Hab es jetzt nur auf nem 13" Laptop geschaut, und selbst da wird mir bereits schlecht. Will gar nicht wissen wie es dann erst auf nem TV oder gar auf ner Leinwand ist. Zusammen mit den auffälligen Übergängen hat das den Beigeschmack "wenn man nix zu erzählen hat kaschiert man mit Effekten" - Schall und Rauch.
Ich spreche ganz leidlich Castellano, verstehen tue ich noch mehr, für lateinamerikanisches (i.d.R. langsameres) Spanisch wie in der Serie Narcos muss ich nur selten auf die Untertitel gucken. Aber es geht mir wie dir, kulturell verstehe ich die Spanier nicht. Der Flamenco ist temperamentvoll, ja gut, kapiert. Möglicherweise bin ich (zumal im Vergleich) lahmarschig, aber mir kommt dieser Tremor auch überspannt vor, die klappernden Kastagnetten wie Heulen und Zähneklappern von Totenschädeln. Ich weiß nicht mehr, wer das gesagt hat, aber die Spanier tragen ihre tiefsten Gefühle an der Oberfläche und kaschieren damit ihre Flachheit. Oder wie Melvin (Nicholson) in Besser geht's nicht zu seiner mexikanischen Putzfrau sagt: "Verkaufen Sie Ihren Wahnsinn woanders!" Das so genannte transalpine Mamma-Mia-Syndrom (wie dieser Artikel zeigt macht die Tatsache, dass wir so vergleichsweise verklemmt und introvertiert sind, uns anfälliger für chronische Schmerzen und ein verpfuschtes Leben. Soso) ...klusterdegenerierung hat geschrieben: ↑So 28 Jun, 2020 11:24 Tja, diesmal bin ich nicht so amazed wie sonst, aber vielleicht liegt es auch daran, das ich mich sogar nicht für diese Kultur interessiere ...
Andalusiens Kultur ist, zumindest in den Gegenden, in denen Brandon Li gefilmt hat, stark vom Tourismus geprägt.cantsin hat geschrieben:Aber seine Videos sehen für mich wie Tourismus-Kinowerbung aus, für die niemand bezahlt hat.
Das auch. Und gleichzeitig sehe ich, dass er von der technischen Virtuosität abgesehen vor allem ein Empath ist. Es gibt ein Tutorial, indem er erklärt, wie es kommt, dass er wildfremde Leute auf der Straße nicht nur filmen darf, sondern dass sie auch vollkommen unbefangen wirken. Auf den ersten Blick denkt man vielleicht, aha, er macht das mit Höflichkeit und Charme, aber das allein reicht nicht. Er schafft es innerhalb von Sekunden tatsächlich, Leute zu portraitieren. Auch wenn man den Ton (die Musik) wegschaltet transportiert sein Video Emotionen.cantsin hat geschrieben:Der Mann ist ein begnadeter Kamera- und Schnittvirtuose, der aus einfachen technischen Mitteln maximalen Effekt herausholt.
Schon immer. Seine Kamera musste immer nur "stable" sein, um emotional wirkende Instabilität besonders hervorzuheben. Sieh es dir unter diesem Gesichtspunkt nochmal an.klusterdegenerierung hat geschrieben: ↑So 28 Jun, 2020 11:24Auch hatte er diesmal erstaunlich viel out of focus Szenen sowie verwackler drin, kenne ich sonst nicht so von ihm.
Er möchte keine Schauplatz-Diashow, sondern einen emotional beflügelnden Sinnestaumel ohne Mauern und Geländer. Bei anderen empfinde ich die pausenlosen Zeitrampen und "unmöglichen" Übergänge oft als nervige Mätzchen.klusterdegenerierung hat geschrieben: ↑So 28 Jun, 2020 11:24Die transitions sind natürlich wieder masterclass!
Bayern, wo ich mal ein Jahr in der Landeshauptstadt wohnte, wäre auch nicht meine erste Wahl. Und in München selbst ist man zum Bild des schuhplattlernden Leberknödl-Lederdödel schon recht differenziert-distanziert eingestellt. Aber weiter draußen, sagen wir in Altötting, da ist das schon aus sprachlichen Gründen schwieriger. Käme Brandon Li, der Kalifornier, dorthin und machte ein Reisevideo, es wäre zwangsläufig ein Abziehbild. Leider erschaffen viele Leute, die sich in eigentlich völlig überlebten Kulturtraditionen suhlen, ein Körperfresser-Disneyland. Ihr possierlich-pittoreskes Verhalten wirkt nach außen dumpf und unreflektiert. Aber bevor jetzt hier der ein oder andere sich angegriffen fühlt und zum Krieg gegen Preußen aufruft: ich schrieb "wirkt nach außen".klusterdegenerierung hat geschrieben: ↑Mo 29 Jun, 2020 11:09... wie ich das jetzt rausgehört habe, ist diese Kultur auch nicht Deine erste Wahl, ich verfalle schlagartig in Depressionen.
