da hilft ein gut dosierter pro-mist wunder...;-) auch als post dfx-effekt...Axel hat geschrieben: ↑Do 28 Nov, 2019 09:00 Die Tschechen und ihre Märchen!
Auf Kamera/Post - Seite ist kein besonderer Look erkennbar. Natürlich sind Set Design und Kostüme farblich sehr pittoresk, wie aus einer Märchenbuch-Illustration. Sehr starker sDoF und in sehr vielen Shots. Vor allem anfangs oft Highkey-Gegenlicht, durch Set-Vernebelung betont. Das führt zu plastisch wirkenden Pastelltönen, vielleicht meintest du das mit Look. Miete dir für einen Tag eine Nebelmaschine und probier's aus. Geht mit jeder Kamera. Der einzige "Kniff" in der Post ist, dass man entgegen sonstiger Gewohnheiten den Kontrast nicht ausreizt, weil das die märchenhafte Wirkung teilweise wieder aufhebt. Nicht zuletzt sind digitale Anti-Fog-Filter in erster Linie Kontrastverstärker.
Na gut, mal sehen:
Darth Schneider hat geschrieben: ↑Fr 29 Nov, 2019 04:28 Also dieses tschechische Märchen ist viel, viel besser und der Filmlook auch, das obwohl der Film von 1973 ist und ganz ohne Pro Mist, oder sonstigen digitalen Spielereien.
Was uns jetzt was genau sagt?Darth Schneider hat geschrieben: ↑Fr 29 Nov, 2019 12:30 ...
Aber dennoch schauen viele Tschechen das Märchen jedes Jahr um Weinachten immer wieder...
Gruss Boris
Die Büchse mit der Unterscheidung von Auflösung und Schärfe öffne ich jetzt nicht, ich lüpfe nur kurz den Deckel: man kann davon ausgehen, dass spätestens seit dem Tonfilmzeitalter Optiken und Emulsion *mindestens* HD erlaubten (wenn es auch zu ihrer Zeit selten als solches betrachtet werden konnte >Distributionskette).
Warum sagt man, dass die Tschechen die schönsten Märchenfilme drehen? Ich glaube, es ist eine Mentalitätsfrage. Die Hauptzutat sind gar keine Schauwerte oder perfekte Bilder, sondern Nostalgie. Sie sehnen sich nach der guten alten Zeit, wohl auch weltanschaulich. Die Heldin und spätere Prinzessin mag noch so klug sein, letzten Endes sehnt sie sich auch 1973 in die 50er Jahre zurück. Der Film wirkte bestimmt schon zu seiner Zeit altbacken, wie ein Weihnachtsteller mit Spekulatius und Printen vom Vorjahr. Stilistisch war er jedenfalls nicht auf der Höhe der Zeit (Kinoprogramm 1973? Schrille Regelüberschreitung, Gesellschaftskritik, ordentlich durchlüften vom Mief der vergangenen Jahrzehnte), sondern romantisch und rückwärtsgewandt.
Weltanschaulichen altbacken?! Den emanzipatorischen Ansatz muss man dir wie servieren? Auf m Hitchcock-Tablett? Die Jagd-Szene mit den Prinzen ist schon fast eine kleine (sozialistische) Utopie. Und die Unbekümmertheit des Mädchens ist herzergreifend. Dem ganzen Film ist eine Lust am Erzählen anzumerken, krass, das nicht zu sehen.Axel hat geschrieben: ↑Fr 29 Nov, 2019 14:59Die Büchse mit der Unterscheidung von Auflösung und Schärfe öffne ich jetzt nicht, ich lüpfe nur kurz den Deckel: man kann davon ausgehen, dass spätestens seit dem Tonfilmzeitalter Optiken und Emulsion *mindestens* HD erlaubten (wenn es auch zu ihrer Zeit selten als solches betrachtet werden konnte >Distributionskette).
