Drushba hat geschrieben: ↑So 05 Nov, 2017 17:47
Skeptiker hat geschrieben: ↑So 05 Nov, 2017 00:45
Dass man in einem Tatort, der am Sonntag-Abend um 20:15 gesendet wird, keinen echten Kino-Horror serviert, sollte eigentlich verständlich sein.
Wie bitte? Genau dies hat man ja versucht. Und genau an diesem gescheiterten Anspruch entzündet sich ja die Kritik.
Gemessen am beabsichtigten Genre - dem Horrorfilm - verpufft die Wirkung, weil die Filmemacher damit nicht umgehen konnten. ...
Drushba hat geschrieben: ↑So 05 Nov, 2017 17:47Dabei ist die Kritik zwar wahr, aber leider auch aus der Klamottenkiste: Ein Drehbuch ohne eigenständige Originalität und Macher, die das Genre nicht beherrschen und sich darin auch nicht frei bewegen können, ohne unfreiwillig komisch zu wirken - das sind Kritikpunkte die letztlich auf fast alle deutschen TV-Produktionen übertragbar sind. ...
Drushba hat geschrieben: ↑So 05 Nov, 2017 17:47... Es ist der biedere Apparat der ÖRs, der nicht beweglich ist und an den alles angepasst werden muß. Wer sein Drehbuch schonmal in einer solchen Konferenz hatte, kann das bestätigen. ......
Zu den internen Abläufen der ÖRs und den zahlreichen verantwortlichen Bedenkenträgern wie Drehbuch-Glattschleifern und Filmprojekt-Ins-ÖR-Korsett-Zwängern kann ich leider nichts sagen, ich bin nur TV-Zuschauer, kein Insider.
Und ich nehme tatsächlich an, dass ein Tatort, der um 20:15 am Sonntag-Abend läuft, wenn vielleicht die ganze Familie (und das sind ja nicht alles abgebrühte Horror-Afficionados) um den Fernseher versammelt ist, um ihren Krimi zu sehen, gewissen Einschränkungen unterliegt, denen Kino-Horror mit möglicher Altersbeschränkung nicht unterliegt.
Das mag hier im Forum nur müdes Kopfschütteln hervorrufen, aber slashCAM ist kein zufälliger TV-Krimi-Zuschauer-Querschnitt, sondern eine sehr spezielle Auswahl.
Aber zur Filmkritik kann ich mich nochmals äussern.
Zunächst mal die Frage: Wollte man hier wirklich Horror verbreiten oder eher einen gruseligen Halloween-Tatort mit leichtem Augenzwinkern präsentieren?
Im ersten Fall war's nicht finster und ernst genug, im zweiten Fall vielleicht zu wenig (offensichtlich) komödiantisch.
Und im dritten Fall, dem jahrelangen Tatort-Normalzuschauer, der sich jegliches expermientelle Herumkleistern an 'seinem' Tatort verbittet, war's vielleicht "mal wieder so'ne völlig überflüssige Zeit- und Gebührenverschwendung von so'n paar Zwangskreativen auf dem Ego-Trip" oder auch selbst in Tatort-Dosis bereits ein Zuviel an verstörendem Geisterspuk und schwachsinnigem Horrorklimbim.
Tja, allen Leuten recht getan, ist eine Kunst, die .. ..
Ich weiss, die Kino-Vorbilder aus Nordamerika können das besser - dort ist es entweder so tierisch (bzw. allzumenschlich) böse und ernst (Bsp. "Seven"), dass einem das Blut in den Adern gerinnt, oder man setzt so brachial auf Comedy, dass auch der letzte Dödel mitlachen kann.
Warum haben Filme aus Deutschland / deutsche Filmemacher einen Hang zu ironisieren, sich quasi eine Hintertür bereitzuhalten zum Luftholen, wenn die Horror-Atmosphäre allzu stickig wird? Warum dieses Ventil, wenn's doch auch ohne geht (durchhalten, bis es richtig schmerzt) - made in USA (oder made in Spain, siehe Paralkar's Bsp. "Rec")?
Apropos "durchhalten, bis es richtig schmerzt" -> Zufall?: In den USA gibt's die christlichen Fundamentalisten und die Todesstrafe, in Spanien gab's die Konquistadoren und die Inquisition.
Zurück zu DE: Könnte die horrortechnische "Beisshemmung" damit zusammenhängen, dass man in DE vor fast 80 Jahren mal ein Horrorszenario in die Tat umgesetzt hat (Regie: Ein gewisser Herr H.), das bis in die heutige Zeit nachhallt?
