiele der Zukunft sein werden, zeichnet sich ab. Dosierter Machtzuwachs, straffreies Ausüben von Gewalt, eben menschliches Streben.
Das soll jetzt keine Moralpredigt sein, all das wird gewiss sehr interessant. Mit dem Erzählen von Geschichten, mit der Beschwörung von psychischen (d.i.:magischen) Themen und der Provokation mit Unbequemem hat das nur nichts mehr zu tun. An diesem Punkt spätestens trennt sich der Weg vom "Film".
brainy hat geschrieben: .. für das Kino an sich hat Cameron wieder mal eine Welt-Revolution geschaffen...
(Kommentar eines SlashCamers am Tag nach der 15-Minuten 3D-Demo-"Reel")
3D hat sich bereits amortisiert. Es wurde und wird, der technischen Schwächen zum Trotz, sehr gut angenommen. Möglicherweise verhilft es einem kitschigen Film zum Jahresende zum Super-Erfolg. Danach wird der Hype abebben. Ich rate dazu, sich nicht anstecken zu lassen.
kuebler hat geschrieben:So ähnlich wie bei den beiden vorigen Postern hat es wahrscheinlich auch eine Zeit lang geklungen, als man Farbfilme eingeführt hat, und vielleicht sogar schon bei Einführung des Tonfilms...
S/W und Farbe existierten immer friedlich nebeneinander. Mir ist nicht bekannt, dass sich jemand verächtlich über Farbfilme geäußert hätte. Die ersten Tonfilme waren unfilmisch, das wird heute keiner bestreiten. Im selben Sinne, wie es heutige 3D-Machwerke sind.