Ich schildere ein Beispiel meines Premiere-Freundes, der für einen Reiseveranstalter einen Webfilm über das Angebot in Kambodscha schneiden sollte. Der Veranstalter selbst, sein Haus-
Fotograf und einige Mitarbeiter filmten auf der Tour, was das Zeug hielt. 5D, GoPro, GH4, iPhones, zusammen sechs Stunden Material. Keiner von denen hatte den leisesten Plan, wie das Ganze zusammenpassen sollte, lieferten aber ein schriftliches "Konzept" ab, das die Stationen der Reise beschrieb. Bis auf wenige Ausnahmen waren die O-Töne unbrauchbar, von den On-Kommentaren ganz zu schweigen, wogegen etliche
Bilder sehr schön waren, allerdings nicht sortiert.
Anstatt nun Stunden um Stunden in Premiere zu importieren, sichtete mein Kumpel mit VLC (welches
keine Metadaten anzeigt!) vor, packte den Großteil in einen "Müll"-Ordner und versuchte, den Rest irgendwie in eine chronologische Ordnung zu bringen.
Ich schätze, das wäre in CC eine gute Aufgabe für Prelude gewesen, mit dem er sich aber leider nie befasst hatte (der Film, mit guter Mucke und professioneller Sprecherin, sieht übrigens trotzdem toll aus).
Vorausgesetzt, dass alle Dateien vollständig, d.h. im Zusammenhang ihrer Root-Ordner von den original-Karten gewesen wären (was aber bei den Video-Desperados hier nicht der Fall war), wäre das Sichten
vor dem Import, das Konsolidieren
vor dem Import (FCP X erlaubt bereits Mehrfachauswahlen in Clips im Import-Fenster) und selbstverständlich das rasche Tagging hinterher ein Klacks gewesen. Schon das alte FCP setzte stärker auf Materialorganisation als andere NLEs, und das ist, wenn irgendwas, in FCP X auf die Spitze getrieben. Die Gewöhnung an die magnetische Timeline steht auf einem ganz anderen Blatt. Das vorrangige Ziel beim Umstieg muss m.E. erstmal sein, alle Möglichkeiten des
Browsers kennenzulernen und dir parallel zu überlegen, wie du sie nutzen willst. Der - im Vergleich zu Premiere - barrierefreie Zugriff auf alles Footage durch den Skimmer verleitet, wenn man ehrlich ist, jeden dazu, "sofort loszulegen". Widerstehe dem.
Wie die Vorposter schrieben, ist der Workflow in FCP X nicht in Stein gemeißelt. Es ist aber sinnvoll, sich vorher Gedanken zu machen. Eine Mediathek für einen Auftrag erscheint mir aber naheliegend. Man kann auch für jede Szene ein eigenes Ereignis anlegen, sogar ein eigenes Projekt. Ereignisse sind in diesem Fall wie Unterordner des "Log-Bins", der Mediathek. Ordner muss man öffnen, um reinzugucken, nackte, gut getaggte Clips nicht. Vor allem kann man Clips mehrfach taggen! Völlig sinnlos wäre m.E. im oben genannten Beispiel das manuelle Sortieren nach Kameras. Sinnvoll wären dagegen Tags erster Instanz nach, zum Beispiel,
Phnom Pen,
Angkor Wat und
Mekong. Im zweiten Durchgang kann man (mit Shortcuts) nach Landschaft, Essen, Menschen, Busfahrt, Interview oder so taggen (die automatische Analyse nach den Bildinhalten lasse ich hier jetzt mal außen vor, habe ich selbst nie probiert). Man kann Clips oder Auswahlen daraus auch noch sehr rasch
favorisieren oder ablehnen.
Quickstart-Guide für die magnetische Timeline:
1. Mache einen rasch hingepfuschten Rohschnitt in der einen "Spur", indem du Auswahlen aus dem Browser
nur mit der e-Taste (=Clip ans Timelineende anhängen) in die Sequenz kopierst. Lösche, trimme, verschiebe (letzteres die größte Umgewöhnung für Alt-Cutter, widerstehe trotzdem zumindest anfangs der p-Taste, die den Magnetismus aufhebt, solange du sie gedrückt hältst und die dir erlaubt, Clips zu überschreiben und Gaps zu erzeugen. Sonst wirst du mit FCP X nicht warm).
2. Sieh diese Rohfassung als das Skelett an, die grobe Struktur, die Schnur, auf der du die Perlen aufziehst. Kümmere dich noch nicht um Details.
3. Polstere alles aus mit der q-Taste. Diese verbundenen Clips lassen sich straflos verschieben, löschen und endlos übereinanderstapeln.
Viel Spaß!