macaw hat geschrieben: ↑Di 23 Apr, 2024 19:53
cantsin hat geschrieben: ↑Di 23 Apr, 2024 19:41
Das Problem bei Linux ist, dass Du außer Resolve kaum eines der industrieüblichen kommerziellen Programme für Video- und Bildbearbeitung bekommst, und dass die Open Source-Alternativen i.d.R. deutlich weniger können und eher exzentrische Einzelkämpfer-Programmierer-Projekte sind.
Das stimmt. Aber vielleicht/vermutlich würde sich das nach einiger Zeit ändern, wenn es genügend Nutzer gäbe.
Als Alt-Linuxer (seit 1998...) behaupte ich: nee.
Linux hat eine komplett andere Entwicklungskultur als Windows und MacOS. Bei Windows ist Binärkompatibilität der heilige Gral. Man kann, mit hoher Wahrscheinlichkeit, ein Windows 3.1-Anwendungsprogramm von 1992 auf einem heutigen Windows 11 starten, ohne dass es Probleme gibt. Fast alle Nachteile von Windows erklären sich aus dieser Entwicklungsphilosophie, die aber für Microsoft extrem profitabel ist [weil sie dafür sorgt, dass Microsofts Kunden im System bleiben, auch wenn sie irgendwelche Uralt-Spezialanwendungen haben].
Bei MacOS hat es zwar häufiger Brüche gegeben, aber eigentlich immer nur beim Wechsel der CPU-Architektur (Motorola 68000 -> PowerPC -> Intel Core -> ARM/M1), sowie vor zwei Jahrzehnten beim Wechsel vom klassischen MacOS zu MacOS X. Zudem wurden die Brüche immer durch Emulations- bzw. Virtualisierungslösungen wie Rosetta aufgefangen.
Linux hingegen ist mit Herz und Nieren ein Open Source-Betriebssystem und daher, wie zuvor Unix, nur auf Quellcode-Kompatibilität ausgelegt (und oft nicht mal das). Ein Linux-Binary, das nur 2-3 Jahre alt ist, läuft wahrscheinlich nicht mehr auf einer heutigen Linux-Installation, weil es alte, inzwischen durch neuere Releases abgelöste Versionen von System- und sonstigen Hilfsbibliotheken braucht. Ich habe heute schon mit (dem nur binär distribuierten) Resolve auf einem aktuellen Debian das Problem, dass ich grundlegende Systembibliotheken in alten Versionen auftreiben und in Resolves-Programmverzeichnis legen muss, weil sonst das Programm nicht startet.
Der Vorteil: Linux schleppt praktisch keine Kompatibilitäts-Altlasten mit sich herum, alle aktuellen Programme werden fast immer gegen die jeweils aktuellsten Versionen von System- und Utilitybibliotheken kompiliert.
Außerdem gibt's keine Redundanzen. Wenn Du z.B. mpv und VLC als Videoplayer sowie z.B. Shotcut als Videoschnittprogramm sowie Handbrake und Shutter Encoder als Transcoder auf dem System hast, installieren die nicht (wie bei MacOS und Windows) fünfmal die ffmpeg-Codec-Bibliotheken jeweils in ihren eigenen Programmverzeichnissen (und in leicht abweichenden Versionen), sondern nutzen allesamt dieselbe systemweite ffmpeg-Codec-Bibliotheksinstallation aus dem systemweiten Paketmanagement von Ubuntu/Mint/Debian. Was auch dazu führt, dass die Programme schneller starten und weniger RAM brauchen, wenn sie gleichzeitig genutzt werden.
Darum ist das System insgesamt schlanker und schneller. Aber wenn Du kommerzieller Softwarehersteller bist, der sein Anwendungsprogramm als Binary ausliefert, ist es ein Albtraum, weil es dutzende verschiedene Linux-Distributionen gibt, auf denen jeweils unterschiedliche Versionen der Systembibliotheken vorliegen und es, aus technischen Gründen, keine Binärkompatibilität gibt.