Oder ist dieser Zusammenhang zu weit hergeholt ?
Ich weiss es nicht.
Ich kann nur wiederholen, dass dieser Grusel-Tatort mit ein paar Horror-Elementen für mich eine willkommene Abwechslung darstellte, dass ich ihn als Experiment betrachte, dessen Ergebnis nicht perfekt sein muss, als etwas, das einfach mal da ist (statt nicht da zu sein), über das man reden kann, das man kritisieren kann, an dem man sich "reiben" kann, das man besser machen kann (wenn man's kann).
Übrigens, welches andere Krimi-Format sonst riskiert es mit gelegentlichen Genre-Experimenten, von der gnadenlosen Kritik der abgebrühten Kino-Alleskenner und hartgesottenen Videoscheiben-Omnivoren zerfetzt zu werden oder am anderen Ende bei den Tatort-'Normalos' auf völliges Unverständnis zu stossen? Welches andere TV-Krimi-Format erlaubt sich überhaupt solche filmischen/drehbuchtechnischen Freiheiten?
Noch zum Punkt: "Drehbuch nicht originell" (bzw. öde Story):
Der Komissar lebt mit Partnerin und der etwas seltsamen Wohngenossin Fanny (ich kenne die Tatort-Vorgeschichte dazu nicht) in einem alten Horror-Haus, ohne es zu ahnen. Dass es so ist, fällt erst auf, als eines nebligen Herbstabends ein verwirrter, alter, nur mit weissem Nachtgewand bekleiderter Mann wie ein Geist unsicheren Schrittes die Strasse hinunterläuft, durch den Garten spaziert, vor dem Haus stehenbleibt und schliesslich unbemerkt durch die vom Wind aufgedrückte (ein Gewitter zieht auf) Vorgarten-Tür hereinkommt, plötzlich hinter einem Vorhang hervortritt, sich selbst und die Küche wie in Trance mit Benzin aus einem mitgebrachten Kanister übergiesst und dann ein Feuerzeug entzündet. Die durch Geräusche aufgeweckte, hereingekommene Fanny sieht fassungslos zu, wie ein plötzlicher, heftiger Luftzug die Flamme im letzten Augenblick löscht und wie der Pyromane von hinten wie von Geisterhand ergriffen durch die von der Windböe aufgedrückten Türflügel in die gewittrige Nacht hinausgefegt wird.
Gespensterstunde im Geisterhaus!
Der Kommissar kommt hinzu, kümmert sich um den am Boden liegenden, schwer atmenden Alten, der kurz vor dem Hindämmern in die Bewusstlosigkeit noch erregt und Unverständliches murmelnd auf den Dachboden direkt unter dem Giebel des Hauses weist, den der Kommissar daraufhin mit Taschenlampe absucht und wo er schliesslich in einem Hohlraum unter einer lockeren Diele ein Kinderskelett entdeckt.
Das ist der Ausgangspunkt zur schichtweisen Enthüllung der dunklen Vergangenheit des Gemäuers und der damit schicksalhaft verknüpften Personen - bis zum flammenden Finale.
-> Scheint mir ein ganz brauchbarer Plot für einen Gruselkrimi zu sein.
Ich wiederhole mich, wenn ich sage: Wenn's geht, einmal tief durchatmen und mit etwas Abstand zum eigenen Totalanspruch betrachten, nicht ganz verbissen ernst nehmen (das schliesst ein Urteil: "Komplett daneben!" ja nicht aus), berücksichtigen, dass dieser Grusel (mit Horror-Elementen) kurz vor Halloween gesendet wurde, eine TV-Produktion ist, die auch noch irgendwie in ein Tatort-Format passen muss und zudem zur Familien-Zeit am Abend läuft. Gewisse Kompromisse unvermeidlich, man versuchte trotzdem, etwas daraus zu machen - und spaltet dabei die Zuschauerschaft (durchschnittliche Bewertung durch die Feedbacks in der ARD-Mediathek: 2 von 5 Sternen, quasi 40% Zustimmung, 60% Kopfschütteln - Einschaltquote eher unterdurchschnittliche ca. 20%).
Wer das Reine, Klare, Totale, Absolute, Kompromisslose sucht, ist bei diesem Tatort (evtl. beim
Tatort generell) wohl fehl am Platze. Wer es etwas weniger kategorisch und elitär betrachten kann, freut sich vielleicht über cineastische Querverweise und gelungene Filmpassagen (ohne die weniger gelungenen auszublenden) und kann sich ein Lachen ab und zu nicht ganz verkneifen.