Es genügt, zu sagen, dass wir heute Filmklassiker in besserer Qualität sehen können als sie zu ihrer Zeit in die Kinos kamen. Dazu werden sie, wenn sich der Aufwand lohnt, digital restauriert. Mit Farben und Restauration ist es so eine Sache. Von den Tempelanlagen in Knossos, die 2100 v.Chr. errichtet wurden, ahnte man früh durch kontextuelle Hinweise (u.a. Homer), dass sie wohl farbenfroh waren und nicht, wie die Ausgräber Schliemann und Arthur Evans sie vorfanden, gipsweiß. Evans empfand es als eine Sünde, sie weiß zu lassen und malte sie an:
Nicht gaaanz so lange her ist Michelangelos Sixtinische Kapelle. Man weiß ganz sicher, dass die Farben über die Jahrhunderte verblasst sind, aber in welchem Ausmaß und welche Pigmente besonders, das kann man nicht mehr mit Sicherheit sagen. Sie von Ruß reinigen? Klaro. Sie übermalen? Unmöglich.
Die Restaurierung selbst eines Technicolor-Films, dessen Farben durch drei SW-Negative getrennt waren, ist eine Mammutaufgabe. Und Fischen im Trüben. Wir hatten hier irgendwann die Restaurierung von Vertigo, offiziell der beste Film aller Zeiten. Die einzige Farbe, der man sich sicher ist, ist das Grün einer Ford-Limousine, da es die Industriefarbe noch gibt. Aaaaber:
Der Umfang moderner Gradingprogramme und dämlicherweise Plugins wie "Filmconvert" (das klassische Filmemulsionen konvertiert/emuliert) lässt uns glauben, dass früher alles in-camera gemacht werden musste, aber das ist leider völlig falsch. Es wurde wohl überwiegend, sagen wir zu 80, 90 Prozent alles durch Licht und Set/Kostümfarbe gemacht. Wie heute (siehe Beispiel mit der Hexen-Lounge). Darüber hinaus wurden Szenen lichtbestimmt und beim Kopiervorgang wurde (für jeden Scheiß, echt, sogar bei ex & hopp Industriefilmen) Colortiming durchgeführt, mit Farbfiltern gearbeitet und was weiß ich noch alles.
Primäre und auf HSL-Werten basierende sekundäre Farbkorrektur wurde mit Farbfilmen immer schon gemacht. Dass man es nun in einem bedienerfreundlichen Programm zuhause machen kann anstatt in einem stinkenden Labor mit klappernden Filteranlagen und telefonbuchdicken Konversionstabellen, mit vielen Generation von trial & error- behafteten Intermediate-Kopien, das besagt wenig. Nur die Amateure mit ihren Umkehrfilmen hatten bloß die eine Chance!
Ähnlich verhält es sich mit Photoshop, das nur die digitale Version eines echten Fotolabors ist. Und wieder waren es vor dreißig Jahren nur die Amateure, deren Filme alle durch die gleiche Suppe gezogen wurden (wenn auch bei der Vergrößerung auf dem jeweiligen Papier die Charakteristika der jeweiligen Emulsion neutralisiert, d.h. gegengefiltert wurden).
Noch nie hatten wir es so einfach wie heute, was die Post betrifft. Und Kosten für die, äh, Pre, sind auch gesunken, gehen gegen null. Was gleich geblieben ist und heute wie früher die Spreu vom Weizen trennt, ist handwerkliches Können und Wissen.
Warum sagt man, dass die Tschechen die schönsten Märchenfilme drehen? Ich glaube, es ist eine Mentalitätsfrage. Die Hauptzutat sind gar keine Schauwerte oder perfekte Bilder, sondern Nostalgie. Sie sehnen sich nach der guten alten Zeit, wohl auch weltanschaulich. Die Heldin und spätere Prinzessin mag noch so klug sein, letzten Endes sehnt sie sich auch 1973 in die 50er Jahre zurück. Der Film wirkte bestimmt schon zu seiner Zeit altbacken, wie ein Weihnachtsteller mit Spekulatius und Printen vom Vorjahr. Stilistisch war er jedenfalls nicht auf der Höhe der Zeit (Kinoprogramm 1973? Schrille Regelüberschreitung, Gesellschaftskritik, ordentlich durchlüften vom Mief der vergangenen Jahrzehnte), sondern romantisch und rückwärtsgewandt.
