Funless hat geschrieben: ↑Do 30 Okt, 2025 00:49
Der Film kam IMHO gute 30 bis 35 Jahre zu spät, denn all das was die "Fabel" (der Untertitel des Films) in seiner Metaphorik behandelt, ist mittlerweile von der heutigen Realität längst überholt worden. Vor zwei/drei Dekaden hätte der Film aus meiner Sicht eine nicht zu unterschätzende "Brisanz" gehabt aber heute (leider) nicht mehr, jedenfalls merkt man, dass Coppola die Grundidee des Plots schon vor mehreren Jahrzehnten entwickelt hat.
Ähnliches wird ja von Kubricks Eyes Wide Shut gesagt, der als Unterhaltungsfilm kaum funktioniert und als kontroverser Reißer erst recht nicht. Der Film schien aus der Zeit gefallen zu sein, ein nostalgisches, allzu privates Werk ohne Bezug zu irgendwas, was für den Zuschauer interessant oder relevant sein könnte. Eine Adaption eines Romans aus dem Wien Anfang des 20. Jahrhunderts, komplett mit Walzer. Sein Geheimnis, “falls er eines hatte” (Peter W. Jansen seinerzeit über 2001), nahm Kubrick mit ins Grab. Allerdings entstand EWS vor der Mee-Too-Bewegung und natürlich vor dem Epstein-Skandal. Die Geschichte
hinter den kolportierten Sachverhalten des Menschenhändlerrings um Epstein wird durch Vertuschung nur erahnbar. Was sagt sie über unsere Gesellschaft aus? Es gibt eine Kaste der Unantastbaren, für die unsere plebejische Moral nicht gilt, und damit meine ich
gar nicht. Das, glaube ich, ist das Thema von EWS. Wir schlafwandeln vor einem mit LED-Weihnachtslichtern verschmierten Nebel aus vertuschtem Grauen. Die zahlreichen, unübersehbaren Hinweise, die wir bekommen, werden mit Lügen weggewedelt. Keine per se überzeugenden Lügen, denn unsere Naivität, gepaart mit Unaufrichtigkeit gegenüber uns selbst, erlaubt und erleichtert die Akzeptanz. Tom Cruise ist der perfekte Posterboy dieser Unaufrichtigkeit, im wahren Leben auch ein Mister Hyde, mit einem Bein in der Gegenwelt, der Welt der Täter und Monster, heimlicher Chef eines Gehirnwäschekults. Anderseits immer wieder Rollen übernehmend, die ihn demaskieren (im Wortsinn in Vanilla Sky, gut gecastet in Magnolia und Collateral). Kann er sich leisten, denn es ist wie im Märchen von Rotkäppchen. Wie kann man nur so blöd sein, einen Wolf für seine Großmutter zu halten? Man kann nicht nur: es ist der Regelfall. Kubrick vertiefte sich für EWS in die Ursprünge von Märchen und Sagen. Und dass die Ursprünge von Märchen düsterer sind, kann man z.B. recht unterhaltsam auf dem neueren Youtube-Kanal „Opa Schatten“ erfahren.
Megalopolis ist sicherlich prätentiös. Es ist wohl Coppola zu verdanken, der behauptete, ominöse Botschaften zu fürchten, aber wohl, weil er auf der Flucht vor der Seichtigkeit des Seins immer wieder dorthin getrieben wurde, Projektion. „Coppolaworld“ ist aber nicht nur Hurz, sondern wie der Kerkeling-Sketch „Hurz“ eine selbstironische Beschäftigung damit. Wovon können wir träumen, wenn uns das Träumen übelgenommen wird, wenn wir deswegen ausgelacht werden? Von unaufrichtigen und naiven Leuten, die Brot und Spiele wollen und nicht sehen (wollen), in was für einer Welt sie leben.
Na und? Im Fernsehen wird ja auch alles wiederholt ...