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Avatar bedeutet Stellvertreter



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Axel
Beiträge: 17071

Avatar bedeutet Stellvertreter

Beitrag von Axel »

Das Wort Avatar leitet sich aus dem Indischen ab, wo es einen Gott meint, der sich als Mensch tarnt. Heute meint man eine virtuelle Person in einem Computerspiel oder - ähm - einem Internet-Forum.

James Cameron war sich bei der Erfindung seines Films Avatar sämtlicher Bedeutungen des Wortes bewusst, und auch aller daraus resultierenden Bedeutungen, das sieht man dem fertigen Film in jeder Minute an.

Der Hauptdarsteller, ein im Einsatz in Kolumbien verwundeter und seither gelähmter Marine, soll ein aus einer DNS-Mischung (sein Zwilling und ein "Na'vi") gezüchtetes Kunstwesen in Gestalt eines Ureinwohners des Planeten Pandora steuern und den "Feind" unterwandern.

Das riesige blaue Feenwesen, ein "edler Wilder", ist dabei natürlich sein Avatar, womit scheinbar der Titel des Films bereits ziemlich platt erklärt ist.

Weit gefehlt: Es folgt Stufe eins der Story-Überraschungen dieses sensationellen Kino-Erlebnisses (es gibt noch weitere, aber ich verrate sie nicht). Immer stärker setzt der Film auf den Wunsch des Zuschauers, in die überwältigende Welt Pandoras einzutauchen. Wenn Jake in der realen Welt der Menschen "erwacht", kommt man runter von einem aufregenden Trip, zurück in einen Alltag, der mit Leben nicht so viel zu tun zu haben scheint. In kürzester Echtzeit ist Jake unser Avatar, und Cameron versäumt nicht, das ein paarmal überdeutlich zu zeigen.

Die spielerische Art, mit der Jake sprechen, jagen und lieben lernt, erleichtert der Vorstellungskraft die Möglichkeit, alles andere zu vergessen und die virtuelle Realität zu glauben. Es ist nicht die Leistung der GCI-Animatoren, es ist ein Verstehen der Wünsche des Zuschauers und deren konsequente Erfüllung und Gefährdung durch die "Realität". Darin, und nicht in einer "Böses Militär vs. liebe Indianer" - Romantik, liegt der Kern des Konflikts von Avatar.

Was bei Spielsüchtigen sich in Weltflucht erschöpft, ist im Kino eine Utopie. Und da wir vorhin von Indien sprachen, komme ich darauf zurück. Dieser Tage kam eine Reportage über Bollywood (zufällig reingezappt, daher keine Senderinfo usw.). In Indien gibt es seit etwa 3500 Jahren das Kastensystem. Die englische Kolonialmacht kaute an dem zähen Leder, konnte es aber kaum aufweichen. Offizielle Verbote und "Abschaffungen" seit den 1950er Jahren führten immer wieder zu Hungerstreiks und Selbstverbrennungen. Aber im indischen Kino ist der Mythos von der kastenübergreifenden, romantischen Liebe der größte Hit!

Kino ist der Traum vom Möglichen - oder glaubt jemand, dass ohne obligatorische schwarze Präsidenten im Kino Obama jemals eine Chance gehabt hätte?

Nach diesen Superlativen bin ich froh, auch etwas einschränken zu können: Das Militär ist ein bisschen klischeemäßig verstockt, daher kommt hier der Bösewicht quasi zu Besuch aus dem Kasperletheater. Aber vielleicht ist das auch realistisch?

Wer kann, sollte den Film natürlich in 3D sehen. Die Szenen auf dem Militärstützpunkt shuttern (unvermeidbar, zu viele Schwenks über vertikale Linien), und das wird durch 3D leider noch verstärkt. Aber im organischen Dschungel - Cameron sei Dank der größere Teil - ist das nicht mehr sichtbar. Aber auch in 2D wird der Film knallen.

Im Vorfeld hörte man, es sei eine Pocahontas-Geschichte. Kann man wohl so sehen. Pocahontas mit Departed und einem kräftigen Schuss Matrix. Platons Höhlengleichnis (Wikipedia!) kommt einem durchaus auch in den Sinn.



ksr
Beiträge: 313

Re: Avatar bedeutet Stellvertreter

Beitrag von ksr »

Da schwärmt aber einer...

Pocahontas hab ich nicht gesehen, The Departed hat mir gleich nicht gefallen (Inszenierung voller pubertärer Fantasien) und Matrix gefällt mir immer weniger (siehe unten)...
Okay, vielleicht alles subjektiv - aber das hier klingt schlüssig:
Avatar = Winnetou
http://www.spiegel.de/kultur/kino/0,1518,666842,00.html

Nach allem was ich gesehen und gelesen habe, bin ich ziemlich sicher, daß es Cameron selbst ist, der der vermeintlichen Tiefe von Avatar nicht viel Raum gibt - Schlachtengetümmel ist eben wichtiger...

