Frank B. hat geschrieben:Das hieß hier "Ein Herz und eine Seele" und war ein Renner. Noch heute aktuell zum Teil. Herrlich politisch unkorrekt und witzig.
Aber keine Serie im dramaturgischen Sinne.
Eine Soap wie Lindenstraße war vom Konzept her so angelegt, dass sie den gesellschaftlichen Diskurs befeuern sollte. Was gelang war, dass sie den spießigen deutschen Alltag sehr genau spiegelte. Aber keine der Figuren stellte je den Status Quo in Frage, brachte durch ihre Leidenschaft "die Verhältnisse zum Tanzen" (Novalis). Deshalb blieb es ein kitschiges, affirmatives Melodram in Serie, das eher deprimierend als inspirierend war. Das Traumschiff, so unrealistisch es war, zeigte zumindest die "deutsche Seele" in Reinform und lässt sich, entsprechenden Humor vorausgesetzt, als unfreiwillige Satire genießen.
Um einmal deutlich zu machen, mit welchem Kaliber der Essayist nerdwriter Star Wars hier vergleicht:
Erstes Kapitel
Handelt von dem Orte, wo Oliver Twist geboren ward, und von Umständen, die seine Geburt begleiteten
In einer Stadt, die ich aus mancherlei Gründen weder nennen will, noch mit einem erdichteten Namen bezeichnen möchte, befand sich unter anderen öffentlichen Gebäuden auch eines, dessen sich die meisten Städte rühmen können, nämlich ein Armenhaus. In diesem wurde an einem Tage, dessen Datum dem Leser kaum von Interesse sein kann, der Kandidat der Sterblichkeit geboren, dessen Namen die Kapitelüberschrift nennt.
Lange noch, nachdem er bereits durch den Armenarzt in dieses irdische Jammertal eingeführt war, blieb es höchst zweifelhaft, ob das Kind lange genug leben würde, um überhaupt eines Namens zu bedürfen. Es hielt nämlich ungernein schwer, Oliver zu bewegen, die Mühe des Atmens auf sich zu nehmen, allerdings eine schwere Arbeit, die jedoch die Gewohnheit zu unserm Wohlbefinden nötig gemacht hat. So lag er, eine geraume Zeit nach Luft ringend, auf einer kleinen Matratze, wobei sich die Waagschale seines Lebens entschieden einer besseren Welt zuneigte. Wäre Oliver damals von sorglichen Großmüttern, ängstlichen Tanten, erfahrenen Wärterinnen und hochgelehrten Ärzten umgeben gewesen, so wäe er unzweifelhaft mit dem Tode abgegangen, so aber war niemand bei ihm als eine arme alte Frau, die infolge ungewohnten Biergenusses ziemlich benebelt war, und ein Armenarzt, der vertragsgemäß bei Geburten Hilfe leisten mußte.