Jan hat geschrieben: ↑Do 15 Apr, 2021 20:28
cantsin hat geschrieben: ↑Mi 14 Apr, 2021 21:14
Wie gesagt, das wäre nicht so, wenn es bei Deiner RX100 und z.B. einer A7 keine ISO-Regler gäbe, die ja eigentlich nur eine Interface-Metapher bzw. Äquivalenzrechnung zur analogem Fotografie sind, sondern wenn beide Kameras nur ihre native Sensor-Empfindlichkeit als fixe Einstellung hätten. (Kamera-ISO = native Sensorempfindlichkeit + elektronische Signalverstärkung.) Dann hättest Du auf der RX100 tatsächlich bzw. sehr wahrscheinlich ein dunkleres Bild bei gleicher Blende und Verschlusszeit.
Die Fotokamerahersteller "beschützen" ihre Anwender aber vor dieser Tatsache durch das ISO-Userinterface, weil's einfacher ist und so auch klassische Belichtungsmessung weiterhin funktioniert - und weil es anfangs auch ein Verkaufsargument war, dass Digitalkameras gewissermaßen "variable Filmempfindlichkeiten" bieten. In Wahrheit haben sie nur eine (oder bei Dual-Gain-Sensoren: zwei) native Empfindlichkeiten, und ist der Rest (analog ausgedrückt) Push- und Pull-Entwicklung.
Anders ausgedrückt: Wenn Du mit der RX100 ein Bild bei ISO800, 1/100 Verschluss und f2.8 schießt und zugleich mit der A7iii dasselbe Motiv bei ISO800, 1/100 und f2.8, nimmt die RX100 in Wahrheit nur rund ISO100 auf und pusht das Bild im kamerainternen Processing um drei Blenden nach oben (bzw. macht 18db Gainverstärkung), weshalb das Result auch entsprechend stärker rauscht. Im Ergebnis sind dann aber beide Bilder gleich hell/gleich "belichtet" (obwohl eigentlich, hardwaretechnisch gesehen, der Sensor der RX100 drei Blenden unterbelichtet wurde).
Ich hab' das auch erst richtig verstanden, seitdem ich Cine-Kameras wie die Blackmagics nutze sowie andere Kameras mit Log-Profilen (Sony, Fuji), bei denen die nativen Sensor-ISOs klar kommuniziert werden.
Das kann ich nicht glauben, ich habe heute mal aus Spaß absichtlich vier Kameras von nur einem Hersteller genommen mit Sony WX350 (1/2,3"), RX100 (1 Zoll), A6400 (APS-C) und A7III. Alle vier Kameras haben ein Histogramm und zeigten vergleichbaren Werte an. Die WX350 (1/2,3") wollte für eine gleiche Lichtsituation vom Stativ aus 1/30s, F 3,5 und ISO 100 nehmen, die RX100 mit einen Zoll Sensor genau das selbe, die A6400 wollte auch F3,5, ISO 100, aber eine 1/60 nehmen, manchmal sprang sie aber zur 1/50 um, die A7III genau die selben Werte wie die A6400. Das sind dann bei der APSC-C und bei der Vollformat ein Lichtwert mehr als bei der ein Zoll Kamera und der 1/2,3" Kamera. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Kamera komplett andere Blenden und eine komplett andere ISO nimmt, als sie anzeigt, auch bei den Exif-Dateien werden die Werte angezeigt.
Ich lasse mal die lange Quote stehen, weil wir uns einfach missverstehen. Man versteht dieses Thema auch nicht richtig, wenn man keine Kameras gewöhnt ist, die mit nativer ISO-Nomenklatur arbeiten.
Ich probier's noch mal anders:
Deine RX100 hat 20 Megapixel, deine A7iii hat 24 Megapixel, aber der Sensor der RX100 hat nur ein knappes Siebtel (1/7.4) der Oberfläche des A7iii-FF-Sensors. Jeder der Sensorpixel der RX100 fängt also (bei gleicher Blende und Belichtungszeit) nur ein Siebtel der Lichtmenge des A7iii-Sensors ein, wenn man mal davon ausgeht, dass sich ihre Chiptechnologie ansonsten weitgehend ähnelt (=sie ungefähr den gleichen Stand der Sensorchiptechnologie repräsentieren; bei Sony relativ wahrscheinlich).
