dienstag_01 hat geschrieben: ↑Mo 08 Jul, 2024 11:24
Es ist schon einigermaßen bemerkenswert, wie du in einem Post ISO die Berechtigung absprechen kannst, im anderen aber genau auf diese Werte die Beurteilung von Fotograf vs Videograf stützt.
Nee, wenn man es langsam auseinandernimmt:
- ISO selbst ist eine problematische Nomenklatur (= Kompatibilitätskrücke zu analogem Film, die nur für sRGB normiert ist, und hinter der sich eine unklare und je nach Kamerahersteller und -Modell verschiedene Vermischung von Gamma und Gain verbirgt). Im Idealfall würde die Kameraindustrie ISO in die Tonne treten und stattdessen wie zu alten Videokamerazeiten Gain in dB verwenden.
- Wir müssen aber nunmal mit ISO leben, und dann folgt:
- Heutige Hybridkameras geben Fotografen und (Log-)Videografen verschiedene Base-ISOs, die trotzdem auf Raw-Ebene identisch sind (ISO 800 in Foto-sRGB ist dasselbe wie ISO 800 in Video-Log, wenn in beiden Fällen Raw aufgenommen wird). Hier gehen die Kamerahersteller von unterschiedlichen Belichtungskonventionen für Stand- und Bewegtbild aus: maximal "dichte" (ETTR-) Bilder für Foto/sRGB, insgesamt stärker rauschende Bilder mit sachterem Highlight-Rolloff für digital Cinema/Log. Beide Konventionen lassen sich jeweils umgehen: durch ETTR-Belichtung bei Log, oder durch höhere ISOs bzw. herstellerspezifische Kameramodi wie Fujis "DR400" bei Foto/sRGB.
Zumal du selber zitierst, dass es kein Tool in der Kamera gibt, das Clipping (in RAW) anzeigen.
Nur in Foto- bzw. Hybridkameras bei sRGB/Adobe RGB-Aufnahme, worauf sich der DPReview-Artikel bezieht. Das ist tatsächlich ein Problem. Bis heute gibt es AFAIK keine Fotokamera mit Raw-Histogrammen, und Dir wird immer nur die Belichtung der drübergelegten sRGB-LUT angezeigt. Deswegen freuen sich ja Fotografen, wenn in Raw Bildteile auf magische Weise nicht geclippt sind und "sich zurückholen lassen", die laut Kamera bei der Aufnahme geclippt waren.
Bei Cinecams, selbst den billigsten von Blackmagic, hast Du dieses Problem nicht, da kriegst Du Raw-Histogramme, Raw-Zebras und Raw-Waveforms, und ISO als bei Raw nicht-eingebackenen Metadaten-Wert. Ist tatsächlich noch eines der Gebiete, bei denen Cinecams noch reale Vorteile ggü. Hybridkameras haben. Bei Video-Raw-Aufnahme mit externen Recordern zeigt Dir zumindest der BM Video Assist auch Raw-Belichtungsanzeigen an (bei Atomos Ninja kenne ich mich mangels Praxiserfahrung mit ProRes Raw nicht aus).
Wenn man nur fotografiert, kann man kann das Fehlen der Raw-Belichtungsanzeigen in der Kamera aber mit einem Hack umgehen - und zwar lustigerweise dadurch, dass man Raw in Log-Bildprofilen fotografiert (bei den meisten Hybridkameras geht das) und dann kamerainterne Histogramme erhält, die äquivalent zur physischen Sensorbelichtung sind (statt zur drübergelegten sRGB-Kurve).
Der DPreview-Artikel, der schon einige Jahre alt ist, dokumentiert übrigens, dass auch Fotografen gerne Raw-basierte Belichtungsanzeigen in ihrer Kamera hätten und zumindest einige von ihnen ISO in die Tonne treten wollen. Aber die Foto-Kameraindustrie ist da halt konservativ bzw. fürchtet ihre konservative und z.T. auch bejahrte Klientel, die kollektiv aufschreien würde, wenn sich die Digitalkamera nicht mehr wie früher, bzw. in der Fotografen-Ausbildung gelernt, mit dem externen Belichtungsmesser belichten ließe.
Digitalkamera-ISO ist strenggenommen eine Belichtungsmesser-Kompatibilitäts-Emulationsfunktion, so, wie die immer noch mitgeschleppte Kompatibilität zu DOS und 16bit-Windows 3.x bei heutigen Windows-Versionen.