wolfgang hat geschrieben: ↑Sa 15 Jul, 2017 08:19
Es erscheint mir nahezu unmöglich, jemanden der leider nur 2D sehen tatsächlich für ihn nacherlebbar zu erklären was der Unterschied zu 3D für mich als 3D sehender sein kann. Leider.
Ja, das ist so. Aber, es ist allgemein doch wahrscheinlich so (ich bin kein Fachmann, aber vermute es stark), dass wir fernab von den physikalischen Grundlagen der Wellenlängen und der Optik unter Umständen komplett anders sehen. Sprich, Sehen ist ein individueller Vorgang. Ich kann ja in der Regel keine Farben erklären. Wenn ich sage Rot, dann habe ich das Rot vor Augen, das ich sehe, nicht etwa jenes, welches ein anderer sieht. Angenommen ein Mensch würde beim Betrachten einer grünen Wiese das sehen, was ich als Rot sehe, dann wäre mein Rot für ihn Grün und ich könnte ihm nicht zeigen oder erklären, was ich sehe. Ich kann einem blind Geborenenen auch keine Farbe erklären, mehr noch, ich kann grundsätzlich keine Farbe erklären und jeder von uns weiß nicht genau, was der andere wirklich sieht. Klar, wir haben physikalische Grundlagen der Farbenlehre, aber dazu kommt ja das, was unser Gehirn aus dem Sehvorgang macht.
Wenn mir also räumliches Sehen fehlt, was ich als Defizit empfinden würde, wenn ich räumliches Sehen kennenlernen würde, dann empfinde ich es nicht als Defizit, wenn ich es niemals kennengelernt habe. Mein Bruder ist z.B. grün-rot-blind, d.h. er sieht den Unterschied zwischen bestimmten grünlichen und rötlichen Farbtönen nicht. Er hat aber einen Farbfernseher. Er kennt es halt nicht anders und empfindet es nicht als Defizit. Dafür sieht er buchstäblich einer Fliege in den hohlen Zahn. Er sieht feinste Details, die ich nicht mehr wahrnehme, z.B. ein hochfliegendes Flugzeug. Dafür habe ich offensichtlich ein sehr gutes Farbdifferenzierungsvermögen. Ich erinnere mich an ein Gespräch mit jemanden, der nur eine Farbe sah, bei zwei für mich unterschiedlichen Türkisfarbtönen (es war nicht mein Bruder). Für mich war das ein geringer aber deutlicher Farbunterschied. Der andere sah keinen Unterschied. Ich vermute daher eben, dass wir individuell sehen und das Gesehene adaptieren und uns natürlich nicht vorstellen können, wie ein anderer es sieht. Von daher nehme ich an, dass es vielleicht auch eine Basis fürs Sehen gibt. Hell-Dunkel-Unterschiede im Schwarz-Weiß-Film wird jeder differenzieren können, der sehen kann - Licht und Schatten. Meine ganze Kindheit hindurch habe ich so ferngesehen. Wir hatten nur einen Schwarz-Weiß-Fernseher. Die Filme dürften also für meinen grün-rot-blinden Bruder und für mich relativ identisch zu erleben gewesen sein. Mit Farbfernsehern dann wohl nicht mehr, aber keiner von uns hat es gemerkt, dass der andere etwas anderes sah. So wird es nun auch mit den 3D-Fernsehern sein. Niemand erlebt es als Defizit, wenn er etwas nicht sehen kann, was ein anderer sieht, wenn er es nicht kennt.
Und nochmals zum 3D-Sehen. Da vermute ich mal, dass es auch nicht einfach nur so ist, dass jemand es sehen kann und andere es nicht. Ich denke, auch da gibt es vielleicht fließende Übergänge. Ich habe ja mal dieses 3D-Erlebnis gehabt an einem 3D-Fernseher mit einer Shutterbrille. Es war für mich offensichtlich irgendwie sichtbar, dass da was anders war, als ich es sonst seh. Es war damals ein Fisch, der sich im Meer bewegte und ich sah, wie er auf mich zu und quasi aus dem Fernseher heraus schwamm. Ich kann das gar nicht richtig erklären. Es war anders aber irgendwie für mich unnatürlich, denn ich habe niemals einen Fisch aus dem Fernseher oder gar aus einem Aquarium heraus schwimmen sehen. :D
PS:
Achso, ich wollte ja auch noch mal was zu den Emotionen sagen, die wir beim Sehen erleben. Ich denke, auch diese sind vollkommen unterschiedlich hinterlegt. Emotionen können entstehen, wenn man mit einem Erfahrungshintergrund ein Geschehen betrachtet, das einen dann auf Grund des Erfahrungshintergrundes berührt. Emotionen können aber auch durch Überwältigung durch optische Reize entstehen. 3D hat nach meinem Dafürhalten nur bei dem zweiten Fall einen Sinn. Wenn ich zum Beispiel einen Film sehe wie "About Smith" einen meiner Lieblingsfilme, dann habe ich Emotionen aus dem Hintergrund des ersten Falls. Ebenso, wenn ich Musik höre, die mich emotional berührt. Dazu kann ich die Augen auch ganz schließen. Oder wenn ich ein Buch lese. Da muss ich zwar die Augen öffnen, aber ich sehe nur schwarze Buchstaben auf weißem Grund, nichtmal Bilder. Die entstehen in mir. Ich kann mir nicht vorstellen, dass z.B. Filme wie "About Smith" in 3D mehr Wirkung hätten als in 2D. Ich könnte mir sogar sehr gut vorstellen, dass das Gegenteil der Fall wäre. Man könnte bestimmte Filme mit 3D kaputt machen.
Aber nun dieser zweite Fall, wo Emotionen durch optische Reize hervor gerufen werden, Massenszenen, Totalen, die einen erschlagen sollen, große Paläste. Da hat das 3D sicher seinen Sitz für Leute, die es sehen können. Die es aber nicht sehen können, erleben trotzdem auch diese Wirkung, wenn die jeweiligen Szenen gut umgesetzt sind. Wie oben gesagt, kennen sie es ja auch nicht anders, so dass sie 3D da eben nicht vermissen werden.