Da liegt der Denkfehler im 'richtig gut'. Wann hast Du im Theater je ein CloseUp gesehen? Oder Bokeh? Eine Kamerafahrt? Einen Schnitt?
Das sind zwei verschiedene Domänen. Ich habe mich im Theater noch nie 'im Film' gefühlt. Ich erinnere mich noch sehr gut daran, im Abstand zweier Wochen Polanskis 'Der Gott des Gemetzels' mit seiner hervorragenden Kameraarbeit im Kino, und in einer Theateraufführung mit ca. 20m Abstand zur Bühne 'gesehen' zu haben.
Das heisst nicht, dass Theater 'schlecht' ist. Glaubst Du ernsthaft, Du wärest so beeindruckt wie im Kinosessel, wenn Du auf einem Filmset im Regiestuhl der Handlung folgst? Es wäre bestenfalls 'interessant'. Wie ich schon oft bei HFR-Diskussionen schrieb - auf der Leinwand ist Ian McKellen 'Gandalf der Graue'. 'Am Set' ist er ein mit einem Kartoffelsack verkleideter überschminkter Brezelverkäufer auf einem Mittelaltermarkt. Und so sieht er auch in HFR aus. Sehgewohnheiten sind sicher in einem gewissen Maß zu ändern, Physiologie liegt aber in den Genen. Auch der Sehapparat eines 16jährigen wird in 2050 in dieser Beziehung noch genau so funktionieren wie unserer heute. Das heisst nicht, dass er sich zwangsläufig noch für heutige Filme begeistern muss. Aber er wird bei narrativen Darstellungen auch kaum zwangsläufig einen Mangel in 24fps sehen, oder einen Vorteil in 48fps. Möglicherweise gibts dann auch aus anderen soziokulturellen Gründen gar keine Spielfilme mehr. Aber an der Wahrnehmung unterschiedlicher Bildraten wird sich bis dahin kaum was geändert haben.
Es gibt gute Gründe für höhere Bildraten bei Sport, Doku, Kopterflügen, visuelle Kunst, etc. Und vielleicht werden auch irgendwann von irgendwem noch andere visuelle Genres erfunden, in denen sie ein echtes Muss sind.
Im Spielfilm können sie eventuell brauchbar sein für einen gezielten dramaturgisch-visuellen Bruch (bei Billy Lynn wurde so gearbeitet). Ähnlich wie der Bruch der vierten Wand oder Brecht's V-Effekt. Das ist aber schon von der Logik her das komplette Gegenteil dessen, was mit konventionellen Bildraten bewirkt wird und kann dann auch nur so gewertet werden, und nicht als grundsätzliche 'Verbesserung'.
Die Behauptung aber, höhere Bildraten seien grundsätzlich besser, weil höhere Zahlen grundsätzlich besser als niedrigere sind, ist kindisch und zeugt von keiner Beschäftigung mit dem Thema auf der Wahrnehmungsebene.
- Carsten