Wenn er verloren gegangen wäre und heute wiederentdeckt, hätte ihn u.U. ein modernes Orange/Teal-Grading aufgepeppt, und wir würden ihn in 16:9 sehen. So aber ist es wie früher mit Dinner For One. Eine olle Kamelle, aber gerade deswegen so schmerzlich charmant.
Sozialistische Utopie?dienstag_01 hat geschrieben: ↑Fr 29 Nov, 2019 15:36Weltanschaulichen altbacken?! Den emanzipatorischen Ansatz muss man dir wie servieren? Auf m Hitchcock-Tablett? Die Jagd-Szene mit den Prinzen ist schon fast eine kleine (sozialistische) Utopie. Und die Unbekümmertheit des Mädchens ist herzergreifend. Dem ganzen Film ist eine Lust am Erzählen anzumerken, krass, das nicht zu sehen.
Also wenn da bei dir Wahrnehmungsfehler im Spiel sind, dann sicher nicht väterlicherseits. Aschenputtel ist sicher keine sozialistische Utopie, aber selbst wenn, wäre der Film von 1973 kein Oxymoron, auch wenn das sehr gut klingt. Ich hatte von einer Szene im Film geschrieben (und sozialistisch in Klammern), weil da eine Utopie drin steckt, die mit der von dir behaupteten Rückwärtsgewandtheit so gar nichts zu tun hat.Axel hat geschrieben: ↑Fr 29 Nov, 2019 16:38Sozialistische Utopie?dienstag_01 hat geschrieben: ↑Fr 29 Nov, 2019 15:36Weltanschaulichen altbacken?! Den emanzipatorischen Ansatz muss man dir wie servieren? Auf m Hitchcock-Tablett? Die Jagd-Szene mit den Prinzen ist schon fast eine kleine (sozialistische) Utopie. Und die Unbekümmertheit des Mädchens ist herzergreifend. Dem ganzen Film ist eine Lust am Erzählen anzumerken, krass, das nicht zu sehen.
Wenn du den Film von 1973 meinst, dann wäre das ja ein Oxymoron gewesen. Ich hab ihn ehrlich gesagt nicht mehr voll auf dem Schirm, erinnere mich aber, dass ich ihn als Kind sehr mochte. Er ist schön, nett, und, ja, herzerwärmend. Aber wenn ein emanzipatorischer Ansatz darin steckt, dann sicher im Märchen Aschenputtel selbst, das es in Abwandlungen übrigens in vielen Kulturen gab, vom antiken Griechenland bis Japan. Die meisten Märchen sind ja nur irgendwann aufgeschriebene und damit "gecoverte" uralte Mythen, und es wäre dumm, sie auf eine brave Bürgermoral zu reduzieren. Ich weiß nicht mehr, wie es im Film für die intriganten Stiefschwestern endet, bei den Grimms werden sie irgendwie drastisch bestraft, wie, weiß ich nicht mehr genau.
Wie dem auch sei, vielleicht bin ich ungerecht und habe Wahrnehmungsfehler, weil meine Familie väterlicherseits aus dem Erzgebirge stammt und die Bildwelt dieses Films (sowie die im Trailer zu hörende Musik) zu starke Konnotationen dazu hat, wie ich mich an Weihnachten als Kind erinnere. Möglicherweise auch deshalb, weil der Film wohl immer zu Weihnachten gesendet wurde.