D.h. dass die native Empfindlichkeit des RX100-Sensors wahrscheinlich knapp 3 Blenden bzw. 60db unter der nativen Empfindlichkeit des A7iii-Sensors liegt. Diese native Empfindlichkeit kann man, genau wie Filmempfindlichkeit, in ISO ausdrücken. (Und im Prinzip ist die RX100 das direkte Äquivalent einer Minikamera mit 16mm-/bzw. Instamatic 110-Film ggü. einer Kleinbildkamera, bei der die Minikamera mit 50 ISO-Film geladen wird und die Kleinbildkamera mit 400 ISO-Film, um annähernd gleiche Körnigkeit/Punktauflösung zu erzielen.)
Wahrscheinlich liegt dann die native ISO des RX100-Sensors bei ungefähr 100-200, und die des A7iii-Sensors bei ungefähr 800-1200.
Am klarsten wird die native ISO bei digitalen Cinekameras kommuniziert, bei der z.B. die Pocket 4K mit ihrem MFT-Sensor eine native ISO von 400 hat und die URSA Mini Pro 4.6k mit ihrem APS-C-Sensor eine native ISO von 800.
Wenn ich mit der 800 ISO-Kamera (wie z.B. der A7iii) eine 100 ISO-Aufnahme mache, wird der Sensor nach dem ETTR-Prinzip zwei Blenden überbelichtet [überbelichten nicht zwangsläufig im Sinne von Clipping!] und durch die das Äquivalent einesKamerasignalverarbeitung eine Gammakurve aufs Bild gelegt, die die mittlere Helligkeit absenkt. Dadurch wird auch das Rauschen in den Schatten vermindert. Wenn ich mit der 800 ISO-Kamera ein 1600-ISO-Foto mache, bleibt die Sensorempfindlichkeit 800 ISO, nur wird in der Kamerasignalverarbeitung 20db bzw. eine Blende Gain hinzugefügt (nach dem gleichen Prinzip wie beim Gain-Regler in Resolve oder dem nachträglichen Belichtungsregler in Photoshop/Lightroom). D.h., hardwaretechnisch habe ich den Sensor eine Blende unterbelichtet.
Wenn ich das gleiche mit der 100 ISO-Kamera (wie der RX100) mache, muss die Kameraelektronik den Gain um vier Blenden (oder 80db) verstärken, um ISO 1600 zu erreichen. Doch eigentlich ist auch hier der Sensor nur mit ISO 100 belichtet, weil er hardwaretechnisch nicht mehr kann.
Das Prinzip ist bei Sensoren im Prinzip das gleiche wie bei chemischen Film - es gibt eigentlich nur eine Filmempfindlichkeit [hauptsächlich abhängig von der Größe des Korns/der Größe der Sensorpixel], und alles andere ist nachträgliche Absenkung oder Erhöhung der Bildhelligkeit (durch Push/Pull-Entwicklung bei analogem Film, oder eben durch Gain/Gamma-Korrektur bei digitalen Kameras).
Wie schon gesagt, kommunizieren Fotokamera-Hersteller i.d.R. nicht die native Sensorempfindlichkeit. (Ausnahme ist hier, indirekt Fuji, denn bei der "DR400"- und "Flog-" Bildeinstellung wird die Kamera immer auf ihre native Sensor-ISO gesetzt; ISO 800 bei den älteren 16MP-Modellen und ISO640 bei den neueren 26MP-Modellen mit ihren kleineren Sensorpixeln.) Es wäre für die meisten Fotografen ja auch verwirrend, statt eines ISO-Reglers einen (technisch korrekteren) Regler zu haben wie:
(für die A7iii:)
-3 [gain/gamma]
-2 [gain/gamma]
-1 [gain/gamma]
ISO 800 [first native ISO]
+1 [gain]
+2 [gain]
ISO 6400 [second native ISO]
+1 [gain]
+2 [gain]
(für die RX100:)
ISO 100 [first native ISO]
+1 [gain/gamma]
+2 [gain/gamma]
ISO 800 [second native ISO]
+1 [gain]
+2 [gain]
+3 [gain]
+4 [gain]
...statt der gewohnten kontinuierlichen Skalen von 100-25600 ISO.
