|
|
HEIRATE MICH
R: Uli Gaulke, Jeannette Eggert
Land: Deutschland 2003
Vorführformat: 35mm, 1:1.85, Farbe
Länge: 100 Minuten, 25 Bilder/Sek.
Sprachen: Spanisch, Deutsch
mehr Informationen
|
Irgendwo in Havanna findet in der Silvesternacht 2000 die Verlobung der Kubanerin Gladis mit dem Deutschen Erik statt. [...] Wie es in ihrem Herzen zu jenem Zeitpunkt wirklich aussah, welche inneren und äußeren Beweggründe es waren, die sie alles auf eine Karte setzen ließ, um mit einem Ausländer fortzugehen, das versuchten wir in den darauf folgenden zwei Jahren zu erkunden. [aus dem Forumprogramm]
FRAGE & ANTWORT
1 Wie würden Sie die Ästhetik Ihres Films beschreiben?
HEIRATE MICH ist ein Film nach einer wahren Begebenheit, hat demzufolge starken Bezug zur Realität und ist doch auch ein Stück entfernt von ihr. Die Erzählung ist äußerst direkt und widerspiegelt das Innenleben zweier Menschen aus unterschiedlichen Kulturen auf der Suche nach dem großen Glück. Das gesamte Spektrum menschlicher Regungen wird sichtbar, eine Achterbahnfahrt der Gefühle, ein Auf und Ab von Freud und Leid. Es wird ausschließlich mit den natürlichen Licht- und Raumverhältnissen gearbeitet. Oft "schreibt" die Kamera "mit", wenn die Hauptdarsteller ihre Krisen durchleben, sie ist fast ein unmerklicher Beobachter. Die Akzentuierung und Dramatisierung erfolgt durch eine streng szenische Montage. Die Bilder sind rau und von großer Nähe.
2 Warum entschieden Sie sich, diesen Film auf DV zu drehen?
Uns war bewußt, daß die Geschichte in "Echtzeit" ablaufen wird, d.h. wir schauen nicht aufs Vergangene, sondern bewegen uns auf dem Zeitstrahl der Gegenwart in Augenhöhe der beiden Protagonisten. Das allein erfordert einen hohen Materialeinsatz. Trotz starker Konzentration auf einige Wendepunkte in der Geschichte (Heirat, Abflug/Ankommen, Ausländeramt, Einschulung etc.) wird es auch immer wieder das "Warten" und "Ausharren" und den damit verbundenen Materialfluß geben. Das Wichtigste aber, was wir mit dem hohen Materialeinsatz erreichen wollten, war, daß dieser Film nahezu ohne Interviews auskommt, um im Schnitt eine szenische Auflösung herstellen zu können. Trotz allem hätten wir gerne die visuelle Ebene, die Zwischenräumen des Films (Landschaften, Fahrten, Gänge) stärker betont, sprich mit 16 oder 35mm. Doch dafür fehlte einfach das Geld. Die Hamburger Filmförderung hatte uns abgelehnt und glaubt bis heute nicht an das Projekt.
3 Was war besonders daran, auf DV zu drehen (verglichen z.B. mit 16
oder 35mm)? War es für Sie das erste Mal, oder kannten Sie das Format schon?
Wir hatten schon einmal einen DV-Film auf Kuba gedreht. Der Film WER IST DER LETZTE erzählt von einem schizophrenen Trompeter in der Irrenanstalt von Havanna. Damals gab es kaum Geld dafür und die Entscheidung auf DV zu drehen fiel somit nicht schwer. Doch die Probleme mit dem Format kamen schnell auf den Tisch. Wir kämpften tapfer mit den tropischen Lichtverhältnissen, dem ständigem Überstrahlen beim Wechsel von innen nach außen etc. Da macht das Drehen dann irgendwann keinen Spaß mehr. Unser Folgeprojekt in Kuba HAVANNA MI AMOR drehten wir dann auf Super16mm. Das Kino lebt schließlich auch vom Licht, den Farben, den Interieurs. Das sollte man nie vergessen. DV Filme sind manchmal visuell wirklich eine Qual. Andererseits gibt es den Geschichten eine Nähe und Schonungslosigkeit, die bei all dem Hochglanz oft auf der Strecke bleibt. Bei HEIRATE MICH erreichten wir durch den Einsatz der "kleinen Technik" eine unglaubliche Nähe, das ist ein klares Plus. Darin und in den Zwischentönen liegt die Kraft unseres Films. Aber man muß aufpassen, daß man die Geschichte nie aus den Augen verliert und nur noch "metert". Ein klarer Test für uns war immer, ob wir all das, was gedreht wurde, auch im Kopf behalten hatten. Wenn das nicht mehr der Fall war, legten wir die Kamera zur Seite und fingen an, die Zügel wieder enger zu ziehen.
4 Welches Drehverhältnis hatte der Film?
Für diesen 105min Film sind insgesamt 70 Stunden Material angefallen, also rund 1:45.
5 Hätten Sie im nacherein vielleicht doch lieber ein anderes Format gewählt?
Nein, denn am Ende lebt der Film von dem oben genannten Tagebuchmaterial. Was wir schwer bereut haben, war die Wahl der Optik. Hier sollte man nicht am Weitwinkeladapter sparen und auch überlegen, ob das 16:9 nicht besser mit einem Konverter erzeugt werden sollte, als in der Kamera.
6 Da Sie schon auf DV drehen - würden Sie auch andere
Distributionsmöglichkeiten als die heute etablierten in Betracht ziehen?
Wenn ja, welche?
Ich glaube, derzeit gibt der Transfer von Videomaterial auf Film der ganzen Geschichte noch einen Look, den man erzähltechnisch benutzen kann. Wie gesagt, Film und Video sind immer noch zwei völlig verschiedene Ästhetiken. Da hängt es in erster Linie davon ab, was man erzählen möchte. Und diese Frage geht eben auch bis zum Vertrieb. Mit den derzeitigen Auflösungen und Kontrastverhalten der kleinen Kameras würde ich eine Videoauswertung im Kino auf jeden Fall ablehnen. Das ist die reine Qual. Und die großen Momente im dunklen Kino entstehen eben immer noch aus einem komplexen Zusammenspiel von Inhalt und Form und den kollektiven Sehnsüchten der Zuschauer, das hat auch mit Magie zu tun und natürlich mit dem Talent der Filmemacher. Entweder man schafft es, die Menschen in anderthalb Stunden zu verführen oder nicht. Das wird auch durch Video nicht einfacher.
7 Ein gutes Wort (oder zwei) über DV:
Es schafft eine Freiheit im Denken, eine Unabhängigkeit fürs Machen und ist zugleich eine große Herausforderung für die eigene Disziplin. Denn die Freiheit muß hart organisiert und strukturiert werden, sonst endet sie in einer Materialschlacht und in einem unproduktiven, selbstverliebten und unerträglichen Chaos.
8 Ein schlechtes Wort (oder zwei) über DV:
Es besteht die Gefahr, dass man die erzählerische Disziplin verliert und vergisst, dass Film auch immer noch einer Bildererzählung ist. Am Ende steht man vor dem ganzen Schrott und weiß gar nicht, was man eigentlich erzählen wollte. Aber dann kann man die Kassetten ja neu bespielen, mit besserer Vorbereitung. So hat jeder Vorteil von DV auch seinen Nachteil und umgedreht.
[zurück zur DV-FILM ÜBERSICHT]
[nach oben]
|
|