Ich will dich nicht "widerlegen", aber ich zweifle sehr stark an, dass es physische Farben gibt, die keinen Alterungsprozessen unterliegen. Der erwähnte Vertigo wurde in Technicolor Vistavision aufgenommen, aber bereits in den 80ern existierten, vom original Footage (einem Großteil, s.u.) abgesehen, nur noch Kinokopien, das Fehlen eines originalen Masters, das sich auch später nie fand, war der eigentliche Anlass für die extrem teure Restauration. Und die originalen (SW-) Negative waren auf Zelluloid aufgenommen, von dem Wikipedia sagt, dass es bei einer optimalen Temperatur von 21°C und 50% Luftfeuchtigkeit bis zu 40 Jahre haltbar ist. Hitchcock besaß (ungewöhnlicherweise) die Verwertungsrechte, aber er kümmerte sich nicht um eine kostspielige adäquate Lagerung, und so wurde das gesamte Material in irgendwelche zu heißen und zu trockenen Lagerhallen in Kalifornien ("heißer Ofen") ständig umgelagert. Was die Restauratoren fanden, waren farblich (und auch sonst) unbrauchbare Kinokopien, die lediglich taugten, als Referenz für eine, äh, EDL zu dienen. Denn die Negative, stark geschrumpft und auch sonst gealtert, waren lediglich Schnippsel, deren Katalogisierung nicht mehr vorhanden war. Man fand haarsträubend viele "Outtakes", alternative Versionen (z.B. ein alternatives Ende) und Wiederholungen derselben Takes, die teilweise nur schwer zuzuordnen waren. Der Crop von 1:1:85 zu 1:1:50 musste ebenfalls nachvollzogen werden. Einige wenige Einstellungen fehlten völlig und mussten aus unterschiedlich stark ramponierten Kinokopien zusammengepuzzelt werden.carstenkurz hat geschrieben: ↑Sa 30 Nov, 2019 02:57 Ähm - Technicolor Filme sind die, die auch nach 60 Jahren noch Originalfarben zeigen. Weil es keine photochemischen Prints sind und nicht deren Alterungseffekten unterliegen. Allerdings war der Prozess halt dummerweise so teuer, dass man eben dummerweise vor etwa 60 Jahren ausgestiegen ist und dann billigere und sehr viel schlechter alternde Prozesse und Materialien verwendet hat. Aber das nur am Rande...
Man muss schon genau hinschauen. Die Darstellung von Rolf Hoppe kann man schwach finden, was er allerdings darstellt (mit seiner Partnerin) sollte man schon sehen, das ist schon fast ein Bild antiautoritärer Erziehung, in einem Märchen, als König. Eher selten. Und die Jagdszene der Prinzen und Aschenbrödel hatte ich ja schon erwähnt, das ist so angstfrei allem Fremden gegenüber (das Mädchen ist ja als Junge verkleidet - aber dem Prinzen schwant natürlich was - , sonst könnte man auch direkt von Gleichberechtigung sprechen), da ist nichts rückwärtsgewandt, das ist Zeitgeist pur. Und dieser Zeitgeist war eben emanzipatorisch, wurde wahrscheinlich in Ost und West, wenn nicht verstanden, so doch gespürt.Frank B. hat geschrieben: ↑Sa 30 Nov, 2019 12:19 Drei Haselnüsse für Aschenbrödel ist eine Co-Produktion der DEFA und des tschechoslowakischen Fernsehens gewesen. Klar, durften im Sozialismus keine hintergründigen Kritiken (die natürlich im Film vorkommen) an feudalen und absolutistischen Systemen fehlen, wiewohl der real existierende Sozialismus ja ähnlich gelagert war. Die Handlung des Films wird mehr oder weniger in eine Fantasie-Barockzeit gelegt, vermischt mit mittelalterlichen Elementen (böse angemerkt: heute ist eh kaum jemand in der Lage Mittelalter vom Barock zu unterscheiden). Der Film lebt aber bis heute durch eine gewisse Ehrlichkeit und Einfachheit der Darsteller. Die dem Märchen zugrundeliegenden menschlichen bzw. charakterlichen Eigenschaften sind urtypisch und, so soll es im Märchen ja auch sein, erschließen sich schon kleinen Kindern. Sie werden z.T. sehr zurückhaltend und diffizil als auch sehr überspitzt und plakativ dargestellt. Meines Erachtens war die herausragende Hauptfigur des Films nicht