iasi hat geschrieben:
So gut und intensiv der Film auch gemacht sein mag, was sagt er uns denn nun?
Hart war das Trapperleben. Überall lauerten Indianer, Wölfe und Bären ... Und an Egoisten muss man sich rächen.
(Achtung Spoilergefahr, nicht lesen, wenn man den Film unvoreingenommen ansehen will)
Was er "uns" sagt, kann ich dir nicht sagen, nur was er mir sagt. Wenn er dir nur das sagt, was du geschrieben hast, ist das wirklich nicht sehr viel. Ich schrieb ja weiter oben, dass dies ein tief religiöser Film ist (jedenfalls kommt er bei mir so an) und dass dessen Bilder heute nicht mehr jedem so locker eingehen. Aber er strotzt vor religiösen Bildern und Aussagen und das mit nur ganz wenig Worten. Der Eichhörnchengott des Fitzgerald ist eine Schlüsselszene. Für ihn ist Gott das Überleben, also die Sicherung seiner Existenz auf Biegen und Brechen. Das ist der Gott der meisten Menschen. 90% der Menschen in unserer westlichen Welt, so schätze ich, sind Fitzgeralds. In dem Film gibt es drei Väter und ihre Kinder, zwei davon sind jedem Zuschauer gegenwärtig. Glass` Sohn, den er mit einer Indianerin hat, die Tochter des Indianers, die verschleppt wurde und der christliche Gott mit seinem Sohn, dem gekreuzigten Jesus Christus in der alten verfallenen Kirche. Es geht um Liebe und Verlust in vielen Schattierungen. Die Liebe ist die größte Kraft, die einem Menschen innewohnt. Glaube und Hoffnung sind weitere Kräfte, die den Menschen antreiben. (In der Bibel im 1. Korintherbrief im 13. Kapitel.) Doch es gibt noch eine Kraft, die den Menschen antreibt - die Wut und der Wunsch nach Gerechtigkeit und Rache. Doch dazu sagt die Bibel im 5. Mosebuch Kapitel 32, Vers 35, wo Gott sagt:
"Die Rache ist mein; ich will vergelten. Zu seiner Zeit soll ihr Fuß gleiten; denn die Zeit ihres Unglücks ist nahe, und was über sie kommen soll, eilt herzu." (ganz genau das geschieht am Ende des Films zwischen Glass und Fitzgerald. Glass tötet ihn nicht. Er schiebt ihn ins Wasser und die Indianer töten ihn. Sie symbolisieren den Gott der Natur, die Leben und Sterben lässt und sie symbolisieren gleichzeitig die Strafe des biblischen Gottes, die außerhalb unserer Entscheidung liegt. Die Bibel und damit der christliche Glaube, also auch der, der wahrscheinlich Glass geprägt hat, schließen Rache als Lebensantrieb für uns Menschen aus. Wenn einem Hoffnung und Glaube genommen werden, bleibt am Ende nur Liebe. Nun kann man sagen, dass Glass Fitzgerald nicht geliebt hat, aber er hat auf seiner Reise sozusagen seiner Heldenreise eine Verwandlung erfahren. Er hat sozusagen in seinem Leid und in seinem Existenzkampf den liebenden Gott sehen gelernt. In der Kirche, im Anblick der Naturschönheiten, die der Schöpfer erschaffen hat, die ihn auf die Knie fallen lassen (die Büffelherde, die Lavine und den Kometen, die Landschaften) Alles kämpft ums Überleben wie er. Die Tiere, die Indianer...wir sind alle eins unter dem Schöpfer. Die Indianer sind keine Wilden, wie es viele andere sehen. Sein Sohn ist Indianer, der Vater, der seine Tochter sucht, ist Indianer und sein Lebensretter unterwegs ist Indianer. Sie stehen alle unter dem Schöpfer (in der christlichen Trinitätslehre ist der Vater der Schöpfer) und hängen von ihm ab. In all diesen Dingen ist Liebe, trotz allem Drecks und allem Leids. Die Indianer kennen wahrscheinlich den christlichen Glauben nicht, aber das macht nichts, weil sich ihnen der Schöpfer anders nähert. Der Atem des Lebens steckt in allen Kreaturen (übersetzt Geschöpfen). Der Atem des Lebens trägt durch den ganzen Film, er ist der rote Faden, es ist das Atmen von Glass, das Leben in ihm, das trotz aller Strapatzen und trotz allen Leids nicht aus ihm heraus will und soll. Das Atmen des Bären (Skeptiker, hier beschlägt die Kamera auch, obwohl der Bär animiert ist), der seine Jungen beschützt bis zum Verlust seiner Existenz, das Atmen des Windes (Ruach - hebräisch der Atem oder der Hauch oder der Geist). Gott blies dem Adam sein Leben mit einem Atemzug in die Nase:
"Und Gott der HERR machte den Menschen aus einem Erdenkloß, uns blies ihm ein den lebendigen Odem in seine Nase. Und also ward der Mensch eine lebendige Seele." 1. Mose 2, Vers 7.