Avatar wird technisch einmal belächelt werden (holzschnittartige Gesichter, alles sieht nach Computerspiel aus usw.), ebenso wie Matrix (zumindest die Fortsetzungen: Eine Parade von Lackmänteln und Designersonnenbrillen, wobei natürlich der philosophische Kontext im Vordergrund steht, dazu unsinnige Effekte mit hohen Schauwerten)...
Aber was soll's, ist ja nicht so schlimm, man muß viele Filme eben im zeitlichen Kontext sehen. Die Karl May-Filme sind heute hauptsächlich Gegenstand von Parodien - waren damals aber sehr erfolgreich...!

Archetypische Storys schlagen halt ein, ihr Gewand ist dabei dem Zeitgeist verhaftet...



Axel
Beiträge: 17071

Re: Avatar bedeutet Stellvertreter

Beitrag von Axel »

ksr hat geschrieben:Aber was soll's, ist ja nicht so schlimm, man muß viele Filme eben im zeitlichen Kontext sehen. Die Karl May-Filme sind heute hauptsächlich Gegenstand von Parodien - waren damals aber sehr erfolgreich...!
Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile. Ich verachte selbst das gigantomanische Effektkino um seiner selbst willen. Ich bin eher ein Arthouse-Fan. Aber Arthouse-Filme werden das Kino nicht seine neuen Wunderwaffen überleben lassen. Wenn´s dir egal ist, mir nicht. Die Kritik, dass dieser Film ein ausgelutschtes, formelhaftes Drehbuch hat, kann man spielend widerlegen (vorausgesetzt, man lässt sich dazu herab, ihn überhaupt anzusehen). Wenn man ihm aber seine Schauwerte übelnimmt, hat man sich m.E. als Kinokritiker selbst disqualifiziert.
ksr hat geschrieben:Archetypische Storys schlagen halt ein, ihr Gewand ist dabei dem Zeitgeist verhaftet...
Der Archetypus ist ein Produkt des kollektiven (Unter-)Bewußtseins. Dieser Film handelt - wie jeder intensive Abenteuerfilm - vom Ausbruch aus diesen Schablonen, er zeigt eine Utopie.



DWUA
Beiträge: 2126

Re: Avatar bedeutet Stellvertreter

Beitrag von DWUA »

"Du kannst Dein Pferd zum Wasser führen, aber Du kannst es nicht
zwingen, davon zu trinken."

Vielleicht, - nein hoffentlich mit Sicherheit-, kommt mal die Zeit der
Erkenntnis, dass Filmkritiker, die sich mit persönlicher Sicht
(nicht ohne seitliches Abspicken) auf etwas Neues stürzen,
wagemutige Abenteurer zu sein scheinen, die unterschiedlichste Maßstäbe ansetzen.
Ist ja kein Novum.
Man vergleiche z.B. die Filmkritik

www.faz.net/s/homepage.html
(dort: Avatar, Camerons Comeback...

mit dem hier:
www.morgenmagazin.zdf.de/ZDFde/inhalt/2 ... 33,00.html
(dort: "Aber warum hat Cameron nicht etwas mehr Sorgfalt auf
seine Geschichte verwendet? Die ist dürftig, ironiefrei und allzu pathetisch.")

Man merkt, man darf in Zeitungen mehr "Gescheites" schreiben
als man "Dummes" im TV in 1 Minute senden kann.

"Schwärmen" bedeutet für Axel nur, dass er hier mal mehr Lob als Tadel zum Ausdruck bringt.
Und das zu Recht!

;)))



Axel
Beiträge: 17071

Re: Avatar bedeutet Stellvertreter

Beitrag von Axel »

Die Reaktionen sind mau. Etwa zehn Prozent (Säle trotz Weltstart nicht 100%ig ausgelastet - Blockbusterambitionen adé) der Zuschauer ist begeistert, der Rest senkt den Daumen. Kitsch. Zeichentrick. Kinderkram. Einer singt "Warum seid ihr Schlümpfe blau?", beifälliges Gelächter.
Ich frage einen Typen mit verräterisch roten Wangen, wie es ihm gefallen hat. "Schon ganz gut", sagt er. Seine Freundin kommt dazu und fragt: "Gehn wir nochmal rein?" Ernsthaft. Er lächelt und nickt, scheinbar erleichtert. Warum schämen sich Jungs eigentlich für sowas? Kontrollverlust?

Realitätsflüchtige Träumer vs. tumbe Pragmatiker? Ach Quatsch. Nicht allen kommt die Vorstellung, in eine andere Person zu schlüpfen, sicher genug für ihren Seelenfrieden vor. Sie betrachten Pandora mit ihren eigenen Augen, nicht als Mitspieler und Verbündete, sondern als die gewohnten Voyeure. Und das, was sie sehen, ist recht kitschig, da macht man sich nichts vor.



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