Axel hat geschrieben: ↑Di 05 Nov, 2019 17:04
Frank B. hat geschrieben: ↑Di 05 Nov, 2019 07:36Nicht unbedingt die Anzahl der Produktionen wird weniger, aber die Inhalte sind immer absehbarer und ähneln sich stark. Da werden zig Aufgüsse des gleichen Breis bis zum Erbrechen angerichtet.
Das ist es, was ich im Revenant-Thread mit Religion als Kontrastfolie zu Beliebigkeit meinte. Die Themen des Mainstreams sind
gefühlt beliebig, sie sind zu praktisch 100 % absehbar und untereinander austauschbar. Und deswegen nur "gefühlt", weil sie in Wirklichkeit natürlich nur das behandeln, von dem die Produzenten glauben, dass es ankommt, d.h. sich verkaufen lässt. Merkantil affirmativ. Die Selbstähnlichkeit der Filme kommt von den berüchtigten Erfolgsrezepten.
Frank B. hat geschrieben: ↑Di 05 Nov, 2019 07:36Der Überlebenskampf der Kinos hat evtl. auch damit zu tun, neben natürlich noch anderen Effekten, wie z. B. dass die persönlich gewünschten Inhalte inzwischen leicht auf den heimischen FlatTV geholt werden können. Im Grunde ist das eine positive Entwicklung, die mit den Streamingdiensten und vorher schon mit Kassetten, DVDs und Blu-rays eingesetzt hat. Das rettet eben im gewissen Maße die kleinen Nischenproduktionen, die auf andere als die gängigen Zielgruppen insistieren.
Wenn du ehrlich bist, wirst du zugeben, dass christliche Themen hier und heute nur noch eine Nische besetzen. Aber richtig ist, dass erst durch Nischen Pluralität möglich ist und (Jung'sche Terminologie:) Individuation im Gegensatz zum Mitschwimmen im kollektiven Unterbewussten.
Ich finde ja, dass eine Unmenge an christlichen Inhalten heute in vielen Filmen anzutreffen ist, meist natürlich ohne Beziehung zum christlichen Glauben direkt. Der Erlösergedanke, die Apokalyptik, die Schlachten der Endzeit, der Endzeitgedanke ansich, die Spannung zwischen Gesetzestreue und Liebe, die Universalität von Gedanken, die Einheit der Völker am Ende der Zeit usw.usf. All diese Dinge werden uns um die Ohren geschlagen und werden von der Gesellschaft so sehr verinnerlicht, ohne auch nur im Entferntesten daran zu denken, dass dies über Jahrhunderte bei uns vom Christentum getragen und vermittelt wurde. Der Herr der Ringe z.B. aber fast jeder andere Film heute und auch der von dir erwähnte The Revenant sind brechend voll von christlichen und religiösen Inhalten. Da aber den Meisten heute die Rückkopplung auf die christlichen Inhalte fehlt, fällt es nur sehr wenigen auf.
Ich denke einfach, ohne Religiosität geht das Leben nicht. Jeder fällt immer wieder in diese Denkstrukturen und Inhalte zurück. Ich bin sicher, dass hier im Forum die Allermeisten in irgendeiner Form daran glauben oder es erhoffen, dass mit ihrem Tod nicht alles vorbei ist mit ihnen.
Gestern kam ich spät von der Arbeit und meine Frau sah gerade einen uralten Boerne-Thiel-Tatort, in dem ein Priester heimlich eine Familie hatte. Die Konflikte wurden dort ausgiebig dargestellt. Das ist so ein Beispiel wie ich oben anführte, dass Kirche und Glauben im Film heute nahezu nur als Filz verwendet werden, um Einengung, Konflikte, den Verlust der eigenen ersehnten Existenz und um Glaube als Hindernis zur Selbsverwirklichung darzustellen. Glaube als Mangel. Wenn das so wäre, würden in der Tat nur dumme und minderbemittelte Menschen gläubig sein. Es ist aber nicht so.
Die Frage ist natürlich, warum verkauft sich das heute so gut und warum erwarten das die Leute?
Axel hat geschrieben: ↑Di 05 Nov, 2019 17:04
Ein solches totalitäres System war im Mittelalter hier und einst das Christentum. Es unterdrückte die Menschen so total, dass die Aufklärung, deren Enkel wir sind, die Religion zum Wissensfeind erklärte.
Ich denke, bei solchen Aussagen muss man etwas aufpassen. Christentum und Aufklärung sind nicht zu trennen und nicht gegeneinander auszuspielen. Die Aufklärung hätte es durch viele Reformbestrebungen innerhalb der Kirche und des Christentums niemals gegeben und selbst die Aufklärung war nicht grundsätzlich unchristlich. Viele Aufklärer waren selbst Geistliche.
Man muss bedenken, dass Europa seit der Antike in Schüben christianisiert wurde und dass diese "Missionsbewegungen" oft (allerdings nicht immer) mit Gewalt durchgeführt und begleitet wurden, was aber natürlich in der Antike und im Mittelalter und noch lange darüber hinaus eine vollkommen legitime Praxis war, natürlich auch außerhalb des Christentums. Dinge wie Hexenverfolgungen, Sklaverei, Kriege und Missachtung der Menschenrechte sind nicht nur vom Christentum zu verantworten. Es war Gang und Gäbe und wird/wurde in sehr vielen Kulturen praktiziert. Auch das Christentum war aber beteiligt, das ist wahr. Allerdings kamen aber auch daher die entscheidenten Impulse, dass diese Dinge als Unrecht empfunden wurden und teilweise abgeschafft wurden. Das sind nicht allein Werke und Verdienst derer, die sich vom Christentum in der Aufklärung abgewandt haben. Sie sind teilweise schon vor der Aufklärung stark kritisiert und teilweise geändert worden. Die Anfänge liegen da teilweise auch schon im Mittelalter und noch früher. Heute trifft man immer wieder die Überzeugung an, die Aufklärung wäre gegen das Christentum entstanden, sie ist aber gegen überkommene Strukturen im Christentum aus dem Christentum und der Kirche selbst entstanden.
Die Diktaturen der Neuzeit waren allesamt antichristlich und antikirchlich, mussten dafür aber eine Quasireligion aufbauen (Ideen, Symboliken, Strukturen, Hierarchien), wofür sie sich gerade auch in den Ideen der Aufklärung und Neuzeit bedienten (Kirchenkritik, Sozialismus, Kommunismus, Darwinismus). Es gab aber viele Christen und auch Funktionäre der Kirche, die sich aus Überzeugung oder Angst diesen Diktaturen unterwarfen. Das ist bis heute so. Christen sind nicht davor gefeit, nicht zu irren und sich nicht zu ängstigen und sich nicht falsch zu verhalten. Der Gedanke, dass ein Christ besser sei als ein Nichtchrist oder ein religiöser Mensch überhaupt besser sei als einer, der Religion ablehnt, kommt nicht aus der Bibel. Es ist eine Fehlinterpretation. Der Unterschied ist eine andere Verortung des Lebensinhaltes und das Setzen des Grundvertrauens in weltliche oder geistliche Dinge. Wenn einer dieser Gruppen denkt, er sei deshalb ein besserer Mensch, weil er eben an einen Gott glaubt oder nicht glaubt, obwohl er natürlich für sich selbst immer der Überzeugung sein wird, den besseren Weg gewählt zu haben, der geht in die Irre.
Dass Religion zum Wissensfeind erklärt wurde, entspringt eher den Diktaturen der Neuzeit als der Aufklärung, wiewohl das dort auch schon angelegt ist natürlich. Es war aber nicht Konsens.