Aschenbrödel allein, sondern auch die Stiefmutter, dargestellt von Carola Braunbock. Rolf Hoppe fand ich eher schwach in der Darstellung. Viele aus der heutigen, vor allem ostdeutschen, Erwachsenengeneration haben den Film schon als Kind gesehen und freuen sich, wenn er im alljährlichen Weihnachtsprogramm immer wieder auftaucht, um ihn mit ihren Kindern oder Enkeln mal wieder anzusehen. Er belastet nicht, wie viele andere sozialistische Produktionen und lässt jeden Zuschauer wieder ein Stück Kind werden. Das ist wohl seine Berechtigung. Mir hat er eigentlich nie so viel gegeben, weil ich schon als Kind stärker an Grimms Aschenputtel orientiert war und mir die Handlung zu viele Verfremdungen dem gegenüber beinhaltete. Trotzdem hat sich keine Abneigung entwickelt, weil der Film doch sehr sympathisch und unaufdringlich ist. Stark dazu beigetragen hat wohl auch die Filmmusik von Karel Swoboda, dessen Melodien ja in sehr vielen Kinderserien der Zeit, wie Wickie und die starken Männer, Pinocchio, Nils Holgersson oder auch die Biene Maja, bekannt waren. Die Musik zu "Drei Haselnüsse für Aschenbrödel" ist bis heute präsent, nahezu ein Ohrwurm. Wer die ersten Takte der Filmmusik hört, muss sofort an den Film denken. Offenbar orientiert die Musik Swobodas zum Film sich sehr stark am deutschen Volkslied "Es klappert die Mühle am rauschenden Bach". Sie hat also schon damals einen gewissen Wiedererkennungswert gehabt.
Axels Hinweis auf die Rückwärtsgewandtheit ist nicht von der Hand zu weisen. Der Film wollte bewusst auch Heimatgefühl und Wertebewusstsein thematisieren. Das läuft freilich etwas konträr zum sozialistischen Weltbild, ist ihm aber auch nicht fremd. Heimat und Werte haben auch im Sozialismus der Prägung des Ostblocks eine sehr große Rolle gespielt. Das Aschenputtel verkörpert aber auch schon eine gewisse Wehrhaftigkeit gegen einen Status Quo. In ihr steckt quasi der Fortschritt im Gegensatz zum Konservativismus. Während bei Grimm das Aschenputtel eher passiv sein Schicksal trägt und durch Fügung zum Glück kommt, ist hier das Aschenbrödel relativ emanzipiert und wird (deshalb?) unterdrückt. Im Grunde wird in dem Film etwas getan, was sich bis heute durchgesetzt hat. Die Vergangenheit wird mit Werten von Heute gemessen und als unzureichend abgetan, weil sie den heutigen Werten nicht entspricht.
Hat jetzt vielleicht alles nicht viel mit dem Cinema-Look zu tun. Der Film war ja hier nur als ein Beispiel genannt zu diesem Thema.
Ja, da hast du nicht Unrecht, dass dieses Fortschrittsdenken gegen das Antiquarische immer wieder vorkommt. Das habe ich oben ja auch geschrieben. Das ist das auch, was ich oben gemeint habe mit der versteckten Kritik an den alten Werten bzw. den Werten der Vergangenheit, die typisch für viele (Märchen-)Filme ist, die im Ostblock entstanden sind. Da ist immer ein gewisser Erziehungsmoment eingebaut, ansonsten hatten sie es schwer. Kritik am Sozialismus selbst war da gefährlicher. Man musste das also ganz fein dosieren und dezent machen.dienstag_01 hat geschrieben: ↑Sa 30 Nov, 2019 13:09
Man muss schon genau hinschauen. Die Darstellung von Rolf Hoppe kann man schwach finden, was er allerdings darstellt (mit seiner Partnerin) sollte man schon sehen, das ist schon fast ein Bild antiautoritärer Erziehung, in einem Märchen, als König. Eher selten. Und die Jagdszene der Prinzen und Aschenbrödel hatte ich ja schon erwähnt, das ist so angstfrei allem Fremden gegenüber (das Mädchen ist ja als Junge verkleidet - aber dem Prinzen schwant natürlich was - , sonst könnte man auch direkt von Gleichberechtigung sprechen), da ist nichts rückwärtsgewandt, das ist Zeitgeist pur. Und dieser Zeitgeist war eben emanzipatorisch, wurde wahrscheinlich in Ost und West wenn nicht verstanden, so doch gespürt.
