pillepalle hat geschrieben: ↑Di 13 Apr, 2021 07:50
Da wo eine KI eingreift wird etwas nicht existierendes dazu erfunden.
ich seh das ein bisserl anders.
wir haben ja hier vor einiger zeit ein ganzes jahr lang den arbeitsschwerpunkt "machine learning und kunst" in einer größeren gruppe bearbeitet, so dass mir diese dinge mittlerweile ein klein wenig vertrauter sind.
ich persönlich versuche den begriff "künstliche intelligenz" eher zu vermeiden und spreche lieber von von "machine learning", weil erstere wortwahl ständig dazu verführt, irgendwelche ganz mächtige dinge damit zu assozieren, während zweiteres doch eher als etwas einigermaßen irdisches und begrenztes verstanden wird.
ich würde ML auch gar nicht so sehr mit dem hervor- od. einbringen irgendwelcher artifiziellen schöpfungen in verbindung bingen, sondern es vielmehr als eine methode charakterisieren, prozessse an hand von konkreten beispielen zu konfigurieren, statt sie, wie man dasbisher im computerumfeld gemacht hat, mit handlungs- bzw. ablaufanweisungen zu programmieren.
die möglichkeiten, die sich mit diesem paradigmenwechsel in den letzten jahren eröffnet haben, sind gegenwärtig tatsächlich noch kaum absehbar. das es darunter aber auch genug anwendungen gibt, die ich für ausgesprochen problematisch bzw. gesellschaftspolitisch inakzeptabel erachte, steht völlig außer frage. vor allem bedrückt es mich aber, wie wenig wissen und fundiertes urteilsvermögen dazu unter alle jenen vorhanden ist, die längst schon im alltag mit den auswirkungen entsprechender automatisierter entscheidungsmechanismen konfrontiert sind.
ob nun bilder auch mit derartigen mitteln ein wenig verfälscht werden, halte ich also beinahe für ein luxusproblem, dem ich kein übermäßig großes gewicht beimessen würde. im übrigen hat man das lügen mit hilfe der kamera mittlerweile so sehr perfektioniert, dass ich kaum mehr ernsthaft irgendwelche authentitätsansprüche damit verbinde. da glaube ich fast eher irgendwelchen kollegen mit pisel od. bleistift in der hand, die wenigstens auch zwingend immer ein klein wenig ihre ganz persönlichen sprache oder visuelle wahrnehmung in das geschaffene einschreiben müssen.
genau diese verbliebenen reste menschlicher reflexion, jenseits der vorgegebenen regeln, macht für mich das künsterische schaffen weiterhin relevant. und weil mich in diesem zusammenhang vor allem die undefinierten freiräume bzw. dasjenige interessiert, was die einzelnen akteure tatsächlich als antwort und echo auf die sie umgebende welt einflißen lassen, hab ich ehrlich gestanden weit mehr probleme mit vielen anderen verbreiteten modeerscheinungen und oberflächlichen effekten der bildgestaltung (FF [un]tiefenschärfeorgien oder colorgrading, das schlimmer als in zeiten der handkolorierung vor erfindung des farbfilms wirkt -- all diese dinge halt, die heutiges schaffen bald schon wieder "sehr alt" aussehen lassen wird), die den wachen blick mindestens genauso sehr verstellen, wie diese technischen hilfsmittel, die uns alle ständig überfordern und dem tatsächlichen kreativen eingriff bzw. jeder bewussten veränderung weitestgehend entzogen sind.
ich denk da immer wieder an den villem flusser, der den photographen angesichts dessen ohnmacht gegenüber der verwendeten technik sinngemäß nur mehr als "verlängerten selbstauslöser des apparats" beschrieben hat.
es mag zwar sein, dass mich viele hier quasi ausschließlich als techik-verliebten nerd wahrnehmen, aber in wahrheit geht es mir dabei mehr um die anneigung der nötigen voraussetzungen für eine kritische auseinandersetzung mit jenen werkzeugen und technischen rahmenbedingungen, die unser mediales schaffen ständig ganz massiv determinieren. letztlich ist das zwar auch nur ein aussichtsloses nachhecheln, mit dem man in wahrheit nur sehr wenig zu fassen bekommt und die große maschinerie ganz bestimmt nicht zu dekonstruieren vermag, aber zumindest ist mir persönlich diese richtung der auseinandersetzung und des hinterfragens sympathischer als einfach nur ohnmächtig im strom mitzuschwimmen.
ich glaub also weder daran, dass ich bilder machen könnte, die irgendwas wahres unverfälscht wiedergeben können, noch gebe ich mich großen illusionen hin, der prägenden vermittlung von illussionen aus holywood od. auch nur dem abendlichen fernsehprogramme irgend etwas kreatives entgegen setzten zu können. so bleib ich lieber bei diesem verrückten spiel an den rändern, das vielleicht noch am ehesten bezüge zur tradition und bemühungen mancher experimentalfilmer und ihrer auseinandersetzung mit den vorgaben des benutzen mediums besitzen dürfte. nur dass sich halt die rahmenbedingungen dauernd ändern und derartige arbeit heute oft mehr mit computern als mit kameras zu tun hat.