Das ist aber vielleicht auch, weil du dich intensiv mit Resolve beschäftigst. Ist mir gar nicht aufgefallen.klusterdegenerierung hat geschrieben: ↑Mo 29 Jun, 2020 11:09Auch hatte ich hier das Gefühl, er habe das Colorgrading total verpennt, sieht aus als wäre es Log aus der Cam, wobei man das bei diesen ewig beigen Gebäuden eh nicht sagen kann.
Vielleicht. Andererseits kippt irgendwann gut gemeinte romantische Schwelgerei und wirkt dann degenerativ auf's Zahnfleisch. Wir hatten hier irgendwann einen Thread zu Städte-Imagevideos und wie abgedroschen und bodenlos deprimierend diese waren. Die "einfachen technischen Mittel, [aus denen man] maximalen Effekt herausholt" (cantsin) können diese Welt auch zu einem schlechteren Ort machen.klusterdegenerierung hat geschrieben: ↑Mo 29 Jun, 2020 11:09Ich denke mit Venedig hätte er sich einen größeren Gefallen getan und wäre schon wegen der zu Lande zu Wasser transition der Hit gewesen.
Charme ist etwas, das auch ein Psychopath u.U. erfolgreich einsetzen kann. Das kann man z.B. bei der genialen Patricia Highsmith nachlesen. Brandon fühlt mit. Das sagen seine Filme, man spürt es darinnen. Und er selbst sagt es auch:klusterdegenerierung hat geschrieben: ↑Mo 29 Jun, 2020 11:09Den Bericht wie er die Leute um den Finger wickelt, habe ich auch gesehen und ich denke, es hat sehr viel mit Charme zu tun, dieser betäubt ja geradezu bei ihm. ;-)
QuelleI really enjoyed the vibe there, and I enjoyed the hot, sweaty stickiness of being close to all these people, listening to someone just sing their heart out in this tiny, crowded space ...
Das ist wirklich lustig. Man kann das Menschsein und eigentlich alle Kultur als ein Herumschleppen von Sammelsurium-Werkzeugkisten erklären, die für sich gegenseitig Vorwände zum Einsetzen dieser Werkzeuge liefern.dienstag_01 hat geschrieben: ↑Mo 29 Jun, 2020 11:19Ich finde solche Filme amüsant. Wie sagt man so treffend, für einen Mann mit einem Hammer in der Hand, sieht jedes Problem wie ein Nagel aus.
Hier könnte man sagen, für jemanden, der Special Effects mag, sieht jeder Platz auf der Welt nach einem Spielplatz für sein Effektarsenal aus ;)
Da habe ich mich wohl zu undiferrenziert ausgedrückt.Axel hat geschrieben: ↑Mo 29 Jun, 2020 13:20 Charme ist etwas, das auch ein Psychopath u.U. erfolgreich einsetzen kann. Das kann man z.B. bei der genialen Patricia Highsmith nachlesen. Brandon fühlt mit. Das sagen seine Filme, man spürt es darinnen. Und er selbst sagt es auch:
QuelleI really enjoyed the vibe there, and I enjoyed the hot, sweaty stickiness of being close to all these people, listening to someone just sing their heart out in this tiny, crowded space ...
Ein Soziopath würde einen solchen Satz nachplappern, um für einen normalen oder sogar sympathischen Menschen gehalten zu werden, bei Brandon ist er echt. Er ist, wie jeder passionierte Videot, jemand, der eine innere Welt projiziert, phänotypisch ein introvertierter Typ. Der aber Gefühle liest und mitfühlt und der sich an emotionaler Energie berauscht.
Er hat alle wesentlichen Elemente, welche Andalusische Kultur ausmacht, reflektiert.Frank Glencairn hat geschrieben: ↑Mo 29 Jun, 2020 19:46 Hmmm.. ist der Sinn von so einem kurzen Clip nicht die typische Essenz herauszuarbeiten und nach bigger-than-life zu verdichten? Und wenn es 100 mal kitschiges Cliche ist - warum denn nicht?
Wenn er all das vermieden hätte, was ihr anmeckert, was wäre dann noch übrig geblieben? Eine weitere triviale europäische Stadt mit den gleiche Läden der üblichen Ketten, mit den gleichen Leuten in den gleichen Klamotten die es in jedem H&M auf der Welt gibt, welche die selbe Top10 Musik hören wie alle, die so Tanzen wie alle? Gewöhnlich, gesehen, langweilig, bräsig, realistisch. Wer will denn sowas anschauen?
Ich finde der Brandon macht das schon richtig, und auch richtig gut, wenn man bedenkt das er eine one-man-show ist, mit sehr begrenzter Kontrolle über das was da vor seiner Kamera passiert.