Wenn in dem Märchen allgemeingültige Werte dargestellt werden, dann sind sie wirklich universell und über Kulturgrenzen hinaus gültig. Würdest du mir zustimmen, dass es um innere Werte geht, die als solche erkannt werden, obwohl die Figuren, die äußeren Schein und soziale Stellung propagieren, anfangs die Oberhand haben? Über die Entlarvung der Heuchler lernen wir die "wahren" Werte schätzen. Und da geht es um Liebe, freilich auch romantische Liebe. Dass der "Preis" ein Prinz ist, also ein Adelsangehöriger, bei dem die soziale Stellung also doch wieder eine Rolle spielt, scheint abgemildert durch die Tatsache, dass es eben ein netter und ehrlicher Prinz ist und kein Scheusal (siehe König Drosselbart). Die Utopie, sozialistisch, christlich oder was immer, dass Liebe Standesdünkel überschreitet, ist so alt wie die menschliche Kultur. Und auch, dass man für die Herausstellung des Guten dringend einen Schurken in der Geschichte braucht.Frank B. hat geschrieben: ↑Sa 30 Nov, 2019 12:19Axels Hinweis auf die Rückwärtsgewandtheit ist nicht von der Hand zu weisen. Der Film wollte bewusst auch Heimatgefühl und Wertebewusstsein thematisieren. Das läuft freilich etwas konträr zum sozialistischen Weltbild, ist ihm aber auch nicht fremd. Heimat und Werte haben auch im Sozialismus der Prägung des Ostblocks eine sehr große Rolle gespielt. Das Aschenputtel verkörpert aber auch schon eine gewisse Wehrhaftigkeit gegen einen Status Quo. In ihr steckt quasi der Fortschritt im Gegensatz zum Konservativismus. Während bei Grimm das Aschenputtel eher passiv sein Schicksal trägt und durch Fügung zum Glück kommt, ist hier das Aschenbrödel relativ emanzipiert und wird (deshalb?) unterdrückt. Im Grunde wird in dem Film etwas getan, was sich bis heute durchgesetzt hat. Die Vergangenheit wird mit Werten von Heute gemessen und als unzureichend abgetan, weil sie den heutigen Werten nicht entspricht.
Ich muss mal versuchen, den Film noch irgendwann in einer Vorweihnachts-Mediathek aufzuspüren.dienstag_01 hat geschrieben: ↑Sa 30 Nov, 2019 13:09Und die Jagdszene der Prinzen und Aschenbrödel hatte ich ja schon erwähnt, das ist so angstfrei allem Fremden gegenüber (das Mädchen ist ja als Junge verkleidet - aber dem Prinzen schwant natürlich was - , sonst könnte man auch direkt von Gleichberechtigung sprechen), da ist nichts rückwärtsgewandt, das ist Zeitgeist pur. Und dieser Zeitgeist war eben emanzipatorisch, wurde wahrscheinlich in Ost und West wenn nicht verstanden, so doch gespürt.
Der läuft doch in der Vorweihnachtszeit im Ersten und in den Dritten rauf und runter. Dass daraus ein Wintermärchen und letztendlich ein Vorweihnachts-Quotenrenner wurde, ist übrigens einem reinen Zufall zu verdanken: Die Aufnahmen mussten damals verschoben werden, weil die Mitarbeiter der DEFA im Sommer schon ausgelastet waren. Ich behaupte mal: Wäre der Film im Sommer entstanden, und hätte er nicht die wunderschöne Musik von Karel Svoboda, würde heute niemand mehr drüber reden.
Ich hab mich immer gewundert, warum diese im Verhältnis lange Szene, in der der Knecht im Winter Bäume beschneidet, im Film ist. Die aus der Überraschung geborene Liebe zum Winter könnte ein Grund sein ;)Pianist hat geschrieben: ↑Sa 30 Nov, 2019 14:02Der läuft doch in der Vorweihnachtszeit im Ersten und in den Dritten rauf und runter. Dass daraus ein Wintermärchen und letztendlich ein Vorweihnachts-Quotenrenner wurde, ist übrigens einem reinen Zufall zu verdanken: Die Aufnahmen mussten damals verschoben werden, weil die Mitarbeiter der DEFA im Sommer schon ausgelastet waren. Ich behaupte mal: Wäre der Film im Sommer entstanden, und hätte er nicht die wunderschöne Musik von Karel Svoboda, würde heute niemand mehr drüber reden.
