netLOUNGE-DV zur BERLINALE 2004 -- DIE DV-FILME
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Video ist nicht Film



Langsam kann man die typischen „Entschuldigungen“ nicht mehr hören: Auf jeder Pressekonferenz tönt unisono der selbe Satz: „Wir hatten kein Geld für echten Film, also mussten wir auf Video drehen.“ Ja, ja, schon klar. Film ist halt eine teure Sache. Aber warum arrangiert sich kaum jemand mit dem Format, das keiner ernst nehmen will? Schließlich gibt es auch eine Menge Vorteile, wenn man auf Video produziert: Kleine Kameras, schnelle Bildkontrolle, bequeme Nachbearbeitung. Und wer sich etwas mit Beleuchtung beschäftigt, kann es sogar schaffen, dass Video nicht beschissen aussieht. Auch hierfür gab es gelungene Beispiele auf der Berlinale (z.B.World's End / Girlfriend (Sekai no owari).

Was jedoch noch mehr nervt, ist das wahre Ausbleiben der digitalen Revolution. Wo bleiben die kreativen Heerscharen von ambitionierten Regisseuren, die die neuen Möglichkeiten der Videoproduktion mit nie-dagewesenem Inhalt füllen? Man kann heute offensichtlich günstig Filme machen, ohne daß sich die bösen Hollywoodstudios in den Content einmischen, nur scheint dies niemand machen zu wollen. Vielmehr eifern viele Jungregisseure permanent dem teuren Film-Look hinterher. Und scheiten dann oft letzendlich am Inhalt.

Eine wohltuende Ausname zeigten Jörn Hintzer und Jakob Hüfner mit ihrem Film Weltverbesserungsmaßnahmen. Das Genre der Fake-Doku haben zwar schon andere erfunden und wegen der Spielfilmlänge sind in diesem Fall auch kleinere Durststrecken zu überwinden. Dafür bekommt man in sieben Episoden frische Kost geboten, die spontan montiert wirkt. Ein guter Beleg dafür, daß Inhalt gerne vor dem Format kommen darf. Dabei wurde erst gar nicht versucht, dem Video einen Filmlook zu verpassen. Vielmehr wird mit den Formaten gespielt und sozusagen „live“ experimentiert. Da kann dann auch schon mal ein digitaler Fotoapparat die Videokamera ersetzen.

Überhaupt scheinen die Möglichkeiten der digitalen Filmerstellung nicht mehr auf typische Schnitt- und Compositing-Programme begrenzt zu sein. So wurde der „Film“ „Verschwende deine Jugend.DOK“ mit Macromedia Director erstellt. Eigentlich ein Programm zur Produktion interaktiver CDs und Webseiten. Und auch Flash findet als Werkzeug zur Trickfilmerstellung ein immer breiteres Einsatzgebiet beim Film.

Doch die genannten kreativen Ausnahmen bleiben unter sich und treffen offensichtlich weder auf Verleihinteresse noch Massenpublikum. Bleibt also nach wie vor die Frage, wer diese neuen digitalen Möglichkeiten auch mit wirklich frischen Inhalten füllen kann. Die Produktionsmittel sind jetzt in Arbeiterhand, nur die Revolution selbst scheint verschlafen worden zu sein. Aus Mangel an Ideen.   /RS




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