Generell habe ich seit Dezember 23 auch Anfragerückgänge. Das Winterloch war etwas größer dieses Jahr, bin aber froh, die letzten Jahre viel zu tun gehabt zu haben und im Laufe der Zeit macht einen das auch nicht mehr so nervös.
Ich habe aufgehört versuchen zu wollen, die Branche zu verstehen. Manchmal läuft sie am Puls der deutschen Wirtschaft, manchmal total konträr, hängt auch immer vom Bereich ab, in dem man tätig ist und welche Kunden man hat.
Früher haben mich härtere Zeiten mehr durchgebeutelt, heute bin ich da gechillter, weil die Aufträge kommen wieder rein, wenn man zufriedene Kunden hat, manchmal man muss halt ne Zeit überbrücken.
Wenn man seine Fixkosten für ein Jahr auf der Seite hat, dann kann man das entspannter sehen. Das geht natürlich nicht von jetzt auf gleich, aber man sollte dran arbeiten.
Deshalb sag ich den Berufsanfängern immer, dass sie sich Geld auf die Seite legen sollen und nicht immer das GAS befriedigen ;-)
Nix gegen Equipment kaufen, aber man sollte zusehen, dass es auch eingesetzt und dadurch abbezahlt wird. In der Vitrine oder beim Schülerball eingesetzt, bringts das nicht.
Mich hat es deutlich nach vorne gebracht, eigenes Equipment gekauft zu haben (sowohl neu als auch gebraucht) und mich von Verleihern im Tagesgeschäft unabhängig zu machen. Alles ist abgezahlt, somit habe ich immer Spielraum für Preisgestaltung.
Ich wundere oft über die hohen Fixkosten, die der ein oder andere so hat. Abos, bis der Arzt kommt, hier nen Kredi, da nen Leasingvertrag, schön auf dicke Hose machen, die Hälfte ist nicht abgezahlt, dazu ne teure Wohnung in der Stadt, dann siehts natürlich finster aus, wenn niemand anruft.
Ich rate immer, sich ein zweites Standbein zu schaffen. Bei mir war das schon immer die Postproduktion, das mach ich gerne im Wechsel zur Arbeit am Set. Nur am Set oder jeden Tag am Rechner mag ich auch nicht. Aber ab und zu paar Rechnertage eingestreut zu Dreharbeiten find ich klasse, grad wenn weniger Jobs geboten sind.
Dass die Nachfrage immer noch nicht wieder voll da ist, merke ich daran, dass man sich mit Jobangeboten konfrontiert sieht, die man eigentlich nicht unbedingt annehmen würde, wären die Auftragsbücher voll. Andererseits liebe ich die Abwechslung und probiere gerne mal was Neues aus.
Übrigens ist so eine Flaute auch immer wieder gut für eine Konsolidierung auf dem Markt, zwangsläufig verlassen viele in solchen Zeiten die Branche, das ist gut für die, die bleiben.
Mein "Highlight" letzte Woche: Ich bekam morgens einen Anruf, ob ich einen Kamera-Kollegen bei einer "szenischen" Produktion vertreten könne. Es musste schnell gehen, denn der Kollege erkrankte nachts und in 1h sollte der Dreh starten. Kaum Details am Telefon ausgetauscht, nur die Adresse (MMC-Studios, Köln), dort werden einige Soaps produziert, das wusste ich, denn ich habe dort schon viel gedreht, unter anderem "Alles was zählt" oder "Unter Uns" als Oberbeleuchter und war auch des Öfteren an der zweiten Kamera. Ich dachte mir, so schlimm kann es nicht sein, wir hatten damals immerhin nen Beleuchterstab und Dolly auf Schienen und sonstige Departments, wie man sie bei szenischen Produktionen gewöhnt ist. Probierste es mal aus. Wegen Gage hatte ich erst gar nicht gefragt, dachte mir das regeln wir dann schon und es musste wirklich schnell gehen...
Stunde später war ich am "Set".
Tja, von wegen Banane, es war leider ein neues Pilotprojekt. Irgendein Spin-of einer Richter-Reality-Soap(?) keine Ahnung wie man das nennt.
Keine Beleuchter, Praktikantenstadl, eine Büroetage mit einem Raum, der auf "Richterzimmer" getrimmt wurde (mehr schlecht als recht), mit vorhandener Deckenbeleuchtung (schüttel). Es sollte "real" aussehen (OMG).
Jedenfalls waren wir 2 Kameraleute mit fett aufgeriggten FX9, Mattebox, fettem Zoom, mit 3 Kanal Objektivsteuerung per Wippen/Joystick. Schnelle Lernkurve, weil ungewohnt (Zoom mit dem rechten(!) Daumen, Schärfe ziehen mit dem rechten(!) Zeigefinger ô.Ô), für Umbau war keine Zeit, ging dann aber irgendwie. Jedenfalls standen wir dann mit ner kurzen, verspäteten Mittagspause 11,5h am Set und haben fast nonstop durchgedreht. Die Szenen (zweistellige Anzahl) wurden vorher ganz kurz besprochen und dann direkt gedreht. Ohne Stellprobe. Ohne Kameraprobe. In alle Richtungen. Voll das Ballett mit dem anderen Kameramann abgezogen, dass man sich nicht gegenseitig abschießt und trotzdem schneidbare Bilder bekommt. Alter Vatter. Die Mühle war schwer, wie Hacke und nach 11 Stunden waren wir alle platt.
Mir wurde gesagt, dass alles ganz klasse lief und ich mich schnell und gut eingearbeitet habe, man könne das ja öfters machen... Als sie mich dann fragten, was ich dafür berechnen will, fragte ich, was sie denn sonst dafür bieten.
400 €/10h zzgl. Overtime (!) wurde mir gesagt.
Da hats mich fast aus den Socken gehauen und ich musste wirklich laut lachen.
Ich hab ihm dann gesagt, ich komme ihm entgegen, mit 500+Overtime (was er auch verstanden hat) und dass er mich für solche Gagen nicht mehr anrufen braucht. Das war zwar lediglich ein "Kameraoperator" Job, aber immer noch lausig im Vergleich zu anderen Jobs.
Es war trotzdem interessant diesen "Iasi-Dreh" erlebt zu haben, aber neee, das brauch ich eigentlich nicht.
j.t.jefferson hat geschrieben: ↑Mi 29 Mai, 2024 14:05
Hab ein eigenes Großprojekt letztes Jahr begonnen und mache einfach nur noch Sachen die mir Spaß machen.
...
Situationsbedingt hab ich wieder damit angefangen und durch ne andere Herangehensweise, macht mir der Kram auch auf einmal wieder Spaß
...
Bin jetzt wesentlich glücklicher mit der Arbeit, hab sogar mehr Kohle und mehr Freizeit.
Klingt toll, erzähl doch mal etwas mehr...