Wer sich mal etwas Besonderes gönnen möchte, der sollte Ausschau halten, wann und wo der Film mal mit Live-Orchester aufgeführt wird. Das macht das Filmorchester Babelsberg gelegentlich unter Helmut Ihmig, und auch der Dirigent Frank Strobel (dirigierte früher das Filmorchester Babelsberg) führt das hin und wieder mit Gastorchestern auf.
Gerade mal geschaut: Am 27. Dezember um 16.00 Uhr und um 19.30 Uhr spielt das Filmorchester Babelsberg zum Film im Friedrichstadtpalast in Berlin.
Matthias
Erst rückwärtsgewandt in die 50er Jahre, jetzt Kritik am Sozialismus, Junge, Junge, wer weiß, was noch alles kommt.Frank B. hat geschrieben: ↑Sa 30 Nov, 2019 13:24Ja, da hast du nicht Unrecht, dass dieses Fortschrittsdenken gegen das Antiquarische immer wieder vorkommt. Das habe ich oben ja auch geschrieben. Das ist das auch, was ich oben gemeint habe mit der versteckten Kritik an den alten Werten bzw. den Werten der Vergangenheit, die typisch für viele (Märchen-)Filme ist, die im Ostblock entstanden sind. Da ist immer ein gewisser Erziehungsmoment eingebaut, ansonsten hatten sie es schwer. Kritik am Sozialismus selbst war da gefährlicher. Man musste das also ganz fein dosieren und dezent machen.dienstag_01 hat geschrieben: ↑Sa 30 Nov, 2019 13:09
Man muss schon genau hinschauen. Die Darstellung von Rolf Hoppe kann man schwach finden, was er allerdings darstellt (mit seiner Partnerin) sollte man schon sehen, das ist schon fast ein Bild antiautoritärer Erziehung, in einem Märchen, als König. Eher selten. Und die Jagdszene der Prinzen und Aschenbrödel hatte ich ja schon erwähnt, das ist so angstfrei allem Fremden gegenüber (das Mädchen ist ja als Junge verkleidet - aber dem Prinzen schwant natürlich was - , sonst könnte man auch direkt von Gleichberechtigung sprechen), da ist nichts rückwärtsgewandt, das ist Zeitgeist pur. Und dieser Zeitgeist war eben emanzipatorisch, wurde wahrscheinlich in Ost und West wenn nicht verstanden, so doch gespürt.
Emanzipation war nun genau das nicht, was der Sozialismus wollte. Er hat zwar z.B. die Gleichberechtigung der Frau propagiert, aber die ist erstens keine sozialistische Erfindung und zweitens lenkt sie von der wahren Emanzipation ab. Die würde ja bedeuten, dass man auch sich auch von der Bevormundung durch eine Partei z.B. emanzipiert. Aber das genau sollte im Sozialismus nun gar nicht sein. Gleichberechtigung ist halt etwas anderes als Freiheit oder Emanzipation. Die sozialistisch geprägte Seele sieht den Film dann wahscheinlich eher unter dem Freiheits- und Wertegedanken als unter dem Geleichberechtigungsgedanken. Der war sowieso gegenwärtig. Frauen waren wirklich über weite Strecken den Männern gleichberechtigt. Dazu brauchte man den Film nicht, um das darzustellen. Vielleicht ist das was im Film dargestellt wird doch eher eine Kritik am Sozialismus als eine Kritik der Werte der Vergangenheit. Das mischt sich irgendwie recht gut, denn wie ich oben schrieb, hatte der real existierende Sozialismus ja auch absolutistische Züge und elitäres Denken.
