ich habe hier insgesamt 7 Stunden Videomaterial aus denen 2 TV-Sendungen je 30 Minuten werden sollen. Das Videomaterial ist technisch wirklich super geworden. Jetzt aber mal eine Frage an Euch: Wenn ihr so viele Stunden Material zum Sichten habt, geht ihr dann nach einem ganz bestimmten Konzept vor, die Stellen, die ihr für eine Doku benutzen wollt, herauszufiltern? Gibt es sowas wie eine Liste mit Punkten 1 - 10 nach dem man besonders effektiv große Mengen an Material sichten kann? Wie macht ihr denn das? Ich habe bisher immer nur 5-Minuten Dokus aus 20 Minuten Material mal schnell erstellt. Dies ist mein erstes "großes" Projekt. Irgendwelche Tips zur effektiven, zeitsparenden, Produktion?
Wenn es 10 Regeln gäbe nach denen man das Material filtern kann,
dann könnte man ja auch einen Schnittautomaten bauen: vorne Material
rein, hinten fertige Doku raus.
Ich fürchte Du wirst nicht drumherum kommen, Dir das Material vorwärts
und rückwärts so oft anzusehen, bis es für Dich klar wird was es sein kann.
7 Stunden Material sind ja überschaubar. Bei den Projekten, bei denen
ich bisher mitgearbeitet habe waren es immer um die 30 Stunden für
45 Minuten am Ende.
Hallo Rudy.
Da das Material qualitativ "super" ist, hast du es wohl schon einmal gesichtet. Falls es vor dem Dreh keinen Drehplan gab, solltest du jetzt ein Expose erstellen, in dem chronolgisch alle Informationen aufgelistet sind, die das Anliegen deiner Doku darstellen. Das kann einfach eine Art "Einkaufsliste" sein, auf ein paar Seiten skizziert. Gehe so vor, dass du nur Elemente berücksichtigst, die deine Story vorantreiben. Schöne Bilder, die irgendwie aber vom eigentlichen Thema ablenken, nehme erst gar nicht in die Liste auf. Nach diesem Plan machst du einen Rohschnitt, d.h. du setzt in einem zweiten Durchgang Schnittpunkte, in denen du grob die Reihenfolge festlegst und überflüssiges Material ignorierst. Es dürften jetzt nicht mehr viel mehr als 1 1/2 Stunden sein. Am besten teilst du die ganze Doku gleich in zwei Teile (zwei Projekte im NLE). Für jeden "Akt" wie Intro, Darstellung der Fakten, Steigerung der Spannung, erster Höhepunkt und "Cliffhanger" für den zweiten Teil, bzw. Outro, lege eine eigene Sequenz an. Auch innerhalb dieser Szenen kannst du - je nach Komplexität der Doku - weiter in sich stimmige und aufeinander aufbauende Sequenzen unterteilen. Stimmt erstmal die Reihenfolge, kannst du an den Feinschnitt gehen.
Diese Vorgehensweise ist logischer und effektiver, als tagelang an einem überwältigenden Intro zu puzzeln, schon quasi im Feinschnitt-Modus anzufangen. Auf diese Weise einen Überblick zu behalten, ist bereits bei zwei Stunden Rohmaterial fast aussichtlos. Und schließlich: Ändern kannst du nachträglich immer noch.
Na und? Im Fernsehen wird ja auch alles wiederholt ...
Vieles von dem Folgenden ist vermutlich klar bzw. du kennst es schon von deinen "kleineren" Produktionen. Aber mehr kann ich dir leider auch nicht weiterhelfen: Wie GAST schon meinte, es gibt leider nicht einfach zehn Punkte, die du nacheinander abarbeitest, um DEN perfekten Film entstehen zu lassen.
Mein Tipp wäre eine Gliederung der einzelnen Szenen (Einstellungen) in Tabellenform o. ä. am PC anzulegen. Je nach Anzahl und Geschwindigkeit eine Sache von 2-4 Stunden (natürlich immer vorspulen, wenn ne Einstellung länger dauert). Du wirst ja alles nach Einstellungen getrennt vorliegen haben (jedenfalls, wenn du nach Timecode trennent gecuptared hast).
In der oben genannten Tabelle notierst du einfach "Überschriften", die du den einzlnen Szenen geben würdest. Diese Überschriften kannst du dann nach Themenblöcken bzw. nach gleichen Einstellungen (welche gefällt am besten?) zusammenfassen. Szenen die fehlerhaft oder sowieso unpassend sind, schmeißt du sofort raus.
Als nächstes kannst du anfangendir eine Art Grundgliederung bzw. Hauptperspektive/Zielvorstellung für den Film anfertigen. Hier ordnest du die einzelnen Themenblöcke zu, sodass auf jeden Fall mal eine Vor-Reihenfolge hast.
Und nun kommt dein Gespür unde Kreativität ins Spiel:
Sortier weiter aus, bis nur noch das drin ist was wirklich nützlich ist bzw. gut in den Zusammenhang sprich zum Rest passt. Jetzt dürftest du höchstens noch 10 bis 30 min über haben (also 1h 10m bis 1h 30m).
Disen Rest sortierts du passend zu deiner Grundgliederung, wobei du je nach Gefühl die Themenblöcke aufbrechen musst, sodass ein harmonisches Ganzes herauskommt.
Achtung:
Bei einem "Zweiteiler" musst du darauf achten, dass die Höhepunkte bzw. die interessanten Einstellungen gut verteilt über BEIDE Teile sind, sonst ist der Zuschauer entweder nach dem zweiten Teil unzufrieden, weil er nicht hielt, was der erste versprach, oder er schaut sich den zweiten Teil gar nicht erst an, weil der erste so *langweilig* war. Also schön verteilen, obwohl der zweite Teil minimal besser gewichtet (mehr oder höhere Höhepunkte) sein sollte, damit es einen wirklichen Abschluss gibt. Dies stärkt die Zusammengehörigkeit der beiden Teile.
Also, das meiste war einfach Grundlegendes, aber vielleicht hat dir ja doch irgendwas irgendwie geholfen (oder jemand anderem, der mit Dokumentationen erst angefangen hat)
Das hilft mir schon viel weiter. Genau dies sind die Erfahrungen und Tips die ich suchte. Werde das alles mal zu beherzigen versuchen. Nochmals, vielen Dank!
Rechtliche Notiz: Wir übernehmen keine Verantwortung für den Inhalt der Beiträge
und behalten uns das Recht vor, Beiträge mit rechtswidrigem oder anstößigem Inhalt zu löschen.