AD Tom hat geschrieben: ↑Di 08 Feb, 2022 12:56
Seit einiger Zeit bekomme ich von Adobe Werbemails mit Titeln wie "Videos erfolgreich und professionell inhouse produzieren!" Sprich: Adobe ermutigt Unternehmen Filmproduktionen zu umgehen und selbst die eigenen Imagevideos, Industriefilme, Socialmedia Beiträge, etc. zu produzieren (um letztendlich noch mehr Adobe-Produkte zu verkaufen). Mal`abgesehen von dem Umstand, ob es sinnvoll ist, mediale Laien ihr eigenes Videoportfolio erstellen zu lassen, stellt sich für uns Videoproduzenten die Frage:
Sollen wir in Folge dessen Adobe (die diese Firma durch unsere jahre-lange Lizensierungen überhaupt erst groß gemacht haben) zukünftig weiter unterstützen? Oder sägen wir damit vielleicht sogar auf dem eigenen Ast auf dem wir sitzen? Ich bin gespannt auf Eure Meinungen!
Hi AD Tom,
tut mir ehrlich leid, dass dieser Eindruck bei dir entstanden ist. Nur damit wir auf das Gleiche gucken – könntest du die Mail hier in den Thread packen oder mir als PM schicken?
Ich arbeite bei Adobe, war davor Filememacher und kenne drei Seiten des Themas: Einmal die als Softwarehersteller, deine Perspektive als Filmemacher/Produzent und die von Unternehmen, die vor der Entscheidung stehen, was sie inhouse machen sollen. Ich hatte vor meiner Adobe-Zeit auch eine Art Agentur, bei der wir Leuten beigebracht haben, simple Videos mit dem Smartphone selbst zu produzieren. Hier ist meine persönliche und ehrliche Meinung (ist etwas lang geworden, hoffe das ist ok):
Ich bin fest davon überzeugt, dass kreativer und gut produzierter Content von Leuten gemacht werden muss, die das richtig gut können und auch dementsprechend bezahlt werden. Qualität braucht Expertise und daran ändern auch KI-Features nichts, oder Smartphones mit besseren Kameras. Auch bei Adobe selbst arbeiten wir mit vielen Agenturen und Produktionsfirmen weltweit, aus genau diesem Grund.
Es gibt aber Arten von Content und Funktionen im Produktionsprozess, die durch Technik einfacher geworden sind.
- Leute können Videos auf ihren Smartphones erstellen. Für manche Dinge reicht es, zB für kleine interne Geschichten oder Event-Impressionen, die schnell gepostet werden müssen. Entspricht das dem Ergebnis einer professionellen Produktion? Nein, auf gar keinen Fall. Aber manchmal entscheidet man sich ganz bewusst dafür, es so machen zu wollen.
- Früher mussten Motion Graphics-Leute für jede kleine Textänderung in After Effects, es anpassen, alles neu rendern, importieren, exportieren. Jetzt kann ich einmal ein gutes MOGRT bauen (und gut verkaufen), das dann Leute anpassen können, die wenig Ahnung von Animation haben. Und jene Motion Graphics-Leute können in der Zeit etwas anderes machen, zum Beispiel das nächste Ding animieren.
- Es gibt auch in professioneller Software immer mehr Starthilfe, um zu Ergebnissen mit zumindest einer gewissen Qualität zu kommen. In Character Animator zum Beispiel ist es jetzt viel einfacher zu starten, ohne selbst in Illustrator/Photoshop die Modelle zu basteln.
- Als letzten Punkt vergiss bitte nicht, dass Kreative auch in Unternehmen arbeiten und dort funktionierende Workflows aufbauen möchten. Ich kenne genügend sehr gute Video- und Fotoleute, die sich eben dafür entschieden haben dort zu arbeiten statt auf "Dienstleister"-Seite.
Meine ganz persönliche Erfahrung ist:
Je mehr ich damals Leuten beigebracht hatte Videos zu drehen, desto mehr Respekt hatten sie davor, was hochqualitative Filmproduktion heißt. Je mehr die Leute selbst schaffen, desto mehr fällt ihnen auf, was alles kaum erreichbar ist. Die meisten möchten das auch gar nicht erreichen, weil sie eben im Marketing arbeiten, in Sales, PR, und so weiter. Mit dem Selbermachen ist sogar das Verständnis gestiegen, dass Kreativität ihren Wert hat. Gleichzeitig brauchen Unternehmen Content, für den sie gar nicht erst das Budget haben. Content, den du wahrscheinlich gar nicht machen wollen würdest. Kreative Profis werden für immer gebraucht werden, um hochqualitativen Content zu produzieren.
Weder mir noch Adobe geht es darum, euch Kreativen etwas wegzunehmen. Wenn wir euch irgendetwas wegnehmen wollen (etwas überspitzt), dann sind das nervige Aufgaben wie das händische Transkribieren von stundenlangem Footage, damit ihr mehr Zeit mit Dingen verbringen könnt die mehr Spaß und/oder Geld bringen. Wenn unsere Mail(s) das anders kommunizieren, dann nehme ich das als Feedback an und gucke, dass wir da besser werden. Danke, dass du es ansprichst!
Offenlegung: Ich arbeite im Produktteam (Pr & Ae) bei Adobe. Beiträge hier sind meine persönliche Meinung.