-paleface- hat geschrieben: ↑Mo 30 Okt, 2023 09:29
Hat jemand für mich vielleicht ein paar Sätze zur aktuellen Fotolage?
Als ziemlicher Fotokamerafreak würde ich sagen, dass heute jede Kamera gute Fotos macht. Wirkliche technische Unterschiede gibt's noch beim AF, wo Sony und Canon klar führen (aber auch nur, wenn's um Tracking-/Continuous-AF, Augen-/Gesichtserkennung und AF bei extremem Schwachlicht geht), ansonsten zählen IMHO bei Kameras nur noch Bedien-Ergonomie (immer subjektiv...) und ggfs. Tauglichkeit für spezifische Einsatzzwecke (wie z.B. Sportfotografie, Fotojournalismus, Studiofotografie, Outdoor-/Tier-/Wildlifefotografie, Reisefotografie, Familienfotografie, Eventfotografie).
Was ich mir nur wünsche:
- Vollformat
- Langer Akku
- Spritzasser geschützt
- Guter AF (Aber da ist Canon ja eh gut)
- Wenig Rauschen bei hoher ISO
Meine Empfehlung, wenn ich diesem Pflichtenheft folge: Jede halbwegs aktuelle Kamera mit +/- 24 MP Vollformat-Sensor, weil Du da die beste Balance zwischen Auflösung, Rauschverhalten und vor allem Sensorauslesegeschwindigkeit [z.B. hinsichtlich rolling shutter und banding beim Fotografieren mit elektronischem Verschluss] bekommst. Bei Canon landest Du dann bei der R8 oder R6/ii.
Ich würde aber an Deiner Stelle erstmal von den Objektiven ausgehen, die Du verwenden willst, bzw. dem Objektiv, das Du als Brot- und Butterobjektiv verwenden willst. Ich fotografie z.B. am liebsten mit 40mm-Festbrennweiten, was eigentlich ein starkes Argument für eine Sony A7c/ii mit Sony FE 40mm/2.5G wäre, oder für eine Nikon Z5/6/ii mit Nikkor Z 40mm/f2. Bei Canon und Panasonic/L-Mount gibt's nichts direkt entsprechendes (nur das Sigma 45mm/2.8 für L-Mount). Daneben kann ich mit dem ultrakompakten und IMHO bildqualitativ sehr guten Sigma 28-70mm/2.8 eigentlich alles fotografieren, was ich dokumentarisch fotografieren will (es sei denn, bei Events/Nachtszenen in extremem Schwachlicht, für die man f2-Objektive braucht). Dieses Objektiv gibt's aber nur für E- und L-Mount, das vergleichbare Tamron 28-75mm/2.8 nur für E- und Z-Mount (letzteres teurer und mit Nikon-Branding).
Sowieso sollte man bei Canon die Objektivlage unbedingt berücksichtigen. Wenn Du bereits EF-Objektive hast, die Du adaptieren willst, ist das natürlich ein starkes Argument pro Canon. Ich würde aber keine Canon R-Kamera kaufen, um dann extra dafür neue (bzw.: alte...) EF-Objektive zu kaufen. Ansonsten ist die Lage bei nativen R-Objektiven ziemlich dünn; IMHO extrem zweigeteilt zwischen eher anspruchslosen Consumer-Plastikobjektiven, die immer noch relativ teuer sind, sowie Profi-Objektiven auf Leica-Preisniveau. Und da Canon für den R-Mount keine Dritthersteller zulässt, wird sich da auf absehbare Zeit nicht viel ändern.
Aus meiner Sicht ist ein echtes Killer-Argument
für die aktuellen Canon-Spiegelloskameras deren "Fv" ("Flexible Priority")-Modus, Erklärung
siehe hier. Den hätte ich gerne an jeder Kamera aller Hersteller und ziehe ihn den klassischen P/A/S/M-Modi klar vor. Den "Fv"-Modus gibt's auch bei der von @dienstag genannten älteren EOS RP, die Du gebraucht z.B. bei mpb ab 730 EUR bekommst. - Sowieso würde ich einen Gebrauchtkauf bei einem Händler mit Garantie erwägen. Auch eine Sony A7iii, Nikon Z6 der ersten Generation oder Panasonic S5 der ersten Generation (alle drei mit demselben Sony 24MP-Sensor) sind als Fotokameras super und liegen gebraucht bei knapp über 1000 EUR.
Was mich bei allen Canon- (und auch Fuji-) Kameras stört, ist, dass sie keinen Spitzlicht-Clipping-schützenden ("Highlight Priority")-Belichtungsmodus bieten, der bei anderen Herstellern wie Sony, Nikon und Panasonic immer dabei ist. Ich selbst schieße hauptsächlich mit Blendenvorwahl [Aperture Priority/A] + Auto ISO und wechsele je nach Motiv zwischen klassischem Multi- und Highlight Priority-Metering.
Und noch ein Ding: Ich würde auch APS-C nicht kategorisch ausschließen. Wenn Du Raw schiesst, Dein Processing mit den aktuellen Versionen von Lightroom oder DxO Photolab machst und deren neue KI/machine learning-basierten Entrauschungsalgorithmen verwendest, gewinnst Du mindestens eine Blende nutzbare Lichtstärke und kannst auch mit einer aktuellen APS-C-Kamera mit 24MP- oder 26MP-Sensor auf ISO 3200-6400 gehen. Z.B. ist eine gebrauchte Sony A6600 oder neue A6700 mit einem Sigma 30mm/1.4 ein extrem fähiges und dabei kompaktes Kit (das ich z.B. einer FF-Kamera mit Kitzoom vorziehen würde). Canon hat ebenfalls gute APS-C-Bodies wie die R10 und R7, aber leider keine guten APS-C-R-Mount-Systemobjektive.
Eigentlich kann man Dir aber nur den Tip geben, eine Kamera mal auszuleihen. Ich bin selbst bei meiner Panasonic S5 (erste Version) als Hauptkamera gelandet, weil mein Verleiher die Kamera, die ich eigentlich wollte, nicht vorrätig hatte und mir die S5 als Ersatz gab. Ich war dann extrem positiv überrascht von deren Ergonomie (sowohl hinsichtlich des Gehäuses und Bedienelemente, als auch der für mich relevanten Killerfunktion, dass die Custom Modes der Kamera wirklich
jeden Konfigurationsparameter [=alles, was sich irgendwie im Menü einstellen lässt] speichern, so dass man sich auf C1/C2/C3 im Prinzip völlig verschiedene 'Kameras' legen kann, die Kamera beim Ein- oder Umschalten immer auf die ursprünglich gespeicherte Konfiguration zurückgeht und sich daher nicht verstellen kann) und bin dann bei ihr geblieben [auch wenn deren ansonsten sehr präziser Single-AF im Lowlight versagt].
EDIT:
Hier mal ein Praxisbeispiel dafür, dass eine APS-C-Kamera mit modernerem Sensor (Sony A6600/A6700) im Lowlight/High ISO-Rauschverhalten nicht schlechter sein muss als eine FF-Kamera mit älterem Sensor (Canon EOS RP), auch ganz ohne KI-Entrauschung:
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