Ich würde dir darin zustimmen, dass es natürlich um innere Werte geht, die aber schon kulturell divergieren. Im okzidentalen Raum sind sie sich aber sehr ähnlich, da wir ja eine gemeinsame Prägung haben. Auf diese Prägung springen natürlich alle Seelenfänger irgendwie auf. Aber Begriffe wie Gerechtigkeit, Nächstenliebe, Glück oder andere sind natürlich inzwischen auch hier missverständlich und bedürfen einer genaueren Interpretation. Sie sind keineswegs allgemein und gleichermaßen verständlich zu gebrauchen. Sozialer Aufstieg als Belohnung war auch im Sozialismus gegenwärtig, obwohl es dort keinen sozialen Aufstieg hätte geben dürfen nach seiner eigenen Definition. Auch da gab es Könige, Prinzen und Prinzessinnen, sie hießen nur anders. Und es gab natürlich Aschenputtel, auch sie hießen anders. Es ist bis heute zutiefst in unserer Seele verankert, dass wir eher Königskinder sein wollen als Kinder von Asozialen und Versagern. Das durchzieht jede Weltanschauung. Die Stärke einer Weltanschauung ist es, den Menschen, die ihr angehören, glaubhauft zu machen, dass sie Königskinder sind, im Gegensatz zu den Angehörigen anderer Weltanschauungen, die Stärke eines Menschen ist es, zu begreifen, dass er ein "armer elender Sünder" und Versager ist, wie jeder andere Mensch auch. Damit wehrt man die Macht der Weltanschauungen ab und wird möglicherweise tatsächlich ein bisschen wie ein König. König Drosselbart war kein Scheusal. Ganz im Gegenteil, er war ein König. Nur sein Äußeres stimmte nicht mit der Vorstellung von einem König überein. Allerdings sein Wesen. So ist er ein Vorbild für uns.Axel hat geschrieben: ↑Sa 30 Nov, 2019 13:47
Wenn in dem Märchen allgemeingültige Werte dargestellt werden, dann sind sie wirklich universell und über Kulturgrenzen hinaus gültig. Würdest du mir zustimmen, dass es um innere Werte geht, die als solche erkannt werden, obwohl die Figuren, die äußeren Schein und soziale Stellung propagieren, anfangs die Oberhand haben? Über die Entlarvung der Heuchler lernen wir die "wahren" Werte schätzen. Und da geht es um Liebe, freilich auch romantische Liebe. Dass der "Preis" ein Prinz ist, also ein Adelsangehöriger, bei dem die soziale Stellung also doch wieder eine Rolle spielt, scheint abgemildert durch die Tatsache, dass es eben ein netter und ehrlicher Prinz ist und kein Scheusal (siehe König Drosselbart). Die Utopie, sozialistisch, christlich oder was immer, dass Liebe Standesdünkel überschreitet, ist so alt wie die menschliche Kultur. Und auch, dass man für die Herausstellung des Guten dringend einen Schurken in der Geschichte braucht.
Ja, der Film, der uns allen irgendwie seit Kindesbeinen in wohliger Erinnerung ist, meint es gut. Unterschätzen wir nicht, wie prägend so etwas ist. Ohne jetzt doch noch etwas Schlechtes darüber sagen zu wollen, stelle ich fest, dass die Geschichte kein Wässerchen trübt, keines der bestehenden Verhältnisse im Westen wie im Osten in Frage stellt, sondern sich gütlich mit dem Minimalkonsens begnügt, dass man besser kein Arschloch ist.
:) Lass dich überraschen!dienstag_01 hat geschrieben: ↑Sa 30 Nov, 2019 14:31
Erst rückwärtsgewandt in die 50er Jahre, jetzt Kritik am Sozialismus, Junge, Junge, wer weiß, was noch alles kommt.
Da habe ich die Märchen durcheinandergebracht. Ich weiß gar nicht mehr, wie's hieß. Ein König (?) demütigt ein Mädchen mit extremem Anspruchsdenken, bis sie ihre Bockigkeit ablegt und brav wird (Schlagertitel: "Die Liebe, die Liebe, die hat über Nacht / aus 'ner Emanze 'nen Engel gemacht"). Ich erinnere mich an eine Szene (es war eine Kinder-Hörspielplatte) in der er, nachdem er sie gezwungen hat, Geschirr zu töpfern und auf der Straße zu verkaufen, in Verkleidung mit seinem Ross die Töpfe zerstört.