Wobei Dir, als altem Camcorder-Spezialisten, eigentlich die Nomenklatur von "gain" statt ISO noch gut bekannt sein müsste. Die war ja im MiniDV-Zeitalter noch Standard: eine Kamera hatte eine Basisempfindlichkeit, plus mehrere Gain-Stufen mit jeweils höherem Rauschen durch die Signalverstärkung.
Bei digitalen Fotokameras verhält es sich technisch genauso [nur dass die heute verbreiteten Dual-Gain/Dual-native ISO-Sensoren die Sache nochmal komplexer machen]. "Ehrlicher" wäre ein Interface mit Grundempfindlichkeit + Gainstufen wie bei den alten Camcordern.
Nur hättest Du dann das Problem, dass die Grundempflichkeit der RX100 dann tatsächlich sichtbar deutlich geringer wäre als die der A7iii, und Du völlig unterschiedliche Belichtungen erhalten würdest, wenn Du auf beiden Kamera identische Verschlusszeiten, identische Blende sowie jeweils "Gain +2" einstellen würdest.
ISO ist also eine Interface-Metapher, oder Bedien-Brücke, um mit verschiedenen Kameras, die eigentlich verschiedene Sensor-Lichtempfindlichkeiten haben, doch mit weitgehend identischen Parametern und identisch vorhersagbaren Resultaten "belichten" zu können. Das, was wir in der Digitalfotografie "belichten" nennen, ist aber strenggenommen Belichtung-plus-Signalverstärkung (sobald man mit einer anderen als der sensornativen ISO fotografiert).
Wir verwenden heute also "Belichtung" eigentlich metaphorisch: nicht mehr im Sinne von tatsächlicher, optimaler Lichtmenge auf dem Sensor, sondern von optimaler resultierender Bildhelligkeit bei der jeweils eingestellten Kombination von Sensor-Lichtempfindlichkeit + eingestellter Signalverstärkung. [So, als wenn man bei Film-Belichtung eine anschließende Push-Entwicklung gleich miteinkalkuliert und dadurch z.B. einen 400 ISO-Film als 800 ISO-Film belichtet, aber eigentlich unterbelichtet.]
Oder anders gesagt: "ISO" ist bei digitalen Kameras genauso virtuell/teil-simuliert wie ein hypothetisches Smartphone mit Fixblende, dass seine Dosierung von künstlichem/simulierten Bokeh im Interface als Blendenwerte darstellen würde. [Also, stell Dir ein Smartphone vor, dass per Standard auf "f22" steht, und mit einem Regler für "f16, f11, f8, f5.6, f4, f2.8, f2" seine Bokeh-Simulation dosiert, obwohl sein Objektiv hardwaremäßig nur eine Blendenöffnung besitzt. Das macht im übertragenen Sinne auch der ISO-Regler bei digitalen Kameras, der eigentlich Gain und Gamma dosiert. - Und jetzt stell Dir vor, Du hättest zwei Smartphones mit zwei unterschiedlichen Sensorgrößen, die beide aber auf virtueller Blende "1.8" identische Freistellung/Background Blur erzeugen, und du würdest nicht verstehen, wenn jemand behaupten würde, dass das unter der Haube trotzdem nicht das gleiche ist, und dass das Smartphone mit dem größeren Sensor mehr Freistellung hat.]
- Übrigens hat in früheren Zeiten hier im Forum auch WoWu immer gegen ISO und für gain als technisch bessere Nomenklatur gepredigt, aber ich hatte ihn damals noch nicht verstanden.