Atem ist Leben, ist Seele, ist Geist. Das weiß der Indianer, das wissen die Christen und eigentlich wissen es alle.
Ein weiterer Aspekt, der eine starke religiöse Komponente hat ist die Gemeinschaft der Menschen in ihrer Unterschiedlichkeit, weil sie eben Menschen sind. Das Überleben der Menschen (der Menschheit?) hängt davon ab, ob sie in der Lage sind, sich beizustehen und ihre eigene, persönliche Existenz dafür zurück zu stellen. Das ist ein großes christliches Bild und im Grunde gegen die Natur. Natur ist der Kampf des Individuums gegen diese selbst. Fressen und gefressen werden. Das ist der Eichhörnchengott des Fitzgerald. Aber es gibt Symbiosen von Gemeinschaften von Menschen, die sich gegenseitig das überleben sichern. Familien, Freundschaften, geliebte Partner oder einfach nur zwei, die ein ähnliches Schicksal gemeinsam besser meistern können.
Der Kampf dieses "Eichhörnchengottes" (Fitzgerald erzählt die Geschichte von seinem Vater, der Gott gefunden hat. Gott war für ihn ein Eichhörnchen, das er gefressen hat, damit er überleben kann. Überleben ist sozusagen Gott. Im Grunde heißt das: Ich bin Gott und meiner Existenz diene ich mit allem was ich habe. Doch es gibt eben den sich selbst entsagenden Gott, dem nur ganz wenige dienen können, weil er den Verlust der eigenen Existenz vermuten lässt. (Was aber im Grunde nicht so ist - im Gegenteil). Wer bleibt bei Glass, bis Hilfe da ist? Niemand? Ihr kriegt auch Kohle dafür! Nicht genug? Ihr bekommt mehr!
Nur der Sohn und der junge Trapper, dessen Namen ich grad nicht mehr weiß, verzichten auf ihr Geld, zugunsten eines anderen. Fitzgerald braucht die Kohle, er will leben und Kohle ist Leben für ihn. Nicht für den Sohn und nicht für den jungen Kerl. Das, was die drei tun ist lebensgefährlich. Sie bleiben zurück. Fitzgerald will nicht sterben, er will leben. Für ihn gibt es nichts anderes. Glass ist doch schon so gut wie tot. Wie soll der noch überleben? Soll ich für einen, der sowieso stirbt, meine Existenz aufs Spiel setzen? Wieso? Der Sohn tut es, aus Liebe zu seinem Vater und bezahlt mit seinem Leben dafür, der Junge Mann wird getäuscht und lässt sich im Anblick der Sinnlosigkeit des Unterfangens und der Angst des eigenen Sterbens überzeugen, den sterbenden Glass zurück zu lassen. Aber in ihm arbeiten diese beiden Götter bzw. Weltanschauungen bis zum Schluss und am Ende entscheidet er sich für den Gott der Liebe und nicht den des Egoismus. Wenn raus kommt, dass Glass lebt, ist sein Leben verwirkt. Das weiß er und das weiß Fitzgerald. Beide ziehen unterschiedliche Schlüsse. Fitzgerald raubt und flieht, der junge Mann packt aus im Anblick der Trinkflasche, die sie beim Franzosen finden. Das bedeutet für ihn den Galgen. Der Suchtrupp geht los, findet Glass und der wird gerettet.
Das Ende der Heldenreise steht konsequent der Bruch mit dem Rachegedanken, den ich eingangs erwähnte.
Dieser Film ist eine Meditation, eine Anbetung. Und das ohne in meinen Augen großartig zu bewerten oder anzuklagen. Er ist nicht zu fassen für die, die in der Kategorie Gut und Böse denken. Beides kann beides sein. Das ist abhängig vom Standpunkt des Betrachters oder es ist eben gar nichts. Es ist einfach nur. So wie das Leben.
Viele Dinge arbeiten noch in mir nach mehreren Tagen. Ich finde, wenn das bei mir so ist, wars ein guter Film.
Klar gibt es einige Sachen, die merkwürdig wirken. Aber das tut der Gesamtaussage und den vielen Stimmigkeiten keinen Abbruch.
Die Kamera dient dem Film, die Musik und die Sounduntermalung dient ihm, die Schauspieler dienen ihm. Nichts wirkt aufgestzt oder zu dick aufgetragen oder gekünstelt. Das Ding ist einfach nur mal gelungen. Für mich ein würdiger Oskarpreisträger.