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Filmtip: "Enter the void" von Gaspar Noe

Verfasst: Do 26 Aug, 2010 19:15
von jogol
"Enter the void" wird wohl nur in ein paar Kinos in Deutschland gezeigt werden und nach nicht allzu langer Zeit aus den Programmen verschwinden. Ein Film wie ein Drogentrip durch das abgründige, nächtliche Tokio. Gaspar Noe ist ein extremistischer Filmemacher, gegen den Lars van Trier wie ein philantropisches Marmeladenbrötchen wirkt. Wer seine Filme "Irreversibel" und "Menschenfeind" gesehen hat, weiß wovon ich rede. Gnadenlose Abstiege in die Finsternis in grandiosen Bildern. "Enter the void" soll schon etwas "netter" sein, was bei Noe aber nicht bedeutet, daß der Film nicht gewalttätig und pornografisch ist. Kein Popkornkino, nix für Kinder oder Leute mit schwachen Nerven. "Menschenfeind" und "Irreversibel" haben mich tief beeindruckt, mir aber auch tagelang den Schlaf geraubt. Sollte man sich als Cineast nicht entgehen lassen.

Re: Filmtip: "Enter the void" von Gaspar Noe

Verfasst: Fr 27 Aug, 2010 11:08
von seelisch
Der lief auf dem Fantasy Filmfest in Hamburg. Sehr empfehlenswert, wenn auch sehr anstrengend. Wer sich ernsthaft für Filme interessiert, sollte sich das Ding auf großer Leinwand geben.

Re: Filmtip: "Enter the void" von Gaspar Noe

Verfasst: Fr 27 Aug, 2010 11:31
von Axel
seelisch hat geschrieben:Wer sich ernsthaft für Filme interessiert, sollte sich das Ding auf großer Leinwand geben.
Nach der Mahnung hab ich mir den Trailer auf YouTube angesehen, und ich bin schon jetzt süchtig.

Bedeutet leider für mich kleine Leinwand, mieser Ton und etwa alle zwanzig Minuten ein völlig anderer Bildeindruck: Das Uralt-Kino, in dem er hier läuft, führt noch im Zwei-Maschinen-Betrieb vor, wie bei Colombo gezeigt.

Im Trailer auch zu sehen: Einsatz der gerade hier diskutierten Tiltshift-Totalen-Verniedlichung. Gegen den Strich gebürstet, nimmt mich gleich für den Film ein. Danke für den Tip.

Re: Filmtip: "Enter the void" von Gaspar Noe

Verfasst: Fr 27 Aug, 2010 12:07
von seelisch
Oh ja, formale Dinge gibt es en Masse zu bestaunen...

Re: Filmtip: "Enter the void" von Gaspar Noe

Verfasst: Mo 30 Aug, 2010 01:26
von Axel
Das Publikum des Programmkinos glaubte zu wissen, worauf es sich einlässt, aber man kann auf einen so konsequent alle Konventionen verachtenden Trip nicht vorbereitet sein, weder ästhetisch noch moralisch. Der Filmemacher versucht, die "Pforten der Wahrnehmung" aufzustoßen. Diese sind so gut bewacht und ihre Scharniere so rostig, dass man beim Stoßen nicht zimperlich sein darf. Dass Blut fließt, ist fast tröstlich, denn zumindest hat man das ja schon gesehen. Nicht wegen Brutalität ist Enter The Void nichts für jeden. In einer abstrakten Vision sieht der Held zu Anfang ein wunderschönes, medusenartiges Gebilde, eine tentakelbewehrte Kuppel, deren Zentrum leidenschaftslos zurückblickt. Dieses Zentrum, um das der Blick fortan schweifend kreist, in das er fällt und von dem er ausgespuckt wird ("The Void"), scheint böse zu sein, das Herz der Finsternis. Doch es ist eben die Finsternis, vor der sich unsere dummen Menschenherzen fürchten: Die unermessliche Tiefe unter der dünnen Kruste unseres alltäglichen Daseins, vor der uns schwindelt. Ein unbeschreiblich schöner Film.

P.S.: Den Film gibt es nur digital.

Re: Filmtip: "Enter the void" von Gaspar Noe

Verfasst: Mo 30 Aug, 2010 03:25
von jogol
Axel hat geschrieben: Doch es ist eben die Finsternis, vor der sich unsere dummen Menschenherzen fürchten: Die unermessliche Tiefe unter der dünnen Kruste unseres alltäglichen Daseins, vor der uns schwindelt. Ein unbeschreiblich schöner Film.
Wunderschön beschrieben Axel.

William Blake sagt: "Würden die Pforten der Wahrnehmung gereinigt, erschiene den Menschen alles, wie es ist: unendlich."
Gaspar Noe kratzt mit seinen Filmen konsequent an der dünnen Firnis, die uns vor dem Nichts und der furchteinflößenden Leere schützt.